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Erwischt

Raubkopien: Bundesheer zahlte Microsoft 3,8 Millionen Euro

Das österreichische Bundesheer soll jahrelang Microsoft-Software ohne Lizenz verwendet haben. Das berichtet die Recherche-Plattform Dossier. Demnach soll das Bundesheer bis 2007 rund 8000 Arbeitsplätze ohne gültige Lizenz betrieben haben. Auf den Geräten waren illegale Kopien des Betriebssystems Windows XP sowie das damals aktuelle Microsoft-Office-Paket installiert. Der Fall führte zu einer Nachzahlung in Millionenhöhe. Laut Dossier wurde 2007 ein zwölf Millionen Euro teurer Fünfjahresvertrag mit Microsoft unterzeichnet, in dem neben den Lizenzkosten für Windows Vista und Office auch die Nachzahlungen enthalten waren. Diese sollen 3,8 Millionen Euro ausgemacht haben.

Beim Umstieg auf StarOffice erwischt

Wie es zum illegalen Einsatz der Software kommen konnte, ist unklar. Fast die Hälfte aller Arbeitsplätze – 8000 der damals insgesamt 17.000 Computer-Arbeitsplätze – wurden mit illegalen Kopien ausgestattet. Kurioserweise wurde Microsoft laut Dossier auf den Fall aufmerksam, als das Bundesheer sich offenbar von der Software des US-Konzerns lösen wollte. Das Bundesheer wollte auf StarOffice von Sun Microsystems umsteigen. Dabei fielen Microsoft die fehlenden Lizenzen auf.

Die Partnerschaft mit Microsoft wurde aber fortgeführt, wohl auch weil StarOffice durch den Verkauf von Sun Microsystems an Oracle einen neuen Eigentümer bekam. 2011 stellte Oracle die Entwicklung des Office-Pakets ein. Die Open-Source-Pläne seien auch einer der Gründe, wieso das Bundesheer fast 14 Jahre lang auf Windows XP setzte, obwohl 2009 ein „Enterprise Agreement“ abgeschlossen wurde. Dieses beinhaltete die Lizenzen für die damals aktuelle Windows-Version Vista und Microsoft Office 2007. Ein Wechsel erfolgte aber erst 2013, als auf Windows 7 umgestiegen wurde. Die Umstellung wurde Ende 2015 abgeschlossen.

Bundesheer dementiert

Das Bundesheer dementiert gegenüber der futurezone jedoch den Bericht von Dossier. Laut einem Sprecher des Bundesheeres sei "die praktizierte Lizenzpolitik vorschriftsmäßig" abgelaufen, was auch 2015 bei einem Audit durch Microsoft bestätigt wurde. Der Vertrag wurde über die Bundebeschaffung GmbH abgeschlossen, wobei eine "periodische Anpassung an den sich ändernden Bedarf" vorgesehen war.

"[A]m Ende jedes Vertragszeitraums wurden im Zuge von „True-ups“ zusätzliche Lizenzen verrechnet. Aus Kostengründen im Zuge der damals strengen notwendigen Einsparungen wurde dieser Vertrag 2007 beendet und abgerechnet, Lizenzen waren dafür anzukaufen. Alle Maßnahmen erfolgten im Rahmen der Lizenzbestimmungen; das BMLV hat das damalige Vertragskonstrukt in Abstimmung mit Firma Microsoft eingehalten." Zudem bemühe man sich weiterhin um den Einsatz von Open-Source-Software, der bereits jetzt "in vielen Bereichen erfolgreich" erfolge. OpenOffice wurde ebenfalls geprüft, "mangels verfügbaren Herstellersupports" kam es aber nicht zum Einsatz.

Microsoft verweist auf Anfrage der futurezone darauf, "dass Informationen, die in Verbindung zu unseren Kundenbeziehungen stehen, der Vertraulichkeit unterliegen." In der Stellungnahme erklärt man jedoch, dass die vom Bundesheer beschriebene Vorgehensweise üblich sei. "Im Allgemeinen sehen die Microsoft Lizenz- und Rahmenverträge vor, dass Microsoft ein internes Audit aller in der Organisation des Kunden genutzten Microsoft Produkte durchführt. Dabei wird die Anzahl der genutzten Microsoft Produkte mit der effektiven Anzahl der auf den Namen des Kunden ausgestellten Produkte verglichen. Kommt es hierbei zu einer Differenz, kauft der Kunde nachträglich ausreichend Lizenzen nach, um die während des Audits festgestellte Differenz in der Produkt- und Lizenznutzung abzudecken."

Privatgeräte verwendet

Der lange Einsatz von Windows XP – auch über das Ende der Support-Phase hinweg – stellte neben einem Sicherheitsrisiko auch ein Ärgernis für viele Bundesheer-Bedienstete dar. So griffen offenbar zahlreiche Mitarbeiter auf private Geräte zurück. Ein weiteres Sicherheitsrisiko, da diese Geräte meist nur unzureichend vor Angreifern geschützt sind. Das Verteidigungsministerium weist die Vorwürfe gegenüber Dossier jedoch zurück: „Für Nutzer kam es in Bezug auf ihre Arbeitsaufgaben zu keinen Einschränkungen. Ein Ausweichen auf private Computer war daher nicht notwendig.“

Druck von Microsoft

Der Fall ist auch ein Paradebeispiel dafür, wie schwer es für große Unternehmen und Behörden sein kann, von Microsoft-Produkten auf Alternativen umzusteigen. Das wohl bekannteste Beispiel ist das „LiMux“-Projekt, bei dem die Stadt München von Microsoft-Software auf Open-Source-Alternativen, wie ein Linux-Derivat und LibreOffice, umstieg. Das Projekt wurde trotz großer Ersparnisse in Millionenhöhe eingestellt, bis 2020 soll wieder Windows zum Einsatz kommen.

Kritiker werfen der Stadt nun vor, gegenüber dem Lobbying von Microsoft eingeknickt zu sein. Auch an österreichischen Hochschulen klagten viele IT-Verantwortliche über eine „Geiselhaft“ gegenüber Microsoft, das nach wie vor den Markt für Desktop-Software dominiert. Laut NetMarketShare setzen 88,87 Prozent aller Desktop-Computer auf ein Windows-Betriebssystem. Auf dem Markt für Office-Software gibt es deutlich mehr Wettbewerb, auch aufgrund der von Google entwickelten Cloud-Lösung Google Apps.

Das österreichische Bundesheer wird vorerst bei Microsoft bleiben. 2018 sollen rund 20.000 Arbeitsplätze auf Windows 10 umgestellt werden. Die von Microsoft veröffentlichten großen Updates, wie das zuletzt veröffentlichte Fall Creators Update, sollen „zeitnah“ eingespielt werden.

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Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

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