Filmdreh im Cockpit des A380
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Er ist der „Mister A380“ – Jürgen Raps hatte unzählige Medienauftritte in den vergangenen Jahren. Er ist – nicht nur ob seiner Funktion als Chefpilot der Lufthansa - der bekannteste Pilot Deutschlands. Er tourte mit dem größten Passagierflugzeug durch die ganze Welt, ist im April 2005 das erste Mal in den A380 gestiegen und hat ab 2006 für Airbus Industries die Prüf-Flüge (Route-Proofing) auf den bekannten Weltrouten (New York, Washington, Dubai, Hongkong, Sydney etc.) absolviert. Mit dem ersten Lufthansa Airbus A380 „Frankfurt am Main“ machte Raps am 2. Juni 2010 auch in Linz und Wien Station und blieb den heimischen Medien beim Zwischenstopp in Wien-Schwechat mit dem Satz „Der A380 fliegt sich wie ein Ferrari fährt“ in Erinnerung. „Eigentlich müsste ich, wenn ich an die Formel 1 denke, jetzt sagen, er fliegt sich, wie sich ein Red Bull fährt“, sagt Jürgen Raps und dreht sich schmunzelnd zu seinem Co-Piloten Harald Tschirna, „Schauen Sie“, deutet er zum rechten Seitenfenster, „da drüben sieht man die Gipfel der Rocky Mountains. Schade, dass es heute so bewölkt ist.“
19.000 Flugstunden
Ein wenig Wehmut liegt in Raps Stimme, ist es doch einer seiner letzten Flüge mit dem Riesenflugzeug. Und dieser hier mit der Flugnummer LH 454 Frankfurt - San Francisco ein ganz besonderer. Er wird filmisch dokumentiert, von sechs Kameras, die im Cockpit montiert sind. Drei Kameras schauen raus, drei Kameras schauen rein ins Cockpit: Das Team von Pilotseye.tv des Österreichers Thomas Aigner filmt den gesamten Hin- und auch Rückflug (LH 455) mit und macht aus den letzten der mehr als 19.000 Flugstunden Raps’ einen 90-Minuten-Film.
IATA- und EASA-Experte
„Ich werde noch etwa zehn Flüge als aktiver Pilot fliegen, dann ist Schluss“, sagt Raps, der nach seinem aktiven Dienst aber weiter im Vorstand der deutschen Lufthansa-Stiftung, Aufsichtsrat-Mitglied in diversen Firmen und auch im IATA-Komitee und in einer EASA-Expertengruppe bleibt. „Ich bleibe der Luftfahrt erhalten, aber ich will eigentlich nicht mehr weiter fliegen“, so Raps. „Ich habe auf so viele Sachen in meinem Leben verzichtet, man muss – wie heißt es so schön – aufhören, wenn es am schönsten ist.“ Die reibungslose Einführung des A380 in den Flugbetrieb der deutschen Lufthansa war sein Auftrag, „den hab ich erfüllt, denn es war die effektivste Einführung eines neuen Fluggeräts bei der Lufthansa“, sagt Raps nicht ganz unbescheiden. Nun kommt sein Leben an die Reihe, wird in Arizona sesshaft, Golf spielen, sich zwei Hunde – einen Rhodesian Ridgeback und einen Dobermann zulegen und einen Hubschrauber-Schein machen.
Das Filmprojekt
„Sechs Stunden hat der Einbau der Kameras gedauert“, schildert Thomas Aigner, während er die letzte der sechs Kameras justiert. 350 Kilogramm hat das gesamte Equipment, das sofort nach der Landung wieder ausgebaut werden muss. 30 Minuten geben die Lufthansa-Techniker vor Ort seinem Team, dem auch Aigners Schwester, die Moderatorin und Fotografin Carolyn Aigner angehört, Zeit, alles zu demontieren; der A380 muss wieder für den nächsten Flug vorbereitet werden.
Schon im Pilotseye.tv-Büro in München wurde die gesamte Installation exakt wie im Airbus aufgebaut, jede Einstellung getestet, jeder Akku gecheckt. Die gesamten Aufnahmen werden mit einem GPS-Zeit-Stempel versehen, damit die Innen- und Außenaufnahmen im Schnitt wieder synchronisiert zusammengefügt werden können.
