Cute baby boy playing with mobile phone in the park, digital technologies in the hands of a child
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Digital Life

„Kinder wischen am Handy herum, bevor sie gehen können“

Das Einstiegsalter für die Internetnutzung wird immer niedriger, wie eine neue Studie von der Initiative Safer Internet zeigt. Digitale Geräte sind fast von Geburt an beim täglichen Leben dabei. Drei Viertel der befragten Eltern mit Kleinkindern von 0 bis 6 geben an, dass ihre Kinder Geräte nutzen, mit denen sie ins Internet gehen können. Im Durchschnitt sind Kinder ein Jahr alt, wenn sie das erste Mal mit Geräten wie Smartphones oder Tablets in Kontakt kommen. „Das Kinder am Handy wischen können, bevor sie gehen können, war auch für uns überraschend“, sagt Maximilian Schubert vom Branchenverband ISPA, der die Studie gemeinsam mit dem Österreichischen Institut für Telekommunikation (ÖIAT) in Auftrag gegeben hat.

Insgesamt wurden 400 Eltern befragt. „0 bis 2-Jährige sprechen am häufigsten mit Oma und Opa per Video-Chat, 3-6-Jährige spielen am liebsten mit dem Tablet“, erklärt Schubert. 73 Prozent der Kinder sehen sich mit digitalen Geräten Videos an, zwei Drittel beschäftigen sich mit Fotos oder hören Musik. 8 von 10 Kleinkindern nutzen digitale Geräte täglich oder mehrmals pro Woche. Am beliebtesten ist dabei das Tablet knapp vor dem Smartphone. Jedes fünfte Kleinkind hat auch bereits ein eigenes Gerät.  

Digitaler Schnuller

Das wirft die Frage auf, ob junge Kinder nicht allzu häufig vor diesen Geräten „geparkt“ werden, damit Eltern ihre Ruhe haben. 2 von 10 Eltern haben manchmal ein schlechtes Gewissen, dass sie ihre Kinder zu häufig still mit dem Internet beschäftigen. Dieser Punkt löst auch bei Eltern Meinungsunterschiede aus. „Jede Familie muss den Mix für sich herausfinden, der am besten zu ihrem Alltag passt“, erklärt Barbara Buchegger, Medienpädagogin bei Safer Internet, auf Frage der futurezone. Auf jeden Fall müsse man Regeln aufstellen, so die Expertin.

„Die ersten Kinder beginnen oft später, während jüngere Geschwister viele Dinge schon mitbekommen. Es gibt daher sogar Unterschiede innerhalb einer Familie“, sagt Buchegger.„Wir wissen derzeit nicht, was für Auswirkungen eine frühe Internetnutzung auf den Umgang mit Emotionen und der Bindungsfähigkeit hat“, sagt die Expertin. Deshalb sei es durchaus empfehlenswert, bei den Allerjüngsten die Nutzung digitaler Geräte hinauszuzögern. Immerhin können bereits zehn Prozent der Kinder zwischen 0 und 6 nicht mehr einschlafen, bevor sie ein „Gute-Nacht-Video“ angesehen haben. Das sei aber besonders problematisch, da das digitale Gerät negative Auswirkungen auf die Schlafqualität haben kann.

The morning rush madness

Erwachsene sollen Vorbilder sein

Doch manchmal sind es auch die Kinder, die von der Smartphone-Nutzung der Eltern genervt sind. 17 Prozent beschweren sich, wenn ein Elternteil zu viele digitale Geräte verwendet. „In der U-Bahn sollte man die Handys verbieten, damit sich Erwachsene wieder mehr mit uns beschäftigen“, sagte etwa ein fünfjähriges Kindergartenkind. Buchegger empfiehlt, hier auf seine Kinder zu hören, wenn sie dieses Verhalten stört. „Eltern haben eine Vorbildwirkung und sollten sich dieser Rolle bewusst sein“, sagt Buchegger. Daher sollten sie dem Kind bei Bedarf die volle Aufmerksamkeit widmen. Dem sind sich zumindest 75 Prozent der befragten Eltern auch bewusst.

