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Google Glass: "Rechtlich wie ein Smartphone"

Google hat mit seiner Datenbrille seit dem Tag der Präsentation weltweit für Furore und Begeisterung unter Technikfans gesorgt. Fast genauso groß war das Echo auf Google Glass aber auch seitens der Kritiker. Vor allem in den vergangenen Wochen und Monaten hat die Debatte um das neue Gerät spürbar an Fahrt aufgenommen, nicht zuletzt, da man nun weiß, dass Google Glass noch dieses Jahr auf den Markt kommen und was die Videobrille kosten wird.

Google Glass ermöglicht Anwendungen, die Datenschützer in Alarmbereitschaft versetzen, so sollen Menschen etwa anhand ihrer Kleidung erkannt werden können. Ganz generell wird es möglich sein, noch leichter Aufnahmen von Personen zu machen, ohne dass diese es merken, als dies bisher schon mit Smartphones möglich ist. Gleichzeitig werden in den USA bereits Beeinträchtigungen im Straßenverkehr befürchtet - in West Virginia wurde zuletzt ein Verbot beim Autofahren gefordert. Auch Kampagnen wie die britische Initiative "Stop the Cyborgs", die vor dem Eingriff in die Privatsphäre warnen, haben sich bereits gegen das Gerät gebildet. Und auch in Lokalen könnte es in Zukunft neben dem Hundeverbotsschild auch ein Google-Glass-Verbotsschild geben, wie es eine US-Bar bereits medienwirksam angekündigt hat.

Doch wie sieht die gesetzliche Lage in Österreich eigentlich aus, darf man sich so eine Brille einfach aufsetzen, durch die Gegend spazieren und aufnehmen, was und wer einem so in den Sinn kommt? Befasst sich die Politik bereits mit der Frage, ob Google Glass aus dem Straßenverkehr zu verbannen sein wird? Oder ist die vorauseilende Kritik gar nichts weiter als unnötige Panikmache? Die futurezone hat sich dazu unter heimischen Rechtsexperten, Polit-Vertretern und Datenschützern umgehört.

Datenschützer: "Vordergründig nichts Neues"
Zunächst einmal sei Google Glass vordergründig nicht Neues, sagt Datenschützer Hans Zeger von der Arge Daten im Gespräch mit der futurezone. Zeger hat sich nach eigenen Aussagen schon seit einigen Jahren mit Videobrillen im Allgemeinen auseinandergesetzt. "Um ehrlich zu sein, bin ich überrascht, dass das Ganze erst jetzt ein Thema wird. Die Technologie dahinter ist ja an sich nicht mehr so neu", sagt der Datenschützer.

Es handle sich hier um eine Kombination aus verschiedenen Techniken. "Es gelten dieselben gesetzlichen Bestimmungen wie bei anderer Datenerfassung", sagt Zeger. In erster Linie gehe es dabei wohl um Privatsphäre-Bestimmungen, etwa wenn zufällige Aufnahmen mit der Brille gemacht würden. Aus rechtlicher Sicht sei Google Glass gleich zu betrachten wie ein Smartphone oder eine Videokamera.

Dem pflichtet auch Anwältin Bettina Windisch-Altieri bei, die sich unter anderem auf Internet- und IT-Recht spezialisiert hat. "Das Tragen einer solchen Brille wäre in Österreich an sich wohl nicht verboten. Google Glass bietet ähnliche Funktionen wie handelsübliche Smartphones." Kritisch zu untersuchen seien allerdings mögliche Anwendungen der Brille.

Aufnahmen von Personen heikel
"Problematisch wird es sicher, wenn mit der Brille Personen ohne ihr Wissen und ihre Zustimmung gefilmt oder fotografiert werden - noch dazu, wenn es sich um private oder sogar intime Situationen handelt und diese Bilder oder Videos dann auch im Internet verbreitet oder auf ausländischen Servern ausgewertet werden", erklärt die Rechtsexpertin. Hier greife der Schutz der Privatsphäre einer Person und der Datenschutz ein. "Darüber hinaus ist das Bild einer Person auch urheberrechtlich vor ungewollter Verbreitung und Veröffentlichung geschützt", erläutert Windisch-Altieri den rechtlichen Rahmen.

"Die neue Dimension ist tatsächlich, dass der Eingriff in die Privatsphäre für viele gar nicht mehr sichtbar sein wird", sagt auch Datenschützer Zeger, der dazu das "Beispiel FKK-Strand" anführt. Sei man früher mit einer großen Videokamera auf so einem FKK-Strand aufgetaucht, so sei das in der Regel ziemlich einfach und schnell ersichtlich gewesen. "Mit Handys sind Videoaufnahmen dann schon weit weniger aufgefallen und mit Videobrillen wie Google Glass können dann noch einfacher unbemerkt Aufzeichnungen gemacht werden."