HD-Content
Die Idee, Flüge mitzufilmen, hatte er schon vor etwa sechs Jahren. „2004 wurden die ersten bezahlbaren HD Geräte vorgestelltt“, erinnert sich Aigner, der in den 80er Jahren bei Ö3 gearbeitet hatte, später TV-Moderator war und nach 4 Jahren US-Aufenthalten zum Marketing-Experten und schließlich Unternehmer wurde. „Damals waren sich Experten einig, dass die TV-Anstalten über kurz oder lang HD-Content benötigen werden.“ Nicht nur HD-Content für das Hauptabend-Programm, sondern für die sog. Off-Primetime. „Und diese Programminhalte sollten zeitlos wie nur irgendwie möglich aber intelligent sein“, so Aigner. So kam ihm die Idee, Flüge mitzufilmen, bei denen der Zuschauer praktisch zur Kamera wird. „Es wollen doch viele vorne mitfliegen, das Cockpit besuchen“, weiß Aigner. „Stellen Sie mal die Frage an die Passagiere, da zeigen viele auf.“
Film-Dramaturgie
Die Filme sind aber nicht einfache Mitschnitte, sondern dramaturgisch gestaltet. Da gibt es keine Langeweile, weil die Kameraeinstellungen ständig wechseln, Piloten zu Wort kommen, man die typischen Cockpit-Geräusche hört und weil der gesamte Flug in eine kleine Handlung eingebaut wird. Jürgen Raps’ Auftritt endet nicht mit der Landung in San Francisco, sondern der Dreh wurde am Flugfeld fortgesetzt. Raps durfte – eine einmalige Ausnahme – mit einer Harley Davidson seine Runden um den A380 drehen. Wohl auch deshalb, weil die Lufthansa die erste Fluglinie ist, die San Francisco mit dem A380 anfliegt, denn das wird als eine Art „Ritterschlag“ für einen Flughafen gewertet.
Die Filme haben zwei Erzählebenen – eine ist die „Observierung“ der Piloten, ein Über-die-Schulter-schauen, die zweite ist der Blick nach Außen. Die Produktion eines Films dauert etwa ein halbes Jahr. Allein der Bildschnitt nimmt etwa 30 Tage in Anspruch. Der Flug mit dem A380 von Frankfurt nach San Francisco ist der zehnte aus dem Pilotseye.tv-Studio, vor San Francisco wurden schon Flüge auf die Malediven, über die heimischen Alpen, zum Nordpol oder nach Tokio mitgeflimt. Der neunte Film wird ein Flug nach Shanghai mit SWISS. Das Interesse für seine Filme, die auf DVD und teilweise auf Blu-ray erscheinen, ist enorm. Auf Facebook hat Pilotseye beinahe 8000 Fans.
Fakten zum Airbus A380
+ Die Entwicklung der Tragflächen hat beim A380 12 Milliarden Dollar gekostet.
+ Das Cockpit des A380 ist 4,4 Quadratmeter groß und das erste reine papierlose Cockpit in der Luftfahrt.
+ Es wird das „Electronic Flight Bag“ eingesetzt, alle wichtigen Informationen und Unterlagen wie Wetter, Flugpläne und Karten sind elektronisch abrufbar und passen sich sekündlich dem Flugverlauf an.
+ Im Cockpit gibt es acht Displays - über zwei Bildschirme können die Piloten Handbücher, Anflugkarten und Dokumentationen abrufen, mit zwei Klicks lässt sich der Pilot einen neuen Flugweg anzeigen, etwa um Wetterfronten auszuweichen oder eine Abkürzung zu nehmen..
+ In der Lufthansa-Konfiguration bietet der A380 insgesamt 526 Passagieren (420 Economy-, 98 Business-, 8 First-Class), Platz, die von einer 21-köpfigen Crew betreut werden.
+ Was man im A380 vermisst: Web im Flugzeug gibt es noch nicht. Die einfache Erklärung: Der Beschluss der Lufthansa, den Passagieren wieder das Flynet anzubieten, wurde zu einer Zeit gefasst, zu der der A380 bereits gebaut war/wurde. Im Nachhinein können Konfigurationen nicht so einfach geändert werden. Beim Flynet müssen Antennen, eine Verkabelung etc. eingezogen werden, die dann das Surfen auf 12.000 Metern ermöglichen.
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