Smart Shopping Kapsch
Smart Shopping Kapsch
© Barbara Wimmer

Kaufverhalten

Smartes Shopping: "Handel befindet sich im Umbruch"

„Im Handel befinden wir uns derzeit in einer echten Umbruchsphase – mit mehr Folgen für Unternehmen und Kunden, als wir uns zum jetzigen Zeitpunkt vorstellen können“, sagte Stephan Mayer-Heinisch, Präsident des österreichischen Handelsverbandes, bei einer Podiumsdiskussion am Donnerstag in Wien, zu der Kapsch eingeladen hatte.

Digital Signage am Vormarsch

Kapsch will dabei mit smarten Lösungen punkten, die dem Handel „neue Impulse“ bringen sollen. „Wir wollen den Handel mit neuen Technologien unterstützen“, so Jochen Borenich, COO von der Kapsch BusinessCom. Vorgestellt wurde vom Unternehmen im Rahmen der Veranstaltung etwa ein Multitouch-Screen, der in Tische, Wände oder Büromöbel integriert werden und der von bis zu 40 Personen gleichzeitig bedient werden kann. Der interaktive Screen kann dabei entweder als Shopping-Assistent dienen und zur Konfiguration eines Produkts (sei es Auto-Zubehör, ein Technik-Produkt oder eine Individual-Reise) oder zur Ablenkung und Unterhaltung von Familienmitgliedern, die als Shopping-Begleiter fungieren.

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„Kinderecken und Entertainment-Angebote für Männer funktionieren, während Frauen in der Zwischenzeit das Shopping erledigen“, meinte dazu etwa Florian Rotberg, Herausgeber des „Digital Signage“-Handbuchs. Unter „Digital Signage“ versteht man generell den Einsatz von interaktiven Tools für Werbezwecke oder Infotainment. Laut Rotberg wird vom Handel gerade in diesem Bereich eine steigende Nachfrage verzeichnet.

Preisdumping

Doch das ist bei weitem nicht die einzige technische Möglichkeit, mit der der Handel künftig seinen Umsatz steigern möchte und im Preiskampf mit dem Online-Handel agieren möchte. „Mobile Geräte werden immer intensiver für Preisvergleiche genutzt, aber heutzutage kann man in einem Laden nicht mehr das Internet runterschrauben, um dies zu verhindern. Als Händler hat man daher nur zwei Möglichkeiten: Entweder man macht beim Preisdumping mit, oder man setzt wieder verstärkt auf Marketing und klare Kommunikation“, so Hannes Lindner, dessen Unternehmen sich hauptsächlich mit Kundenherkunftsanalysen und Filialnetzoptimierung befasst.

Auch Mayer-Heinisch ist überzeugt davon: „In fünf Jahren werden viele Händler nicht mehr da sein. Uns Händlern stehen hohe Investitionen bevor. Doch derzeit wissen wir noch nicht so genau, wohin diese gehen.“ Laut Lindner wird es künftig für Händler unverzichtbar sein, auf Analysen der „Conversion Rate“ sowie der „Turn-In-Rate“ zu verzichten.

Die sogenannte „Conversion Rate“ bezeichnet die Anzahl der Kunden, die sich nicht nur im Geschäft befindet, sondern tatsächlich etwas kauft. Und genau die kann man ohne Kunden-Monitoring und Frequenzmessung nicht wirklich erfassen. Zur Frequenzmessung werden sogenannte Sensoren eingesetzt sowie Kameras, die erfassen können, wie viele Menschen sich wo in einem Geschäft aufhalten. Mittels „Heatmap“ kann ein Unternehmen dann genau feststellen, welche Bereiche des Geschäfts weniger frequentiert sind, und wo sich viele Kunden tummeln und entsprechend reagieren.

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Gesichtserkennungsanalyse

Kapsch hat bei der Veranstaltung auch eine Videoüberwachung mit Gesichtserkennung vorgestellt. Damit kann auch ermittelt werden, wie alt Personen sind, die sich im Geschäft aufhalten, sowie welches Geschlecht sie haben. Beim durchgeführten Test lag die Kamera allerdings ordentlich daneben und verschätzte sich beim Alter glatt um 20 Jahre (nach oben). „Bei diesen Kameras werden die Bilder nicht gespeichert, daher spricht man nicht von personenbezogenen Daten und das Ganze ist datenschutzkonform. Allerdings muss die Akzeptanz dennoch da sein und da gibt es in Europa ein anderes Verständnis als in Japan oder in den USA“, erklärte Rotberg.

Frequenzmessungen gibt es allerdings bereits in Österreich, z.B. die Handelskette Benetton setzt diese in einer Filiale auf der Mariahilferstraße ein. Die Möglichkeit der Gesichtserkennung wird bisher noch von keinem Handelspartner genutzt, wie Kapsch mitteilte.

Der Konzern hat noch einige weitere Technologie-Projekte entwickelt, die für den Handel künftig interessant werden könnten: Mit einem intelligenten Customer Flow Management-System müssen Kunden beispielsweise nicht mehr in der Schlange warten, sondern können die Wartezeit bis zur nächsten Beratung im Store mit etwas Anderem verbringen. Die Basis-Technologie ist ganz einfach: Man zieht ein Ticket und sieht am Screen vor einem, wie viele Menschen noch vor einem dran sind . Doch das System ist erweiterbar – man kann sich über eine App darüber verständigen lassen, wann man dran kommt, oder aber man kann via App eine Beratung zu einer bestimmten Zeit in einem bestimmten Store vorreservieren.

Ticket-Terminals

Während die Basis-Technologie mit dem Ticket-Terminal bereits in mehreren Apotheken in Wien zum Einsatz kommt, wird das Konzept mit der App, über die man eine Beratung buchen kann, derzeit von einem Weinhändler intern ausprobiert, bevor es ausgerollt wird. In der Bartholomäus-Apotheke verzeichnete man seit der Einführung des Systems ein starkes Umsatzplus bei den Waren, die ausgestellt worden sind – das Warten wirkte sich dort offenbar positiv auf das Durchstöbern des Angebots aus.

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Aus Händler-Sicht erfreulich. Doch werden auch die Kunden wirklich da abgeholt, wo sie es sich wünschen? Der Wunsch, an einem interaktiven Screen über personalisierte Angebote für Allergiker oder Vegetarier zu bekommen, und auch gleich angezeigt zu bekommen, wo im Geschäft sich diese befinden, bleibt vorerst Zukunftsmusik. „Das zahlt sich für Unternehmen meist nicht aus“, hieß es hierzu von seiten des Podiums. Das klingt nur logisch, denn so werden keine Zusatzeinkäufe generiert, der Kunde würde seine benötigten Produkte auch ohne die Informationen am Screen kaufen. Beliebt hingegen beim Handel könnten Screens werden, die personalisierte Werbung anzeigen. Das funktioniert ebenfalls mittels versteckter Kameras und Gesichtsanalyse.

„Die Bereiche Online und Offline werden in Zukunft stärker verschmelzen. Es wird mehr Click & Collect-Modelle geben aber auch die Offline-Beratung könnte zunehmen“, sagte Jochen Borenich von Kapsch. Der Präsident des österreichischen Handelsverbandes ist sich sicher, dass der Handel bei IT-Lösungen und Logistik künftig vermehrt auf Outsourcing-Lösungen setzen müssen wird, um zu überleben. „Am Ende wird der Kunde selbst entscheiden, ob er das Angebot annimmt“, meinte Lindner dazu.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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