"Mit Google Glass ergeben sich neue Publikations- und zusätzliche Auswertungsmöglichkeiten", so Zeger. Dass man künftig mit der Datenbrille Gebäude und Sehenswürdigkeiten samt Zusatzinformationen bestaunen könne, sei nicht das Problem. "Heikel wird es dann, wenn Aufnahmen von Personen gemacht und Informationen dazu eingeblendet werden oder wenn Videos veröffentlich werden - da reicht es schon, wenn das auf Facebook passiert - ohne, dass diese Personen etwas davon wissen", sagt der Datenschützer. Das falle dann unter das Medienrecht.

"Geltende Gesetze exekutieren"
Die Notwendigkeit, für Geräte wie Google Glass künftig neue rechtliche Rahmen zu schaffen, sieht Datenschützer Zeger nicht. "Ich sehe keinen Anlass für eine gesetzliche Debatte. Es wäre allerdings notwendig, wenn etwas passiert, dass bereits vorhandene Instrumentarien zur Anwendung kommen." Da gebe es ausreichende Bestimmungen auf verschiedenen Ebenen, etwa was die Strafverfolgung betreffe. Der Datenschützer zweifelt allerdings daran, dass es in Österreich überhaupt zu einer ernsthaften Debatte über Google Glass kommen werde. Man würde hier ohnehin fast alles annehmen, kritisiert Zeger.

Auf politischer Ebene noch nicht diskutiert
Ungeachtet der viel geäußerten Kritik ist Google Glass für die Österreichische Datenschutzkommission bislang allerdings noch überhaupt kein Thema gewesen. Man habe das im Plenum der Artikel 29 Datenschutzgruppe - ein unabhängiges Gremium, das die EU-Kommission in Datenschutzfragen berät - noch nicht diskutiert, sagt Eva Souhrada-Kirchmayer, Chefin der Datenschutzkommission auf Nachfrage der futurezone. Man sei zwar allgemein mit dem Thema vertraut, eine konkrete Debatte dazu erwartet Souhrada-Kirchmayer allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt. "Dazu ist derzeit einfach noch zu wenig über die genauen Funktionen der Datenbrille bekannt."

Ähnliches hört man seitens des Verkehrsministeriums (BMVIT). Anders als in den USA werden vorerst noch keine Verbote gefordert. Eine Diskussion über Google Glass habe bisher noch nicht stattgefunden, sagt Walter Fleißner, Sprecher des BMVIT, auf Nachfrage der futurezone. "Letztlich wird zu prüfen sein, ob so ein Gerät mit der Sicherheit beim Fahren vereinbar ist oder ob es zu einer Ablenkung führt." Es sei nicht so, dass man für jedes neue Gerät gleich eine neue Regelung brauche. "Wenn sich eine spezielle Gefahrenquelle auftun sollte, müsste man sich das natürlich genau ansehen", so Fleißner.

Auch beim Kuratorium für Verkehrssicherheit hat man sich mit möglichen Herausfoderungen, die Googles Datenbrille mit sich bringen könnte, noch nicht wirklich befasst. Eine erste Anfrage zu dem Thema seitens der futurezone rief zunächst eher Ratlosigkeit hervor. Dann hieß es: "Das wird im Hintergrund von unserer Forschungsabteilung zwar schon beobachtet, eine offizielle Debatte darüber gibt es aber noch nicht." Dafür sei das Thema in der Öffentlichkeit noch nicht breitenwirksam genug. Damit ist man in Österreich auch noch weit entfernt von der Diskussion, ob Google Glass nun beim Auto- oder Radfahren erlaubt oder verboten werden sollte.

Gewisse Verbote denkbar
Auch wenn die Debatte um Google Glass derzeit noch recht vage geführt wird und zunächst einmal abzuwarten bleibt, wie sich das Gerät tatsächlich im Alltagsgebrauch etablieren und welche Funktionen es letztendlich umfassen wird, einzelne Verbotsszenarien sind aus Sicht der heimischen Experten schon jetzt konkret vorstellbar. "Das Tragen der Brille im Unterricht und bei Prüfungen oder etwa für einen Zeugen im Gerichtsprozess wird verboten sein, weil man damit auf externe Informationsquellen zugreifen kann", sagt Windisch Altieri.

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Claudia Zettel

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futurezone-Chefredakteurin, Feministin, Musik-Liebhaberin und Katzen-Verehrerin. Im Zweifel für den Zweifel.

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