Ließ antisemitische Werbekategorien zu: Facebook
Ließ antisemitische Werbekategorien zu: Facebook
© REUTERS/Dado Ruvic

Online-Netzwerk

Facebook verkaufte Werbung für "Judenhasser"

Verkäufer von Nazi-Devotionalien oder antisemitische Gruppen, die ihre Botschaft zielgerichtet unters Volk bringen wollen, haben auf Facebook leichtes Spiel. Facebook geht zumeist erst dann dagegen vor, wenn es medialen Wirbel gibt, wie im aktuellen Fall: Wie das US-Politmagazin Pro Publica berichtet, hat das Online-Netzwerk zugelassen, dass Werbetreibende Anzeigen zielgerichtet an Antisemiten adressieren konnten.

Bezahlte Postings konnten auf Facebook an Leute ausgespielt werden, die sich zuvor als "Judenhasser" zu erkennen gaben oder sich an Themen "Wie man Juden verbrennt" oder "Warum Juden die Welt ruinieren" interessiert zeigten. Pro Publica kaufte zu Testzwecken selbst solche Anzeigen über Facebooks Werbeplattform. Die antisemitischen Kategorien wurden nach Angaben des Magazins von Algorithmen errechnet und von Facebook vorgeschlagen.

Facebook reagiert

Nach entsprechenden Anfragen von Pro Publica hat Facebook die Möglichkeit, an solche Zielgruppen Werbung auszuspielen, entfernt. Man werde künftig darauf achten, dass solche algorithmisch erstellten Kategorien von Mitarbeitern überprüft würden, bevor sie zum Kauf angeboten werden, hieß es. Bis auf Weiteres würden diskriminierende Kategorien von der Plattform entfernt, teilte das Online-Netzwerk weiter mit.

Facebook rechtfertigte sich auch damit, dass die Anzahl der Leute, die durch entsprechende Kategorien erreicht werden könnte, "unglaublich gering" sei. Ein auf Pro Publica veröffentlichter Screenshot zeigt, dass Facebook die Zahl der Nutzer, die potenziell mit der Werbekategorie "Judenhasser" erreicht werden könne, mit 108.000 angibt. Rund 2300 Nutzer könnten direkt angesprochen werden, rechnet das soziale Netzwerk vor.

Befremdlich nimmt sich auch ein Satz aus, der auf dem Screenshot zu sehen ist, mit dem Werbetreibenden neben Kategorien wie "Judenhasser", "German Schutzstaffel" oder "Nazi-Party" gratuliert wird: "Ihre Publikumsauswahl ist großartig", heißt es dort.

Verantwortung

Kritik ließ nicht lange auf sich warten: Man könne von Facebook nicht verlangen, dass es nutzergenerierte Inhalte minutiös beobachte. Das Online-Netzwerk sollte aber zumindest die Dinge im Auge behalten, mit denen es Geld verdiene, sagte Aaron Rieke von dem auf Bürgerrechte und Technologie spezialisierten Beratungsunternehmen Upturn dem US-Magazin The Atlantic.

Harvard-Rechtsprofessor Jonathan Zittrain forderte eine generelle Überprüfung von Kategorien, mit denen Online-Netzwerke Werbung verkaufen und sieht Facebook klar in der Schuld: "Sie sind dafür verantwortlich, welche Gruppe sie unterstützen." Bei einem Unternehmen wie Facebook sollte es Sicherheitsmechanismen geben, die solche algorithmisch erstellten bedenklichen Werbegruppen ausschließen, sagt Ingrid Brodnig, Autorin des Buches „Lügen im Netz“ zur futurezone.

Wie das Online-Magazin Slate berichtet, ist es auf Facebook weiterhin möglich, gezielte Werbung an Leute auszuspielen, die etwa am rassistischen Ku-Klux-Klan Interesse zeigen oder der Tötung von radikalen Muslimen aufgeschlossen gegenüberstehen.

