... gelangt man auf die Außenseite des Gebäudes, direkt unterhalb des überdimensionalen weißen Balls.
... gelangt man auf die Außenseite des Gebäudes, direkt unterhalb des überdimensionalen weißen Balls.
© David Kotrba

Flugsicherung

Koralpe: Radar-Gigant auf 2140 Metern

Am Himmel ist die Hölle los - verkehrstechnisch gesehen zumindest. Tausende Flugzeuge benutzen täglich den österreichischen Luftraum. In allen Größen und Bauarten heben sie ab, landen oder überqueren das Land. Damit alle sicher an ihr Ziel kommen, betreibt die Austro Control mehrere Radarstationen, die zu jedem Zeitpunkt erfassen, welches Flugzeug sich wo aufhält. Die größten von diesen werden Mittelbereichs-Radarstationen (MBR) genannt. Davon gibt es in Österreich drei Stück. Eine davon steht am Gipfel der 2140 Meter hohen Koralpe an der Grenze zwischen der Steiermark und Kärnten. Die futurezone durfte den Radar-Gigant am Berg besuchen und dabei mehr zur gegenwärtigen Lage und Zukunft der Luftraumüberwachungs-Technik erfahren.

Obwohl "Mittelbereich" nicht gerade bombastisch klingt, erfassen die drei österreichischen MBR-Stationen einen Bereich, der an einigen Stellen mehrere hundert Kilometer über die Staatsgrenzen hinaus reicht. Wohlgemerkt sind das nur die Kapazitäten zur Erfassung des zivilen Luftverkehrs. Wie auch die zwei weiteren MBR-Standorte hat die Station auf der Koralpe einen militärischen Nachbarn, wodurch zwei Kuppeln von der Bergspitze glänzen.

Flugsicherung mit Radar

Betrieben werden Österreichs Radarstationen für Zivilluftfahrt von der Austro Control. Die Austro Control ist, neben behördlichen Aufgaben, für die Flugsicherung (Air Traffic Management) über Österreich zuständig, sowie für jegliche Kommunikation mit Flugzeugen und betreibt die entsprechenden Anlagen. Eine der Hauptaufgaben bei der Flugsicherung ist die Kontrolle der Mindestabstände zwischen Luftfahrzeugen. Mindestens fünf nautische Meilen (ca. neun km) Abstand nach vorne und hinten, sowie 1000 Fuß (300 Meter) oben und unten müssen zwischen zwei Flugzeugen frei bleiben.

Damit Fluglotsen die Position der Flugzeuge genau bestimmen können, werden Radars eingesetzt. Ein Radar arbeitet mit elektromagnetischen Wellen, um Objekte zu erkennen und den Abstand zu ihnen festzustellen. Dabei ist grundsätzlich zwischen einem Primär- und einem Sekundärradar zu unterscheiden. Ein Primärradar schickt Signale aus und empfängt deren Reflektionen (Jeder metallische Gegenstand mit einem Querschnitt von ca. einem Quadratmeter reflektiert Radarstrahlen).

Das Sekundärradar auf der Koralpe
Ein Sekundärradar schickt Signale auf einer Frequenz (1030 MHz) aus. Diese werden von Geräten empfangen, die in jedem modernen Verkehrsflugzeug installiert sind, so genannten Transpondern, die zweierlei Information an die Radarstation zurücksenden (1090 MHz): Ihre Identifikationsnummer und ihre Flughöhe. Während man mit einem Primärradar nur die horizontale Entfernung eines Flugobjekts feststellen kann, erkennt man mit einem Sekundärradar die genaue Position im dreidimensionalen Raum.

Auf der Koralpe waren ursprünglich Primär- und Sekunddärradar im Einsatz. Die Anlage wurde von 1978 bis 1980 errichtet und revolutionierte zusammen mit den zwei anderen MBR-Stationen (Buschberg in NÖ und Feichtberg in OÖ) die Flugsicherung in Österreich. Erstmals gab es flächendeckende Radar-Abdeckung über dem Staatsgebiet. Parallel wurde das militärische System "Goldhaube" vollendet, dessen "Fühler" bis Frankreich und Rumänien reichen. Der Standort Koralpe ist dabei der höchste. Durch die hochalpinen Umgebungsbedingungen musste er besondere Forderungen erfüllen.

Arbeitsplatz am Berg
Zu der Radarstation kommen autorisierte Besucher ausschließlich über einen Weg direkt durch das Skigebiet Koralpe. Bei gutem Wetter kann man mit dem Auto bis zur Bergspitze fahren. Viele Monate im Jahr benötigt man allerdings eine eigene Pistenraupe, um rauf zu kommen. Das Personal von Austro Control und Militär reist dabei gemeinsam an. Das größere der beiden Gebäude an der Spitze ist das zivile. Über drei Stockwerke sind hier Garagen, Werkstätten, Büros, Küche, Betriebsräume und Notunterkünfte verteilt. Im Keller befinden sich lange Reihen von Akkus und zwei Dieselgeneratoren, die im Notfall autonome Stromversorgung sicherstellen.

Die Radarstation wird tagsüber von einer Hand voll Technikern besetzt. Sie kümmern sich um die Wartung der teilweise bereits 30-jährigen Anlagenteile. Die Fenster sind mit Draht durchzogen - keine Scheibenheizung, sondern Teil der Alarmanlage. Mit dem hausinternen Aufzug fährt man ganz hinauf zum Herzstück der Anlage: Einer riesigen, 14 Tonnen schweren Antenne, die sich unter ihrer Kuppel (dem "Radom") so schnell dreht, dass einem direkt darunter ein kräftiger Wind durch die Haare bläst. Die Antenne vereint Primär- und Sekundärradar. Genutzt wird allerdings nur noch zweiteres.

