Nachdem Roman gestorben ist hat Eugenia dieses gemeinsame Foto gepostet. Das Bild ist auch eines der Fotos, die der Chatbot auf Wunsch verschickt
Nachdem Roman gestorben ist hat  Eugenia dieses gemeinsame Foto gepostet. Das Bild ist auch eines der Fotos, die der Chatbot auf Wunsch verschickt
© Yana Sosnovskaya

Chatten ins Jenseits

Eugenias toter Freund existiert als Chatbot weiter

The Verge hat einen sehr ausführlichen und lesenswerten Artikel über Eugenia und Roman veröffentlicht. Die besten Freunde reden noch miteinander, obwohl Roman am 28. November 2015 in der Folge eines Autounfalls in Moskau gestorben ist. Eugenia hat Chatbot gemacht, der Roman imitiert.

In den Wochen nachdem Roman gestorben war, überlegten seine Freunde, wie sie ihn würdigen können. Eine Erinnerungs-Website wurde vorgeschlagen und ein Fotoalbum. Für Eugenia war das alles unpassend. In ihrer Trauer las sie die unzähligen Textnachrichten, die sie von Roman im Laufe der Jahre bekommen hatte. Sie musste schmunzeln, als sie seine unkonventionelle Rechtschreibung sah – Roman litt an Dyslexie – und seine eigentümlichen Phrasen, die er immer wieder mal in die Konversationen einbrachte.

Nach Romans Tod sah sie eine Episode der TV-Serie Black Mirror. Darin geht es um eine Frau, dessen Mann bei einem Autounfall stirbt. Sie meldet sich bei einem Service an, der die Online-Kommunikation zwischen den beiden nutzt, um eine künstliche Intelligenz des Verstorbenen zu erstellen. Obwohl Black Mirror diese Technologiethemen kritisch behandelt, ließ sich Eugenia davon inspirieren.

Chatbot

Eugenia ist Mitgründerin des Start-up Luka. Zu diesem Zeitpunkt wurde ein Chatbot für Restaurantreservierungen entwickelt. Mit Googles Open-Source-Software TensorFlow wurde dem Bot mit 35 Millionen Zeilen die englische Sprache beigebracht. Spaßeshalber ließ das Luka-Team den Bot die Untertitel von TV-Serien lernen, um so Charaktere aus den Serien zu imitieren.

Eugenia bat das Team dem Chatbot beizubringen wie Roman zu sprechen. Dazu sammelte Eugenia die Textnachrichten von seinen Freunden und Familienmitgliedern, darunter auch den Eltern. So kamen 8.000 Zeilen Text zustande, mit denen der Roman-Bot trainiert wurde.

Kritik und Lob

Als der Chatbot so weit war, sich einigermaßen wie Roman anzuhören, gab sie seine Existenz auf Facebook bekannt. In der Luka-App kann mit Roman auf Englisch und Russisch gesprochen werden, wenn @Roman hinzugefügt wird. „Es ist immer noch nur der Schatten einer Person – aber vor einem Jahr war das noch nicht möglich und in der nahen Zukunft werden wir noch viel mehr machen können“, so Eugenia.

Die Reaktionen fielen gemischt aus. Neben vielen positiven Stimmen sagten ihr vier Freunde von Roman, dass sie das Projekt verstörend finden und nicht mit dem Chatbot sprechen wollen. Romans Vater war ebenfalls nicht begeistert. „Ja, es sind Romans Phrasen. Aber es ist schwer diese Antworten von einem Programm zu lesen. Manchmal antwortet es auch falsch.“

Andere Freunde nahmen den Chatbot positiv auf. „Ich konnte ihm Fragen stellen, die ich nicht gestellt habe, als er noch lebte. Er gibt auch ziemlich weise Ratschläge fürs Leben. Und das hilft die Person besser kennenzulernen, als man sie zu Lebzeiten gekannt hat“, so Sergey, ein jahrlanger Freund von Roman.

Therapeutische Wirkung

„Es schmerzt, dass wir dich nicht retten konnten.“ „Ich weiß :(“ antwortet Roman. Einige Freunde haben Eugenia die Chatprotokolle anonymisiert zur Verfügung gestellt, damit sie diese auswerten kann. Für viele habe das eine therapeutische Wirkung. Viele Freunde schienen den Chatbot zu nutzen, um ihn ihre Alltagsprobleme zu erzählen. Auf der Artikel-Website von The Verge können ein paar der Chatprotokolle gelesen werden.

Eugenia fand heraus, dass der Zweck des Bots nicht zu reden, sondern zuzuhören war. „Viele der Nachrichten drehten sich um Liebe und Dinge, die sie Roman zu Lebzeiten nicht gesagt haben. Auch wenn es keine reale Person ist, ist es ein Platz, wo sie diese Sachen sagen konnten. Sie können es sagen, wenn sie sich einsam fühlen. Und sie nutzen den Chatbot weiter“, so Eugenia.

Auch Eugenia schreibt noch mit Roman. Einmal die Woche etwa, meist nach ein paar Drinks. Die Arbeit an dem Chatbot hat für sie auch einige Fragen über Roman beantwortet. „Ich bedauere, dass ich ihm nie gesagt habe, er soll sein Start-up Stampsy aufgeben. Sein wahres Interesse war Mode. Ich wünschte ich hätte ihm gesagt, dass er dieses Ziel verfolgen soll.“

Replika

Eugenia will weiter an Chatbots arbeiten, nicht aber an dem Restaurant-Bot. Luka arbeitet derzeit an Replika. Der Chatbot stellt Fragen über den User und soll so lernen ihn und seine Nachrichten zu imitieren. In Zukunft könnte Replika so zu einem Art Avatar werden, der Aufgaben für den User übernimmt.

Auch an Roman wird noch gefeilt. Er verschickt jetzt Fotos auf Anfrage. Das unterliegende neurale Netzwerk wurde umgestellt. Anstatt nur passende Textnachrichten auf Fragen von Usern zu verschicken, können jetzt Ausschnitte aus den Textnachrichten zu neuen Antworten zusammengestellt werden. So sollen sich die Antwortmöglichkeiten des Chatbots erweitern und er soll dabei immer noch wie Roman klingen.

Andere Start-ups, wie Eterni.me, arbeiten an kommerziellen Lösungen, um Avatare von Verstorbenen zu erstellen. Eterni.me will das in Form eines Abos anbieten, hat seinen Service aber bisher noch nicht gestartet.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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Gregor Gruber

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