Experiment Bankfiliale: Kaffee-Bar statt Schreibtisch
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Wer die Erste Bank Filiale Lerchenfelderstraße in der Wiener Josefstadt betritt, merkt bald, dass hier alles etwas anders ist. Zwar sind hier wie in anderen Foyers auch Bankomaten und Kontoauszugsdrucker platziert. Statt den obligatorischen Kassen und Schreibtischarbeitsplätzen für Beratungsgespräche gibt es aber ein einfaches Begrüßungsstehpult mit Laptop sowie eine prominent platzierte Kaffee-Bar, wo etwa Beratungsgespräche abgewickelt werden.
Offener Raum
Abgesehen von der offenen Gestaltung des Eingangsbereiches, der ohne Barrieren oder Abtrennungen auskommt, fallen als Gestaltungselement noch eine grüne Pflanzenwand sowie eine große Kinderspielecke auf. Ums Eck gibt es weitere mobile Arbeitsplätze sowie einen Zugang zu einzelnen abgetrennten, aber verglasten Beratungszimmern und einem als Veranstaltungsraum konzipierten Forum, das ca. 50 Personen Platz bietet. Hier finden auch regelmäßig die Workshops der s Lab Community statt, wo gemeinsam mit Kunden Ideen zur Bank der Zukunft weiterentwickelt werden.
Die Hypothese der Erste-Bank-Verantwortlichen lautet, dass das Basisgeschäft, wie Kontoauszug, Überweisungen durchführen oder auch Daueraufträge ändern, in Zukunft hauptsächlich über mobile Geräte wie Smartphones, Tablets oder am eigenen Computer durchgeführt wird. Kunden, die kompliziertere Entscheidungen treffen, wie etwa Finanzierungen für die eigene Wohnung, Kredite, Versicherungen, Wertpapiere etc. würden aber weiterhin persönliche Beratung in der Filiale in Anspruch nehmen. Dieser Trend ziehe sich durch alle Altersgruppen durch, auch junge Leute und Studierende würden weiterhin gern persönliche Beratung in Anspruch nehmen.
Bank als Zukunftslabor
„Die zugrunde liegenden Fragestellungen waren einfach: Was braucht es, dass Menschen gerne in eine Bank gehen? Wie kann man eine offene Umgebung abseits klassischer Bankenprozesse und –Einrichtung schaffen, um dem nach wie vor bestehenden Bedürfnis nach persönlichem Kontakt gerecht zu werden“, erklärt Filial- und Projektleiter Michael Bständig, der die intern gerne als „future lab“ bezeichnete Zweigstelle zusammen mit einem Kollegen aus der Filialkonzeption von Grund auf entworfen hat.
Damit das Konzept funktioniert, sind allerdings auch Mitarbeiter gefragt, die mit den veränderten Arbeitsbedingungen und besonderen Anforderungen umgehen können. Anders als andere Filialen ist die Filiale Lerchenfelderstraße von 8 bis 18 Uhr durchgehend geöffnet. Auch eigene fixe Arbeitsplätze sind in der Filiale nicht vorgesehen. Am wichtigsten ist aber aufgrund des offen gestalteten Raumes, dass Mitarbeiter erkennen, wann Diskretion gefragt ist und man doch in einen der Räume mit mehr Privatsphäre ausweichen soll.
„Wir haben bei unserem Auswahlprozess der Mitarbeiter Wert darauf gelegt, auch MitarbeiterInnen mit Erfahrungen aus anderen Branchen anzusprechen, die in ihrem Leben zum Beispiel auch ehrenamtlichen Tätigkeiten nachgehen, um neue Blickwinkel in das Projekt einbringen zu können. Geworden ist es am Schluss ein motiviertes, gleichzeitig aber auch sehr junges Team“, sagt Bständig im futurezone-Interview.
Papierlos arbeiten
Mit den mehr oder weniger papierlosen Arbeitsplätzen und dem Arbeiten auf Laptops und Tablets haben die Mitarbeiter laut Bständig kein Problem. „Papierstapel, die auf Schreibtischen auf ihre Bearbeitung warten, gibt es bei uns nicht. Man muss aktuelle Sachen sofort bearbeiten, ins Kuvert stecken und abschicken“, so Bständig. Viele Dokumente – wie Geschäftsbedingungen könnten heute zudem auch per E-Mail verschickt werden, was immer mehr Kunden von sich aus auch fordern würden.
Bei den angesprochenen Kunden kommt die seit Mai 2013 wiedereröffnete Filiale laut dem Erste-Bank-Filialleiter überwiegend gut an. Dass das Konzept der offenen Atmosphäre in einer Bank aber eine Gradwanderung ist, mussten die Verantwortlichen aufgrund von Kunden-Rückmeldungen ebenfalls einsehen. So wird die Bankomaten-Situation im Foyer als zu wenig privat empfunden und wird deshalb in Kürze so adaptiert werden, dass die offene Gestaltung des Raumes beibehalten wird, für diesen Bereich aber mehr Sichtschutz und Rückzugsraum geschaffen wird.
Experiment und Ideengeber
Uneingeschränkt positiv werden laut Bständig die verlängerten Öffnungszeiten empfunden. Aber auch die große Kinderecke sowie die Kaffee-Bar werden von Kunden gut angenommen. „Es hat uns selber überrascht, dass die meisten Kunden es als recht angenehm empfinden, wenn ein Beratungsgespräch in der lockereren Atmosphäre an der Kaffee-Bar stattfindet“, meint Bständig. Die beiden Elemente sollen daher auch bei der die Umgestaltung anderer Erste-Bank-Filialen berücksichtigt werden.
„Unsere Erfahrungen werden mit Sicherheit in das Gesamt-Filialkonzept der Erste Bank einfließen, zumal wir bei unserer Konzeption großen Wert darauf gelegt haben, dass ungeachtet der Andersartigkeit alles für andere Filialen einfach reproduzierbar bleibt“, sagt Bständig. Die Filiale sei gleichzeitig aber kein fertiges Musterpaket. Vielmehr würden hier Dinge ausprobiert und auch wieder verworfen. Elemente die sich bewährt haben, sollen dann beim Umbau anderer Filialen zum Einsatz kommen.
Auch bei der Frage, ob der Bankmitarbeiter der Zukunft weiterhin mit Hemd und Krawatte seinen Dienst verrichten werde, zeigt sich der Filialleiter offen. „Das diskutieren wir noch, zumal die Gesellschaft hinsichtlich legerer Kleidung immer offener wird. Natürlich muss die Kleidung trotzdem angemessen sein, aber vor 20 Jahren hätte man sich auch nicht vorstellen können, dass ein behandelnder Arzt sich in einem Polo zeigt“, meint Bständig. Möglicherweise werden in der Lerchenfelderstraße die Berater also auch bald bekleidungstechnisch Neues ausprobieren.
Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation mit Erste Bank und Sparkassen.
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