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Kurznachrichten

Twitter wird wie Fernsehen

Olivier Toubia gibt es offen zu: Persönlich ist er ein Twitter-Muffel. „Ich rede mit Studenten und Kollegen; ich gehe auf Konferenzen, ich halte Vorträge. Ich habe also mehr als genug Austausch von Ideen“, meint der Professor an der Columbia Business School in New York. Aber: Durch die Brille des Marketingspezialisten betrachtet, findet er den peer-to-peer-Kommunikationsdienst faszinierend. „Wenn Leute so viel Zeit auf Twitter verbringen, - dann müssen sie etwas davon haben. Etwas, das ihnen wichtig ist.“

Wer twittert warum?
Aktive Twitterer teilen sich grob in zwei Gruppen: in kommerzielle und private Nutzer. Wenn Stars, Schriftsteller oder Firmen Tweets ausschicken – besser gesagt: ausschicken lassen -, dann steckt ein klares kommerzielles Interesse dahinter. Twitter als Werkzeug für PR und Promotion also.

Olivier Toubia und seinen Kollege, Andrew Stephen (University of Pittsburgh), interessierten jedoch die Motive der zweiten Gruppe: Was bewegt Otto und Ottilie Normalverbraucher, viel oder wenig zu twittern? „Bei den meisten Menschen läuft es so ab: Sie fangen zu twittern an, das macht Spaß. Dann haben sie die ersten Followers. Das streichelt das Ego. Man twittert also mehr, weil man dann noch mehr Followers gewinnt.“

Valeria Gomez geht ins Kino
Um diese Entwicklung des Verhaltens mit Daten zu untermauern, kreierten die Forscher 100 so genannte synthetische Twitter-Konten. Diese fiktiven Twitterer hatten Namen, Interessen, Fotos und ein Alltagsleben, über das sie mit 140 Zeichen plauderten wie echte Twitterer: Valeria Gomez ging ins Kino, ins Restaurant oder musste sich den Weisheitszahn ziehen lassen.

Mit diesen fiktiven Konten erhöhten die Forscher nach und nach bei echten Twitteren die Zahl ihrer Followers um 100. Nutzer mit tausenden Follwers reagierten darauf überhaupt nicht. In dieser Kategorie machen 100 Followers mehr oder weniger keinen Unterschied. Twitterer mit einer Gefolgschaft um 25 reagierten auf den Zuwachs enthusiastisch und twitterten deutlich mehr. Doch bei Usern mit zwischen 62 und 243 Follwers zeigte sich der gegenteilige Effekt: Sie twitterten weniger. „Es gibt einen Punkt, ab dem das Statusbedürfnis befriedigt ist“, kommentiert Olivier Toubia. „Und dann bemüht man sich nicht mehr.“

Twitters Zukunft hat schon begonnen
In die Zukunft von Twitter extrapoliert bedeutet das: Irgendwann haben die meisten nicht-kommerziellen Nutzer den Status erreicht, der ihnen genügt. „Das heißt aber, das Netzwerk hört auf zu wachsen. Es wird statisch.“

Freilich ist international für Twitter noch einiges an Expansion drinnen. Doch das Netzwerk rüstet sich bereits für die Zukunft. Dazu brauche man nur auf „Über uns“ klicken, meint Olivier Toubia.  „Noch vor zwei oder drei Jahren lag der Schwerpunkt in der Beschreibung auf peer-to-peer-Kommunikation.“ Das ist nun anders. Twitter verspricht Information über neueste Nachrichten, Meinungen oder Ideen und weist ausdrücklich darauf hin: Man muss nicht aktiv twittern, um Nutzen aus dem Service zieht.  „Wenn man aber nicht selber twittert, wird man zwangsläufig zum Konsumenten von kommerziellem Inhalt. So wie das bei Radio, Printmedien und Fernsehen auch der Fall ist.

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Olivier Toubia ist Professor an der Columbia Business School. Er forscht unter anderem zu Innovationen und sozialen Netzwerken.

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