Die Zukunft liegt in der Multilateration

Im Sendesaal direkt unter der Antenne erkennt man noch zwei Wellenleiter-Rohre, die aus der Decke ragen. Sie zeugen von der hohen Leistung, die für den Betrieb eines Primärradars notwendig war. Die Zukunft sieht wesentlich energiesparsamer aus, wie Ingenieur Volker Marterer, technischer Regionalleiter Süd der Austro Control, erklärt. Wide Area Multilateration heißt diese Zukunft, abgekürzt WAM.

WAM arbeitet nicht mit Primär- oder Sekundärradar, sondern setzt auf eine Funktechnologie namens Automatic Dependent Surveillance-Broadcast (ADS-B). Flugzeuge, die mit ADS-B ausgestattet sind, senden ohne Aufforderung zwei Mal pro Sekunde ein Signal auf der Frequenz 1090 MHz aus, das die Flugzeug-Identifikation, Position, Fluggeschwindigkeit und weitere Daten überträgt. Empfangen wird das Signal von relativ unauffälligen Stabantennen am Boden.

Durch die Signallaufzeit zwischen diesen Antennen kann die Position des Flugzeugs mittels Triangulation genau ermittelt werden. Mindestens vier empfangende Bodenantennen sind notwendig, um das Flugzeug genau zu orten. WAM bietet gegenüber konventionellen Radar-Methoden einige Vorteile. Der wahrscheinlich wichtigste ist die verbesserte Luftraum-Abdeckung. Vor allem in den Alpen bestehen derzeit einige "blinde Flecken". Bildlich gesprochen streifen Radarstrahlen über die Berge, dringen aber nicht in die Täler dazwischen ein.

Vorteile gegenüber dem bisherigen System
WAM-Antennen können mit geringem Aufwand an unterschiedlichen Standorten errichtet werden, so auch in Tälern, wodurch auch diese Bereiche in das "Sichtfeld" der Flugsicherung treten. Die Antennen verbrauchen dazu deutlich weniger Strom als Radar-Anlagen, benötigen durch den Wegfall beweglicher Teile weniger Wartungsaufwand und hinterlassen einen geringeren ökologischen Fußabdruck. Fallen einzelne Antennen aus, folgt kein Totalausfall, wie bei den großen Sekundärradars, von denen jedes einzelne einen Radius von ca. 500 Kilometern abdeckt.

Multilaterationssysteme sind in Österreich bisher an den Flughäfen Innsbruck und Wien im Einsatz. Dort werden sie vor allem für das Flugfeld-Management eingesetzt (MLAT). WAM bezeichnet im Gegensatz zu MLAT speziell Multilaterationssysteme zur Flugsicherung. Noch wird WAM als Ergänzung zu den bestehenden Sekundärradar-Systemen gesehen. In Zukunft könnte die neue Technologie die alte jedoch gänzlich ablösen. In einem solchen Fall wären große Radarstationen, wie jene auf der Koralpe, wohl Geschichte.

Single European Sky
Die Europäische Union bemüht sich unterdessen, WAM als künftigen Standard für eine einheitliche Flugsicherung über Europa festzulegen. Der Plan dafür ist Teil des Single European Sky Programms (SES). Dabei soll der Luftraum über Europa in größere Blöcke (Functional Airspace Blocks, FAB) eingeteilt werden. Anstatt der bisher 67 getrennten Flugsicherungsstellen sollen künftig nur noch neun für den Flugverkehr über dem Kontinent zuständig sein. Der Block, in dem sich Österreich dann befinden soll, umfasst etwa sämtliche Nachbarländer von Norden bis Südosten.

Mit SES soll der Flugverkehr über Europa deutlich effektiver werden. Die Ziele bis 2020 lauten: acht bis 14 Minuten Zeitersparnis, 300 bis 500 Kilogramm Treibstoffersparnis und bis zu 1,5 Tonnen weniger Kohlendioxid-Ausstoß pro Flug. Die Eurocontrol wird zukünftig als "Netzwerkmanager" fungieren und für eine effiziente Verkehrsflussteuerung in Europa sorgen.

Blitzeinschlag

Bis es soweit ist, werden noch viele Wanderer auf die Koralpe gestiegen sein und vom Gipfelkreuz die direkt daneben gelegene Radarstation bewundert haben. Wie gefährlich es auf 2140 Meter Höhe teilweise zugehen kann, sah man erst vor wenigen Tagen. Die Militär-Radarstation, welche erst kurz zuvor auf Long-Range-Kapazität aufgerüstet worden war, musste vorübergehend abgeschaltet werden, nachdem Blitzeinschläge die Kuppel des Gebäudes schwer beschädigt hatten.

SSR - Secondary Surveillance Radar
Sekundärradar, hervorgegangen aus Identification Friend or Foe (IFF) Systemen, mit denen im Krieg festgestellt wurde, ob Freund oder Feind im eigenen Luftraum unterwegs war. Ein im Flugzeug installierter Transponder antwortet hier über eine eigene Frequenz ( 1090 MHz) auf Radarsignale von Bodenstationen (1030 MHz). Dabei werden zwei Informationen übermittelt: Einerseits die eigene Identifikationsnummer (A-Code), andererseits die eigene Flughöhe (C-Code).

Mode S Radar
Eine Weiterentwicklung des SSR, bei der selektive Abfragen einzelner Luftfahrzeuge möglich sind.

ADS-B
Automatic Dependent Surveillance-Broadcast. Datenaustausch-Methode, bei der Flugzeuge automatisch Identifikation, Position und zusätzliche Daten übertragen und empfangen können.

Single European Sky
Inititative der Eurocontrol für ein vereinheitlichtes Air Traffic Management (ATM) in Europa.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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