© Peter Melbinger/ SFG

Innovation

Steiermark als europäisches Technologie-Vorbild

Gemeinsam mit der Region Nord-Pas-de-Calais in Frankreich und Süddänemark wurde der Steiermark vom Ausschuss der Regionen der Titel "European Entrepreneurial Region 2013" verliehen. Mit viel Stolz zeigte das Bundesland deshalb zuletzt, warum es diese Auszeichnung verdient. "Weil wir Wissenschaft und Wirtschaft gut miteinander verbunden haben", meint Christian Buchmann, der steirische Landesrat für Wirtschaft Europa und Kultur.

Die Steiermark kann 4,4 Prozent Forschungsquote vorweisen, während das EU-Ziel drei Prozent der Wertschöpfung beträgt. Vor allem im technischen Bereich kann die Steiermark aufzeigen. "Mit zwei technischen Unis ist viel Ingenieurskompetenz im Land", meint Buchmann. Früher war jene Kompetenz für die grundstofflastige Industrie notwendig. Ab den 80er-Jahren musste die Steiermark eine Neupositionierung vornehmen. Heute stellt Buchmann fest: "Der Wandel zu einem Hochtechnologiestandort ist sehr gut aufgegangen."

Mehrere Förderprogramme
In drei Stärkefeldern will die Steiermark künftig Erfolge feiern: Mobilität, Humantechnologie und erneuerbare Energie. Die Steirische Wirtschaftsförderung (SFG) versucht mit mehreren Programmen, Unternehmen in diesen Gebieten vorwärts zu bringen. 2006 wurde etwa das COMET-Programm ins Leben gerufen. Dessen Kern sind Kompetenzzentren, in denen Forschung im Dienste der Wirtschaft durchgeführt wird.

Außerdem wurden in der Steiermark 32 Impulszentren aufgebaut. Im "Incubator"-Stil werden darin Jungunternehmen gefördert. Mit dem Programm "Erlebniswelt Wirtschaft" öffnen zahlreiche Unternehmen ihre Türen für Besucher. "Damit sollen der Jugend technologiezentrierte Berufsbilder nähergebracht werden", erklärt Burghard Kaltenbeck, Geschäftsführer der SFG.

Als Beispiele dafür, welche Hochtechnologie die Steiermark hervorgebracht hat, wurden im Rahmen eines Lokalaugenscheins drei Unternehmen besucht: Der Lagerlogistikspezialist Knapp, der Flugsimulatorhersteller Axis und das Biotechnologiezentrum ACIB.

ACIB
Das Austrian Centre of Industrial Biotechnology (ACIB) ist ein 2010 gegründetes Joint Venture von vier Universitäten und der FH Joanneum in Graz. Gemeinsam mit Unternehmens-Partnern werden im ACIB Konzepte und Werkzeuge der Natur für die industrielle Produktion erforscht. Dabei werden Verfahren entwickelt, die die Grundlage für neue Produkte darstellen können. Die Institution beschäftigt 200 Forscher an zehn Standorten. Wie ACIB-Geschäftsführer Anton Glieder erklärt, reichen die Unternehmens-Partnerschaften mittlerweile bis Indien.

Biotechnologie verzeichnet in den vergangenen Jahren ein enormes Wachstum. Viele Studenten nutzen das ACIB als Karrieresprungbrett. Gerade bei gemeinsamen Projekten werden ACIB-Mitarbeiter oftmals von Unternehmen abgeworben. Außerdem spalteten sich bereits zwei Start-ups vom Forschungszentrum ab. Stolz ist man beim ACIB außerdem auf den hohen Frauenanteil von über 55 Prozent.

Welche Projekte im ACIB durchgeführt werden, darüber gibt Pressesprecher Thomas Stanzer einen Überblick. Unter anderem wird an Biotreibstoff geforscht, der aus Abfällen wie Stroh oder Hackschnitzel anstatt Lebensmitteln wie Rapsöl hergestellt wird. Erforscht wird auch die Möglichkeit, Kohlendioxid zur Medikamentenherstellung zu verwenden, Plastikmüll mittels Enzymen aufzuknacken und zu einem Rohstoff umzuwandeln oder den Abbau von Medikamenten in der Leber durch ein Präparat zu simulieren.

Knapp
Besucht wurde auch die Firma Knapp in Hart bei Graz. Knapp ist weltweit führend bei automatisierter Lagerlogistik und damit einer der "hidden champions" der Steiermark. Vor allem Unternehmen aus der Pharma- und Modebranche vertrauen auf Shuttle-Anlagen und Kommissionierungstechnologie von Knapp. Produziert werden etwa riesige Regal-Anlagen, die mittels automatischer Plattformen sortiert werden. "Ganz selbstverständlich bewegen sie sich geschmeidig durch das Lager, so als wäre nichts passiert", vermittelt Knapp-COO Franz Mathi das Erlebnis, wenn man eine jener Anlagen in Betrieb sieht.