Im Gerede

Facebook war erst vor Kurzem ins Gerede bekommen. Russische Gruppen hatten über gefälschte Profile gezielte Werbung geschaltet. So wurde versucht, in den US-Wahlkampf einzugreifen. Dabei wurden Falschnachrichten verbreitet, aber auch Teilnehmer für rechte Protestmärsche geworben. Ebenfalls 2016 wurde bekannt, dass Werbetreibende für ihre Anzeigen spezifische ethnische Gruppen auswählen und andere diskriminieren konnten. Auch gezielte Werbung an "Teenager, die sich wertlos fühlen" soll Facebook bereits Werbetreibenden angedient haben.

Wie gezielte Werbung funktioniert

Anzeigen sind Facebooks wichtigste Einnahmequelle. 90 Prozent seines Gewinns (3,34 Milliarden Euro im zuletzt abgeschlossenen zweiten Quartal) machte das Unternehmen damit. Für Werbetreibende ist Facebook darum so attraktiv, weil entsprechende Inhalte gezielt ausgespielt werden können, was als "Targeting" bezeichnet wird. Dadurch, dass jeder Nutzer Facebook freiwillig mit seinen persönlichen Daten füttert und verschiedene Seiten mit einem "Gefällt mir" versieht, lässt sich oft sehr schnell ein detailliertes Persönlichkeitsbild erstellen. Je aktiver man auf Facebook ist und je mehr Beiträge und Seiten man mit einem "Gefällt mir" markiert hat, desto genauer weiß Facebook über die persönlichen Präferenzen Bescheid. Diese Informationen können anschließend die Anzeigenkunden nutzen, damit bestimmte Produkte und Dienstleistungen nur denen angeboten werden, für die sie auch relevant sind.

Wie viel unsere "Likes" über uns aussagen, haben etwa Forscher der Universität von Cambridge im Rahmen eines umfangreichen Projekts untersucht. Dabei wurde herausgefunden, dass sich die sexuelle Orientierung eines Nutzers, sein Alter und seine politische Einstellung im Schnitt mit fast 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit rein über seine "Likes" herausfinden lassen. In einem anderen Forschungsprojekt wurde festgestellt, dass sich anhand von "Likes" auch feststellen lässt, ob jemand Alkohol, Zigaretten oder andere Drogen konsumiert.

"Microtargeting" im Wahlkampf

Im Dezember sorgte die Datenanalysefirma Cambridge Analytica mit der Aussage für Aufsehen, dass sie die US-Wahl und die Brexit-Abstimmung in Großbritannien beeinflussen konnte. Dazu hat sie Werbebotschaften auf Facebook auf sehr spezifische Persönlichkeitsprofile zugeschnitten. Diese Methode wird "Microtargeting" genannt. So sollen im US-Wahlkampf potenzielle Wähler von Hillary Clinton abgeschreckt worden sein. Auch im Vorfeld der Wahlen in Österreich und Deutschland gibt es Befürchtungen, dass über solche "Dark Posts" genannten Botschaften, die nur von der jeweiligen Zielgruppe gesehen werden, Stimmung gemacht wird.

Nicht kontrollierbar

Anders als Werbung auf Plakaten, im Fernsehen oder in Zeitungen können Dark Posts von der Öffentlichkeit nicht kontrolliert werden. Behauptungen können nicht überprüft werden, auch Negativwerbung kann sich so leicht verbreiten. Für den deutschen Wahlkampf hat Pro Publica ein Programm entwickelt, mit dem Nutzer versteckte Wahlwerbung auf Facebook markieren können: den "Political Ad Collector". Die Browser-Erweiterung sammelt die Anzeigen öffentlich einsehbar in einer Datenbank. Für den österreichischen Wahlkampf steht das Tool nicht bereit. Die Autorin Ingrid Brodnig spricht sich dafür aus, dass Parteien dazu verpflichtet werden sollen, öffentlich zu machen, mit welchen Botschaften sie um welche Zielgruppen online werben.

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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