Der Umgang mit den digitalen Medien der Kinder ist für Eltern vor allem deshalb oft schwierig, weil sie selbst als Kinder noch keine Erfahrungen damit gemacht haben. „Mir wurde beigebracht, radzufahren, aber nicht, wie ich meine Internetnutzung dosiere“, erklärt Schubert von der ISPA. Entscheidend sei nämlich, dass die verwendeten Inhalte auch altersgerecht seien. Rund die Hälfte der Eltern findet es einfach, passende Inhalte im Netz zu finden. „Das muss aber noch leichter werden“, sagt Schubert und empfiehlt eine Broschüre der ISPA zu den „besten Apps für 1-11“.

Keine Verbote sondern Hilfe

17 Prozent der Eltern geben an, dass ihre Kinder schon einmal mit ungeeigneten Inhalten im Internet in Berührung gekommen sind. Falls dies passiere, sollten die Eltern „Ruhe bewahren“ und keinesfalls mit Verboten reagieren. Stattdessen empfiehlt Buchegger den Eltern, ihrem Kind dabei zu helfen, die Inhalte zu verarbeiten. „Manchmal hilft es, darüber zu sprechen oder die Inhalte zu zeichnen. Ansonsten hilft es, Kinder zu beruhigen und sie zu trösten und sich alles genau erzählen lassen, was sie gesehen haben“, sagt Buchegger. Schubert fügt hinzu, dass Eltern gefährliche Inhalte unbedingt an die Anbieter melden sollen, denn diese hätten auf „Kinderkanälen nichts zu suchen“. Er warnt zudem vor der „trügerischen Sicherheit“ durch Kinderfilter. „Kein Programm kann zu 100 Prozent verhindern, dass Kinder mit ungeeigneten Inhalten in Berührung kommen.“

Doch auch die digitale Mediennutzung der Eltern ist manchmal kritisch zu betrachten. 30 Prozent der Befragten gaben an, schon vor der Geburt des Kindes das erste Foto im Internet gepostet oder per Messenger verschickt zu haben. „Auch in den Ultraschallbildern sind heutzutage die Gesichtszüge schon so gut erkennbar, dass man Kinder damit ihr Leben lang zurückverfolgen kann. Man schafft digitale Spuren“, warnt Buchegger. Insgesamt werden rund 37 Millionen Fotos von Kleinkindern in Österreich online geteilt. Die Safer Internet Expertin empfiehlt daher, nur ausgewählte Fotos an wenige Kontakte zu schicken. „Akzeptieren Sie außerdem ein Nein Ihres Kindes, wenn es in bestimmten Situationen nicht fotografiert werden möchte und fragen sie es, ob sie das Foto mit anderen teilen dürfen.“

v.l.n.r.: Maximilian Schubert (ISPA), Matthias Jax (Projektleiter Safer Internet), Barbara Buchegger (Medienpädagogin Safer Internet).

Tipps für Eltern

Gutes Vorbild sein
Ihr Kind ahmt ihr Verhalten nach. Daher ist es wichtig, dass Sie ihrem Kind von Anfang an zeigen, wie man auch ohne digitale Geräte  leben kann.

Kein Handy als Babysitter
Nutzen Sie keine digitalen Medien, um Ihr Kind ruhigzustellen. Die genauen Auswirkungen dessen sind noch nicht ausreichend erforscht.

Auf Zeichen achten
Spätestens dann, wenn Ihr Kind unruhig wird, ist es Zeit, Ihrem Kind ein Alternativprogramm zum Videoschauen oder Spielen zu bieten.

Gemeinsam statt einsam
Erforschen Sie die digitalen Angebote gemeinsam mit Ihrem Kind. Das hilft dabei, dass Sie Inhalte besser einordnen  können

Weitere Tipps und Tricks gibt es auf der Website von saferinternet.at – Am 11. Februar gibt es zudem eine Fachtagung zum Thema „Aufwachsen in der digitalen Welt“ mit Live-Stream. Zudem gibt es österreichweit Workshops und Vorträge an Schulen.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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