Filmreifes Drama um virtuelle Instagram-Stars
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Auf der Foto-Plattform Instagram rittern täglich tausende so genannte "Influencer" darum, möglichst viele Follower zu unterhalten, dabei beiläufig Produkte zu bewerben und dafür von Unternehmen finanziell oder materiell unterstützt zu werden. Eine dieser Influencer ist Miquela Sousa. Sie ist 19 Jahre alt, lebt in Los Angeles, hat Wurzeln in Brasilien, Spanien und den USA und arbeitet als Model und Musikerin. Sie liebt Mode, die Rapperin Cardi B und setzt sich gegen Rassendiskriminierung ein.
Mit ihren Followern pflegt "LilMiquela" (Instagram-Kürzel) intensiven Kontakt. Mehr als eine Million Menschen folgen Sousas Beiträgen. Auf den Musikplattformen Spotify und iTunes hat sie mehrere Singles veröffentlicht. Bekannte Modemarken wie Prada oder Supreme haben sie als Model engagiert. Sousa hat bereits einige Magazin-Cover geziert und Interviews gegeben. Das wirklich Besondere an Sousa ist: Sie ist nicht echt.
Dramatische Fehde
Sommersprossen, Pony-Haarschnitt und Zahnlückenlächeln sind computergeneriert. Wer genau dahintersteckt, ist ein gut gehütetes Geheimnis. Laut offiziellen Informationen wurde sie von einer Organisation namens "Brud" auf Basis einer realen Person programmiert. Ein anderer virtueller Charakter zieht diese Version nun in Zweifel.
Die Aufdeckerin nennt sich Bermuda, sieht wie eine blonde junge Frau aus und ist offene Trump-Befürworterin. Motto: "Die Erde wird nicht heißer, aber ich." Sie tritt offen als "Künstliche Intelligenz" auf, die von einem mysteriösen Programmierer namens Daniel Cain bzw. seiner Firma Cain Intelligence entworfen wurde.
In der vergangenen Woche hat Bermuda nun Sousas Instagram-Profil gehackt, um Sousa zu einem "Treffen" zu zwingen und sie über ihre wahre Identität aufzuklären. Bermuda enthüllte dabei, dass Sousas Programmierer gelogen hatten, was ihre Herkunft anbelangt. Es habe nie eine reale Miquela Sousa gegeben, die als Vorlage für das intelligente Programm Miquela Sousa galt. "Ich bin nicht die, die ich vermeinte zu sein", schreibt die virtuelle Influencerin betroffen.
Eskapismus
Das alles klingt sehr dramatisch, scheint aber völlig frei erfunden zu sein. Weder Cain Intelligence noch Brud existieren in Realität. Auch der vermeintliche Hackerangriff auf Sousa könnte einem Drehbuch entstammen. Die jeweiligen Gefolgschaften von Sousa, "Miquelites" genannt, und Bermuda sind beträchtlich angewachsen. "Willkommen im Frühling 2018", kommentiert TechCrunch die Tatsache, dass virtuelle Stars virtuelle Dramen durchleben und reale Menschen damit in ihren Bann ziehen.
Das Phänomen virtueller Stars ist nicht gerade neu. Musterbeispiel ist der japanische Popstar Hatsune , eine Zeichentrickfigur, die als Hologramm auftritt und riesige Konzerthallen füllt. Auch Miku fand ihren Weg in die Modebranche und kooperierte etwa mit Louis Vuitton und Swarovski.
Für Ilja Jay, einen österreichischen Blogger und Unternehmer, der Vorträge zum Thema Selbstvermarktung hält, sind virtuelle Stars ein Zeichen der Zeit: "Diese Charaktere pflegen einen Lebensstil, den viele gerne hätten. Das ist Eskapismus gepaart mit Voyeurismus. Es ist ein Ausweg aus dem Alltag, ein Ventil." Für Marketingexperten stellt das Online-Drama um Miquela Sousa einen Weg dar, um Follower tiefer in das "Leben" der Figur eintauchen zu lassen. Ein endloser Strom an Porträts in unterschiedlichen Outfits alleine wäre doch langweilig.
Was Influencer ausmacht
"Im weitesten Sinne ist ein Influencer jemand, der die Fähigkeit hat, Entscheidungen zu beeinflussen – im Normalfall Kaufentscheidungen", meint Experte Ilja Jay. Dazu braucht es eine große Gefolgschaft im Netz. "Ein Influencer muss eine klare Identität besitzen und eindeutige Werte vertreten", meint Jay. Vertrauen sei sowohl für Follower wichtig, als auch für Firmen, die den Influencer mit Geld oder Gratisprodukten entlohnen.
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