© Südwind

Umweltproblem

Europäischer Elektromüll verseucht Afrika

Der weihnachtliche Geschenkeberg kommt in Afrika verspätet an. Während Kinder hierzulande noch damit beschäftigt sind, ihr neuestes Handy oder ihre Spielkonsole auszuprobieren, wandern nicht mehr gebrauchte Altgeräte in den Müll. Oftmals landet die hochgiftige Fracht aus Europa aber nicht in modernen Recycling-Zentren, sondern wird in riesigen Schiffscontainern nach Afrika gebracht.  Auch österreichische Lieferungen sind dabei.

Müllberg
„Jeden Monat kommen über 500 Container mit Elektromüll allein in Ghana an. Nach Weihnachten steigt die Anzahl der Lieferungen enorm an“, erklärt der aus Ghana stammende Umweltjournalist Mike Anane im Gespräch mit der futurezone. Der Elektromüll wird unter legales Frachtgut gemischt oder ist illegalerweise als funktionsfähige Gebrauchtware deklariert. Kontrolliert wird in Europa wie in Afrika kaum.

Laut Informationen der österreichischen Organisation „Südwind“, die sich seit Jahren dem Thema widmet, sind etwa im riesigen Hamburger Hafen gerade einmal vier Leute für die Überprüfung derartiger Frachtcontainer abgestellt. In anderen großen Häfen wie Rotterdam zeigt sich ein ähnliches Bild.

Für die Bevölkerung vor Ort ist die schmutzige Fracht naturgemäß kein Segen. Kinder und Jugendliche haben die Müllhalden zu ihren Spielplätzen auserkoren und schlachten die alten Geräte   mit bloßen Händen aus. Der Erlös aus dem Verkauf eines Stück Kupferdrahts oder anderer Metallteile reicht für eine Handvoll Essen.

Gesundheitsgefahr
Doch das Leben mit dem Müll hat seinen Preis. Denn gerade Elektronikschrott beinhaltet hochgiftige Substanzen wie Quecksilber, Cadmium und Blei, die über Haut und Lunge in den Körper aufgenommen werden. Gerade die in Bildschirmen und Displays verbauten LEDs (Licht emmitierende Dioden) gelten als äußerst problematisch. Verschärft wird die Situation dadurch, dass die Bevölkerung vor Ort die Geräte mit bloßen Händen aufbricht oder auch anzündet, um an die Teile im Inneren zu gelangen. „Dabei  entweichen hochgiftige Gase, die Krebs und andere tödliche Krankheiten bei den Kindern und Jugendlichen verursachen“, sagt Anane.

Obwohl das Problem seit Jahren bekannt ist, wachsen die Müllberge in Dritte-Welt-Staaten in Afrika, aber auch in Asien weiter an. Politiker zeigen sich Anane zufolge über die hohen Mengen an Elektromüll aus ihren Länder überrascht, vor allem die Niederlande, Deutschland, Großbritannien, aber auch die USA zählen zu den größten Umweltsündern. Gesetze und Richtlinien, die teilweise bereits seit Jahrzehnten zur Anwendung gelangen, haben das Problem bisher nicht eindämmen können.

Recycling-Firmen am Pranger
Der Umweltjournalist führt das Müllproblem auf skrupellose Recycling-Firmen zurück, die sich der aufwendigen Aufbereitung entledigen, indem sie große Mengen des Elektroschrotts in die dritte Welt verfrachten. Aber auch die Hersteller sind gefordert. „Zum einen setzen sie in ihren Produkten immer noch auf hochgiftige Substanzen. Zum anderen übernehmen sie für die Rücknahme alter und kaputter Geräte keine Verantwortung“, kritisiert Anane.

Dabei sieht das „Basler Übereinkommen“ aus dem Jahr 1989 eigentlich eine Kontrolle grenzüberschreitender Abfalltransporte vor. Die Vereinbarung, mit der das illegale Abladen von gefährlichem Müll in Entwicklungsländern verhindert werden soll, wurde von der damaligen EG ratifiziert und ist seit Mai 1992 in Kraft. Dennoch landen weiterhin Hunderte von Containern mit europäischem Elektromüll in Afrika und Asien.

Gesetzliche Richtlinien unwirksam

Um die Elektromüll-Problematik besser in den Griff zu bekommen, hat die EU im Jahr 2002 zudem die europäische „WEEE-Richtlinie“ (Waste Electrical and Electronic Equipment) beschlossen, die den Export von gefährlichem Elektroschrott in Nicht-OECD-Länder verbietet. Da die Umsetzung der Richtlinie weiterhin zu wünschen übrig lässt, will die EU die Richtlinie einmal mehr überarbeiten. Eine im Dezember 2008 präsentierte Version konnte aufgrund des starken Widerstands der Elektronikindustrie aber nicht abgesegnet werden.

In Österreich regelt die sogenannte „Elektroaltgeräteverordnung“ die Abfallvermeidung, Sammlung und Behandlung  von elektronischen Abfällen. Die bei offiziellen Sammelstellen abgegebenen Altgeräte werden von registrierten Verwertungsfirmen dem Recycling-Prozess zugeführt. Offizielle Sammelstellen werden vom Lebensministerium lizenziert und überprüft.

Kaum Bewusstsein bei Konsumenten
Konsumenten hierzulande sind sich des Elektromüll-Problems meist nicht bewusst, zumal es kaum nachvollziehbar ist,  was mit Altgeräten nach ihrer Entsorgung passiert. Laut der Organisation Südwind gelten zumindest die Sammelstellen der österreichischen Gemeinden als vertrauenswürdige Anlaufstelle. Vorsicht sei allerdings bei privaten Schrotthändlern geboten. Aber auch Wohltätigkeits-Aktionen, die das Versenden von gebrauchten Geräten nach Afrika vorsehen, seien mit Vorsicht zu genießen.

Auch die viel beworbene Ö3-Wundertüte, gilt als nicht unumstrittene Initiative. Laut Südwind ist das Projekt, bei dem alte Handys eingesammelt werden, prinzipiell unterstützenswert. Der Haken dabei sei aber, dass Geräte, die hierzulande nicht mehr repariert werden können, in weiterer Folge meist in chinesischen Fabriken landen, wo sie unter schlechten Arbeitsbedingungen "weiterverarbeitet" werden. Die Caritas Wien, welche die Aussortierung und Verwertung der Handys in Österreich betreue, könne die Arbeitsbedingungen in diesen Werken naturgemäß nicht beeinflussen, so Südwind.

Grundsatzentscheidung

„Jeder sollte sich gerade zur Weihnachtszeit fragen, ob man wirklich wieder das neueste Gerät benötigt. Beim Entsorgen des Alt-Gerätes sollte man jedenfalls darauf achten, dass dieses von zertifizierten Stellen recycelt wird“, so Anane. Am Dienstag findet im Wiener Rathaus eine Tagung zum Thema statt, bei der Strategien zur Abfallvermeidung und -verwertung diskutiert werden.

Mehr zum Thema

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

mehr lesen
Martin Jan Stepanek

Kommentare