Das Kunstprojekt Keepalive ist ein Felsbrocken, der Survival-Tipps per WLAN gibt, wenn er erhitzt wird
Das Kunstprojekt Keepalive ist ein Felsbrocken, der Survival-Tipps per WLAN gibt, wenn er erhitzt wird
© Aram Bartholl

Kunstprojekt

Stein mit WLAN gibt Überlebens-Tipps, wenn man ihn anzündet

Ohne Hilfe ist der geheimnisvolle Stein in der Lüneburger Heide nicht zu finden. „Wir sind ein Museum ohne Mauern“, sagt Bettina von Dziembowski, künstlerische Leiterin des Springhornhofes, eines Kunstvereins in Neuenkirchen. Von dort steuert sie den Wagen über Alleen und verschlungene Feldwege. „Wir präsentieren Skulpturen und Installationen in der offenen Landschaft“, erzählt sie. Rund 40 sind es schon, die ersten kamen 1967.

Nicht weit vom Weiler Hartböhn eine kleine Wiese, ein Bach und da ist er: Ein Findling aus der Gegend, rosa Granit, einen guten Meter breit, die eine Seite pechschwarz von Ruß. Dagegen ist ein kleiner Ofen mit Holzscheiten gelehnt.

Konzeptkünstler

Aram Bartholl selbst hat heute das Feuer entfacht. Der 43-Jährige ist Konzeptkünstler, er wurde in Bremen geboren und lebt in Berlin. Der Stein ist sein Werk, zumindest dessen Inneres. „Keepalive“ heißt der Brocken - und er kann beim Überleben nützlich sein. Erhitzt man ihn, so sendet er Survival-Tipps auf Handy, Tablet oder Laptop.

„Es geht um die Kombination von Feuer als erster Technologie des Menschen und modernem Zugang zu Daten“, erklärt Bartholl. „Das Thema ist eine Mischung von Überleben in der Natur auf der einen Seite und im Alltag des digitalen Zeitalters auf der anderen Seite.“ Der Stein selbst werde zum Datenträger, betont Bartholl. „Es geht darum, zu erkennen, wie abhängig wir von den Online-Diensten sind“, sagt er.

Und wirklich: Plötzlich wird das WLAN-Netzwerk auf dem Display des Smartphones angezeigt. „Keepalive“ erscheint groß auf dem Display. Dann folgt eine lange Liste mit Texten und Büchern, fast 300 sind es bereits und es sollen noch mehr werden. „Man kann auch Daten mitbringen und hierlassen“, sagt Bartholl, der auch schon im New Yorker Museum of Modern Art zu sehen war. Er verpasst dem im Sommer 2015 aufgestellten Stein gerade ein Update und baut neue Teile ein.

Die Daten können nur auf dieser abgelegenen Wiese empfangen werden, das WLAN sendet nur lokal. „Es ist nicht mit dem weltweiten Internet verbunden“, betont Bartholl, der gerade von einem mehrmonatigen Lehrauftrag in Los Angeles zurückgekehrt ist. „Wer hierherkommt, hat sich aus dem digital kontrollierten Raum herausbewegt“, erklärt er. „Ich mache Konzeptkunst, Kunst mit und über das Internet“, beschreibt er sein großes Thema.

Schutz vor Kälte bis Atomkrieg

Das Kunstprojekt Keepalive ist ein Felsbrocken, der Survival-Tipps per WLAN gibt, wenn er erhitzt wird
Die digitale Bibliothek des Felsbrockens umfasst klassische Überlebenstechniken in der Natur, aber eben auch die des digitalen Zeitalters. „Wir benutzen den Survival-Begriff im Internet-Zeitalter ganz anders“, meint Bartholl dazu. „Es geht nicht mehr ums Überleben im Wald. Es ist mehr: Hilfe, mein Kind nutzt Snapchat!“ Und so können besorgte Eltern von „Keepalive“ auch Hinweise zum Umgang der Sprösslinge mit moderner Nachrichtenübermittlung bekommen.

Das Spektrum der Überlebens-Tipps reicht vom Schutz vor Eiseskälte bis zum Atomkrieg. Doch auch für Probleme des alltäglichen Lebens lassen sich Hinweise finden. So gibt es etwa Tipps zum Entfernen von Flecken, für Do-it-yourself-Scheidungen, den Umgang mit einem fiesen Chef oder den Aufbau von Küchen eines schwedischen Möbelhauses. Es finden sich zudem Anleitungen für Affären und andere erotische Begegnungen, auch für die, die es eher streng oder gar grob mögen.

Wer seine eigene Steinzeit in der Lüneburger Heide verbringen möchte, sollte es nicht eilig haben, zumal erst das Feuer entfacht werden muss. „Es dauert etwa eine Viertelstunde - Wind und Wetter müssen mitspielen“, sagt Bartholl.

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