Steirer bei weltgrößtem thermischen Solarkraftwerk an Bord
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In der marokkanischen Sahara, nahe der Stadt Ouarzazate, entsteht das weltgrößte thermische Solarkraftwerk. Anfang Februar wurde dessen erster Bauabschnitt, Noor I, in Betrieb genommen. Das Unternehmen VTU Energy aus Grambach bei Graz ist bei dem Riesenprojekt mit an Bord und liefert das Abrechnungssystem für Noor I. Wir haben mit Josef Petek, dem Verkaufsleiter von VTU Energy, über das Engagement der Grazer in Marokko gesprochen.
futurezone: Ist VTU erstmals bei einem Solarkraftprojekt dabei?
Josef Petek: Nein. Wir waren auch bereits beim ersten Solarkraftwerk in den Vereinigten Arabischen Emiraten dabei. Das Masdar Shams 1 bei Abu Dhabi läuft schon seit 2014. Auch das ist ein Parabolrinnenkraftwerk. Wir hoffen auch, dass wir bei Noor II und Noor III, den Erweiterungsstufen des Ouarzazate-Projekts wieder dabei sind. Da wird es andere Technologien geben, unter anderem ein Turmkraftwerk. Für Investoren noch interessanter ist das Photovoltaikkraftwerk Noor IV.
VTU liefert das Abrechnungssystem für Noor I. Was genau wird denn da abgerechnet?
Die Solarkraftwerke bei Ouarzazate sind Public-Private-Partnership-Projekte. Das Projekt wird vom Staat ausgeschrieben und Privatinvestoren erhalten Anteile an der Projektgesellschaft, etwa 40 bis 60 Prozent. Den Rest hält der Staat. Es wird dann ein Stromliefervertrag abgeschlossen und stündlich abgerechnet. Die Elektrizitätsproduktion, der Verbrauch und zusätzlich benötigte Rohstoffe, werden laut Vertrag abgerechnet. Das ist sehr komplex und läuft über ein vollautomatisches, elektronisches Abrechnungssystem. Das liefern wir.
Hat VTU das Abrechnungssystem für Noor I ausschließlich geliefert oder betreibt die Firma das Abrechnungssystem dauerhaft?
Wir sind nur Lieferant. Benutzt wird es von der Betreibergesellschaft. Da das Vertragswerk so komplex ist, ist auch die Software komplex. Wir haben zirka ein Jahr lang dran gearbeitet, damit die Klauseln des Vertrags genau eingehalten werden. Die Genauigkeit wird dann auch von einem unabhängigen Auditor geprüft. Es geht um sehr hohe Beträge. Pro Monat werden einige Millionen abgerechnet.
VTU stellt nicht nur Abrechnungssysteme, sondern auch Hardware-Komponenten her, oder?
Wir stellen keine Hardware her, sondern kaufen Computersysteme ein und bieten Turnkey-Lösungen an. Das Abrechnungssystem ist "mission critical". Durch unser Know-How können wir ein Produkt zur Verfügung stellen, dass diese Sicherheit bietet. Da gibt es eine Firewall und eine integrierte Batterie für Stromausfälle - was in Kraftwerken gar nicht so selten passiert. Die Abrechnung geht niemals verloren.
War zum Zeitpunkt des VTU-Einstiegs bei Noor I schon klar, welche Stromgewinnungsmethode angewendet wird?
Bei Noor I sind wir erst dazugekommen, als der Vertrag schon unterzeichnet war. In anderen Projekten im Mittleren Osten unterstützen wir einzelne Anbieter auch mit unserem Know-How bei der Kraftwerkssimulation. Wir erschaffen da sehr präzise Auswertungen vom zukünftigen Betrieb und können dadurch Tarife und Liefergarantien sehr genau abschätzen.
Warum kommen in Ouarzazate unterschiedliche Stromgewinnungsmethoden zum Einsatz?
Die Parabolrinnentechnologie, wie sie bei Noor I angewendet wird, entspricht dem technischen Stand von vor ein paar Jahren. Infrastrukturprojekte werden nicht erst getestet, die müssen stattdessen sofort laufen. Deshalb müssen Technologien gewählt werden, die schon erprobt sind.
Bei Ouarzazate kommen die thermischen Varianten Parabolrinne und Turm zum Einsatz, genauso wie Photovoltaik. Macht solch ein Mix Sinn?
Ich glaube, man hat so einen Mix gewählt, weil es eines der ersten Solarkraftwerke in Afrika ist. Vor fünf Jahren war die Parabolrinnentechnologie die erste, die bereits in großem Maßstab gelaufen ist, während sich Turmkraftwerke erst jetzt etablieren. Und die Photovoltaik ist dank reduzierter Herstellungskosten gerade erst in den letzten Jahren stark angewachsen.
Welche Technologie ist die effizienteste?
Photovoltaik wird künftig am effizientesten sein. Was allerdings ein thermisches Kraftwerk kann ist die Zwischenspeicherung von Wärme. In Ouarzazate gibt es Salzspeicher, die es ermöglichen, die Stromproduktion in die Abendstunden zu verschieben. Das ist eigentlich die Hauptlastzeit in Marokko. Würde man nur Photovoltaik einsetzen, hätte man in den Nachtstunden ein Problem.
Wie funktioniert so ein Salzspeicher?
Diese Salzspeicher sind geschmolzene Salze, die in einem Temperaturbereich zwischen 250 und 400 Grad Celsius flüssig sind. Das heiße Thermalöl, das aus dem Parabolrinnenkraftwerk kommt, gibt Wärme an den Salzspeicher ab. In den Abendstunden kann man die Wärme über einen Wärmetauscher wieder in den Kraftwerkskreislauf einbringen.
Bei Noor I kann die Wärme bis zu drei Stunden gespeichert werden, bei den weiteren Ausbaustufen soll dies bis zu sieben Stunden möglich sein.
Ja, da kommt es auf die Größe des Salzspeichers an. Die Speichergröße ist mit einem gewissen Risiko verbunden, weil der Salzspeicher nicht fest werden darf. Ansonsten muss man ihn elektrisch aufheizen. Der Bereich, in dem das Salz betriebsfähig ist, liegt zwischen 250 und 400 Grad.
Wie ist VTU auf das Projekt in Marokko gekommen? Hält das Unternehmen gezielt Ausschau nach Kraftwerksprojekten?
Zum Glück ist es umgekehrt. Die Projektgesellschaften halten nach uns Ausschau. Wir sind als Marktführer für diese Art von Systemen im Mittleren Osten von der Betreiberfirma angesprochen worden. Momentan sind wir auch in Kuwait und im Oman aktiv. In der Region haben wir sehr viel zu tun.
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