Innovation wird bei Knapp als wesentlicher Erfolgsfaktor gesehen. Nur so sei es möglich gewesen, "einen Globalisierungsfeldzug aus einem kleinen Ort bei Graz" zu starten, meint Mathi. Das Unternehmen beschäftigt heute weltweit 2.300 Mitarbeiter und gibt bei 380 Millionen Euro Jahresumsatz 18 Millionen Euro für Forschung und Entwicklung aus. Geforscht und entwickelt wird unter anderem ein System, das auf den ersten Blick wenig mit Lagerlogistik zu tun hat. Es nennt sich KiSoft Vision.

KiSoft Vision
Bei KiSoft Vision handelt es sich um ein tragbares Augmented-Reality-Set. Der Anwender trägt eine Haube mit Headset, einem transparenten Display vor einem Auge und einer Kamera auf der Stirn. Wie eine Weste werden ein Computer und ein Akku getragen, der den Betrieb für einen ganzen Tag sicherstellen soll. Das ganze System ist über WLAN mit dem Netzwerk verbunden. Projektleiter Peter Stelzer demonstriert, was mit KiSoft Vision möglich ist.

Mit dem Set ausgestattet wandert er durch die Gänge des Firmengebäudes, während sein Kamerabild über Skype in den Konferenzraum übertragen wird. Als er zu einer Kaffeemaschine kommt und nicht weiß, wie er sie bedienen soll, erhält er Anweisungen über den Kopfhörer. Auf dem Transparent-Display vor seinem Auge könnte er auch visuelle Handlungsanweisungen erhalten. Eingesetzt werden soll KiSoft Vision zukünftig bei der Wartung von Anlagen, aber auch beim "training on the job". Als "Wearable"-Lösung soll KiSoft Vision nun intensiv vermarktet werden.

Axis
Die letzte Station auf der Unternehmensvisite in der Steiermark ist der Flugzeugsimulatorenhersteller Axis. Das Unternehmen ist auf Full Flight Simulatoren spezialisiert. Diese werden zum Training für Piloten verwendet. Ein Full Flight Simulator ist eine riesige Maschine, die aus einer Kabine auf beweglichen Stelzen besteht. Darin befindet sich ein originalgetreu nachgebautes Cockpit und eine sphärische Leinwand, auf der die Umwelt in einer 180-Grad-Ansicht dargestellt wird. Der Pilot erhält ein realistisches Flugerlebnis. Mittels künstlichem Rauch können sogar Notfälle wie ein Brand an Bord simuliert werden.

Axis wurde 2004 von Martin Rossmann gegründet. Der Unternehmer und Hobbypilot "war immer schon ein bisschen flugzeugnarrisch" und kam irgendwann zur Überzeugung, selbst einen Flugsimulator bauen zu können. Der Markt für solche Geräte ist begrenzt und einem starken Wettbewerb ausgesetzt. Die Aufträge kommen oft von Flugzeugherstellern, die Simulatoren als Teil von großen Geschäften mitliefern. Andererseits kaufen Fluglinien Simulatoren zur Pilotenausbildung. Vor allem aber werden die Maschinen von Trainingsorganisationen erworben. Für eine Stunde im Full Flight Simulator verlangen diese zwischen 250 und 3.000 Euro.

Ein gesamter Simulator kommt auf Preise zwischen 6,5 und 20 Millionen Euro, erklärt Rossmann. Der Weg bis zu einem fertig ausgelieferten Produkt sei jedoch steinig. Gebaut werden die Geräte einzig nach Plänen und Daten von Herstellern, nicht anhand physischer Vorlagen. Die Software simuliert die Flugumgebung bis ins kleinste Detail. Sogar Positionen von GPS-Satelliten im Orbit über der Flugroute werden simuliert. Dazu kommen langwierige Zulassungsprozesse und minimale Toleranzschwellen. Alleine Lizenzgebühren machen bis zu 50 Prozent der Kosten aus.

Nach fünf schwierigen ersten Jahren, die Axis mit Hilfe von Förderungen und Überschüssen aus einem weiteren Unternehmen des Gründers überstand, steht Axis heute als erfolgreiches Unternehmen mit 48 Mitarbeitern da. Ein Großteil der neuen Fachkräfte wird an der FH Joanneum in Graz rekrutiert, insbesondere im Studiengang Avionik. "Das ist ein Segen für uns", meint Rossmann. Derzeit kann Axis mehrere internationale Aufträge aufweisen. Das Unternehmen könnte noch dazu bald zum Exklusivpartner in Europa für einen Flugzeughersteller aus Übersee werden.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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