"Daten sollen Handlungen auslösen"
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"Wenn Sie nicht wissen, wie schmutzig die Luft um sie ist, können sie auch nichts daran ändern", sagt Peter van Boheemen. Der niederländische Biologe arbeitet im Amsterdamer Medienlabor Waag Society, das im Mai ein Smart Citizens Lab eröffnen will. Bürger sollen dort im Umgang mit Sensoren geschult werden, um Daten in ihrer Umgebung zu erheben. In Wien ist im Rahmen des Festivals Vienna Open ein ähnliches Projekt geplant. Die futurezone hat mit van Boheemen über die Smart City, informierte Bürger und offene Daten gesprochen.
Peter van Boheemen:Es liegt auf der Hand, dass Technologieunternehmen ein großes Interesse an der Smart City haben und sie auch entsprechend propagieren. Aber auch die Städte können davon stark profitieren. Es ist also nicht so einfach. Ich finde es sollte eher darüber diskutiert werden, dass die Stadt in diesem Konzept fast ausschließlich über Zahlen definiert und die soziale Dynamik oft vernachlässigt wird.
Wie lautet Ihre Definition der Smart City?
Die Smart City ist eine offene Stadt. Die Offenheit ermöglicht es den Bürgern zu handeln und Verantwortung für ihr Umfeld zu übernehmen. Wenn Sie nicht wissen, wie schmutzig die Luft um Sie herum ist, dann können Sie auch nichts daran ändern. Die Smart City besteht aus smarten Bürgern, also aus informierten Bürgern, die in die Politik eingreifen können.
Die Waag Society startet ein Smart Citizens Lab. Welche Idee steckt dahinter?
Wir experimentieren bereits seit längerem mit dem Konzept des Smart Citizen. Wir versuchen nicht die Stadt, sondern die Bürger smarter zu machen. Im vergangenen Jahr haben wir mit Sensoren experimentiert. Jetzt haben wir Bürger eingeladen, ihre Anliegen und Probleme einzubringen, die Lärmbelastung in ihrer Nachbarschaft oder den Gestank, der aus dem Kanal vor ihrem Haus kommt. Wir wollen uns ansehen, welche Sensoren wir verwenden können, um das Problem zu identifizieren, und uns Möglichkeiten überlegen, wie wir diese Probleme lösen können. Das kann dazu führen, dass versucht wird, den Verkehr zu reduzieren, oder Schilder aufzustellen, mit denen Leute gebeten werden, keine Essensreste in den Kanal zu kippen. Es ist ein Experiment. Wir versuchen den Leuten Mittel in die Hand zu geben, ihre Umwelt zu analysieren und darauf aufbauend, Interventionsmöglichkeiten zu finden.
Warum brauche ich dazu Sensoren?
Natürlich können Sie auch feststellen, dass es zu laut ist, ohne dafür Sensoren einzusetzen. Mit genauen Messungen können Sie aber feststellen, ob Eingriffe notwendig sind oder ob sie erfolgreich waren. Wenn Sie etwas messen können sie ihre Daten teilen und sie auch mit anderen Daten vergleichen.
Lärmbelastung, Luftqualität, CO2, Luftfeuchte, aber auch Feinstaub, Wasserqualität, Energieverbrauch und Mobilitätsdaten. Es gibt viel, dass man messen kann. Es geht uns aber auch darum, die soziale Dynamik zu untersuchen, die sich aus dem Einsatz solcher Geräte ergibt. Wir wollen auch sehen, welche Fragen gestellt werden. Das waren auch die interessanten Punkte bei unseren ersten Experimenten. Wir haben Bürger, Experten, Hersteller von Sensoren und Bürger zusammengebracht, die sonst nie miteinander gesprochen hätten.
Was ist dabei herausgekommen?
Es wurde viel diskutiert. Wenn Sie sich etwa auf der Website der Stadt über CO2-Werte informieren, erfahren Sie etwa dass sie unterhalb des europäischen Standards sind. Ob das gut oder schlecht ist, wird nicht näher erläutert. Die Stadtverwaltung wollte auch wissen, warum die Bürger mit ihren Datenerhebungen nicht zufrieden sind und die Sorgen der Bürger verstehen. Viele Bürger wollen auf einer täglichen Basis wissen, ob ihre Gesundheit durch Umwelteinflüsse gefährdet ist, sodass sie gegebenfalls etwas daran ändern können.
Kommt es bei der Interpretation der Daten zu Problemen?
Ja. Oft ist es auch schwierig, Zugang zu Daten zu bekommen, mit denen sie sich vergleichen lassen. Korrelationen können auch in die Irre führen. Wenn man etwa eine Korrelation zwischen den in der Stadt verkauften Pizzas mit dem CO2-Level findet, muss das nicht unbedingt etwas bedeuten. Oft brauchen Daten zusätzliche Erklärungen, um sie zu verstehen.
Wo liegt das gesellschaftliche Potenzial dieser Sensoren?
Wir messen nicht um des Messens willen. Wir wollen nicht nur Daten erheben, sondern die Daten sollen Handlungen auslösen. Das gesellschaftliche Potenzial liegt in einer Verbesserung unseres Lebens, einer saubereren Umwelt und auch in einer engagierten Zivilgesellschaft. Man kann Dinge, die rund um einen passieren, verändern.
Durch neue Technologien werden viele Daten generiert. Sie kommen aber hauptsächlich Unternehmen zugute. Bürger haben darauf selten Zugriff. Wie kann diese Ungleichheit beseitigt werden?
Bürger können mit gutem Beispiel vorangehen, und die von ihnen erhobenen Daten unter freien Lizenzen veröffentlichen.
Auch bei Smart Metern, die stark forciert werden, können nur Energieunternehmen die Daten nutzen.
Bei Smart Metern gibt es viel Raum für Verbesserungen. Sie wurden entwickelt, um die Effizienz der Netzwerke zu steigern und den Energieunternehmen Einsparungen zu ermöglichen. Wenn Sie einen Smart Meter installieren, haben sie keine Möglichkeit ihre Daten mit anderen zu teilen. Das ist ein bisschen seltsam.
Wie sollten solche Systeme aussehen, damit auch die Bürger etwas davon haben?
Die Bedürfnisse der Bürger sollten der Ausgangspunkt für das Design solcher Systeme sein. Bei Smart Metern ist der Bürger aber nur ein Mittel, um Energiekonzernen das Leben zu erleichtern.
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