E-Bomben über der smarten Stadt
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Modellstädte wie Masdar in Abu Dhabi oder Songdo City in Südkorea vermitteln bereits heute eine Ahnung davon, wie die Stadt von morgen aussehen könnte. Dort und anderswo setzen Technologiekonzerne wie Cisco, IBM, LG oder Siemens ihre Visionen von der hochtechnologisierten Stadt der Zukunft um. Es sind hochkomplexe, vernetzte Systeme, die den Verkehr und Energieverbrauch steuern und das urbane Leben und seine Datenströme umfassend kontrollieren.
Mit der zunehmenden Komplexität und Vernetzung der Infrastruktur und der Stadtbewohner steigt auch die Gefahr von Cyberangriffen. Wie die smarte Stadt zum Schlachtfeld im Cyberkrieg wird, skizziert Florian Rötzer, Philosoph und seit fast 20 Jahren Chefredakteur des Online-Magazins Telepolis, in seinem vor kurzem im Frankfurter Westend Verlag erschienenen Buch "Smart Cities im Cyberwar".
Viele Perspektiven
Rötzers Buch ist weniger eine in sich geschlossene Analyse. Es ist eine Textsammlung, die sich auch aus Vorträgen und bereits veröffentlichten Texten des Autors speist, und sich der Thematik aus vielen Perspektiven nähert. Veränderungen in der urbanen Demografie und der Einzug der kreativen Klassen in die Städte sind ebenso Thema wie durch die Digitalisierung bedingte Umbrüche in der Arbeitswelt, Verschiebungen zwischen öffentlichen und privaten Bereichen im intelligenten Zuhause und die Smart City als behaglicher Kontrollapparat, in den sich Bürger, die mit Fitnessbändern und anderen Wearables durch die Straßen trotten, nahtlos einfügen.
Der vielschichtige digitale Wandel und die zunehmende Verbindung von realen und virtuellen Räumen in der Smart City eröffnen neue Angriffsflächen und schaffen komplexe Risikosituationen. Stromunterbrechungen oder Blackouts können weitreichende Folgen haben und ganz Regionen lahmlegen. "Für die Vernetzung und die Zukunft der Smart Cities gibt es nicht nur Risiken durch Pannen oder subversive bzw. kriminelle Aktivitäten", schreibt Rötzer. Denn auch die Möglichkeiten des Cyberwar wachsen. Vor diesem Hintergrund analysiert Rötzer das technische Hochrüsten der Armeen und Änderungen in militärischen Strategien in Richtung netzwerkzentrierter Kriegsführung.
Straßenkampf in der Megacity
Rötzer berichtet von Wargames des US-Außenministeriums, in denen der "Straßenkampf" in den Megacities der Zukunft geprobt werden soll. "Das Ausmaß, die Dichte, die Vernetzung und Komplexität" sind sehr viel größer als all das, mit dem Streitkräfte jemals konfrontiert waren", wird ein US-General zitiert.
Aber auch unbemannte Systeme, wie etwa Drohnen, werden thematisiert. "Letzlich können sie als ferngesteuerte oder vorprogrammierte Raketen des kleinen Mannes dienen, die allem und jedem im öffentlichen Raum gefährlich werden können", schreibt Rötzer. Paranoiker werden an Killerdrohnen, die Anthrax über Fußballstadien verteilen, oder Roboterinsekten, die Regimekritiker liquidieren, ihre Freude haben.
Horrorszenario
Was aber, wenn all die Netzwerke, Geräte, Maschinen und Fahrzeuge, die die smarte Stadt am Laufen halten, plötzlich stillstehen? Rötzer bietet auch solchen Szenarien Platz: Angriffe mit elektromagnetischen Impulsen (electromagnetic pulse, EMP), etwa durch die Zündung von Atombomben in großer Höhe, könnten das Nervensystem der intelligenten Städte auf einen Schlag lahmlegen. Stromversorgung, Telekommunikation, Satelliten, Verkehrssteuerung, Waren-, Finanz- und Datenströme, das komplette zivile Leben und selbst die hochtechnisierten militärischen Abwehrsysteme würden durch den Blitz aus elektromagnetischen Wellen zum Erliegen kommen.
Dass ein solches Szenario nicht ausgeschlossen werden kann und es derzeit kaum wirksamen Schutz dagegen gibt, zeigt Rötzer unter anderem anhand von Protokollen aus dem US-Repräsentantenhaus auf: "Es ist die Horrorvision für jede Regierung und jedes Militär."
Wofür steht die Abkürzung EMP?
Die Gewinner werden per Mail verständigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
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