Warum die Stadt Wien mehr gegen die Hitze tun müsste
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Als „Sofortmaßnahme“ gegen die Hitze hat nun Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ) kühlende Sprühnebel-Duschen für öffentliche Plätze präsentiert. Das könnte künftig zur Normalität werden: Laut einer Studie gehört Wien zu den europäischen Städten, die künftig am meisten mit Hitzewellen kämpfen wird müssen.
Ob Baumpflanzungen oder -Ausstieg beim Verkehr: Derzeit kündigt die Stadt im Tagesrhythmus Maßnahmen an, die sich gegen den Klimawandel richten oder zumindest das Leben in der immer heißer werdenden Stadt erleichtern sollen. Doch wie erfolgreich ist die Stadt im Kampf gegen den Klimawandel? Experten bewerten die derzeitigen Maßnahmen.
Treibhausgase
Im Klimaschutzprogramm II beabsichtigt die Stadt, bis 2020 die Emissionen pro Kopf um 21 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Tatsächlich gab es laut Umweltbundesamt bis 2016 einen Rückgang von 5,6 auf 4,5 Tonnen pro Jahr. Bis 2050 will die Stadt, dass die -Emissionen im Verkehr auf Null sinken.
„Das sind erste Schritte, die aber nicht ausreichen“, sagt Matthias Ratheiser von Weatherpark – einem Unternehmen, das sich auf Stadtklimatologie spezialisiert hat. Denn die Pariser Klimaziele sehen vor, dass der gesamte -Ausstoß netto auf Null sinkt. Städte wie Zürich würden schon entsprechende Strategien verfolgen. Neue Wege schlägt auch New York ein, wo Besitzer verpflichtet sind, ihre Hochhäuser -neutral zu gestalten.
Verkehr
Auch wenn Wien im Bundesländer-Vergleich gut dasteht – der Abschied vom Auto ist ein langer: Bis 2020 soll der Anteil des Öffentlichen Verkehrs auf 40 Prozent steigen. Derzeit liegt er bei 38 Prozent. Bereits 2015 hätte der Radler-Anteil bei acht Prozent liegen sollen, derzeit ist er erst bei sieben Prozent. „In der Stadt gibt es nur begrenzt Platz. Es geht also nicht ohne Maßnahmen, die weh tun“, sagt der Experte. Sprich: Will man den Radler-Anteil stärker erhöhen, müsse man Straßen zugunsten von Radwegen rückbauen. Herbert Formayer, Klimatologe an der Uni für Bodenkultur, verweist auf den positiven Effekt der 365-Euro-Jahreskarte für Wiens Öffis, sieht aber noch großes Einsparungspotenzial beim Pkw-Verkehr aus dem Umland: „Wien und Niederösterreich müssen hier stärker zusammenarbeiten. Die Frage ist, wie man die Speckgürtelbewohner ohne Auto in die Stadt bringt.“
Heizungen
Wien hat vor, den Anteil der Fernwärme auf 50 Prozent zu erhöhen. Davon ist die Stadt noch deutlich entfernt. Derzeit ist er erst bei 39 Prozent, jener von Gas bei 41 Prozent. Fernwärme ist günstiger, weil sie sich aus der ohnehin vorhandenen Hitze speist, die bei der Müllverbrennung entsteht. „Das Problem: Bestehende Gasthermen auszutauschen, ist ein enormer Aufwand“, räumt Ratheiser ein.
Erneuerbare Energie
Deren Anteil soll bis 2020 gegenüber 1990 verdoppelt werden, lautet das ambitionierte Ziel der Stadt. „Wien müsste bei Neuerrichtungen erneuerbarer Energien noch freundlicher sein“, sagt Formayer. Potenzial sieht er vor allem bei Photovoltaik-Anlagen oder Mini-Windkraftwerken auf den Dächern. Letztere würden sich im windigen Wien besonders anbieten.
Anpassung
Bis im Idealfall eine Klima-Trendwende erreicht ist, sind Strategien nötig, die für Kühle in der Stadt sorgen. Zuletzt hat die Stadt acht Millionen Euro für Baumpflanzungen beschlossen. Bei Stadterweiterungen wird dafür gesorgt, dass sie auf bereits versiegelten Flächen stattfindet, da Grünland ebenfalls kühlt. Mit dem Projekt „Schwammstadt“ in der Seestadt werden mittels grobkörnigem Schotter Wasserspeicher geschaffen, die den natürlichen Boden imitieren.
Experte Ratheiser vermisst jedoch eine Gesamtstrategie. „Voraussetzung dafür wäre eine Stadtklima-Analyse, die zeigt, wo es besonders heiß ist.“ Daraus ließen sich konkrete Maßnahmen ableiten. Etwa, dass im Flächenwidmungsplan festgeschrieben wird, dass das Wiental frei von Hindernissen bleibt, da über diesen Weg sehr viel Frischluft in die Stadt kommt.
Klimaanlagen als Energiesünder
Die hohen Temperaturen wirken sich negativ auf den Klimaschutz aus. Denn Klimaanlagen, mit denen wir uns Abkühlung verschaffen, verbrauchen sehr viel Energie. Die momentane Hitze und der dadurch erhöhte Bedarf an Klimatisierung treibt den Stromverbrauch in Wien auf neue Rekordwerte, berichtet Wien Energie. Erhebungen des Energieversorgers zeigen, dass im Sommer noch nie so viel Strom verbraucht wurde wie derzeit. Durch die aktuelle Hitzewelle nähere sich der tägliche Stromverbrauch sogar dem Tagesrekord des vergangenen Winters. Dieser lag in diesem recht milden Winter bei rund 38.000 Megawattstunden im gesamten Versorgungsgebiet der Wien Energie. Für Donnerstag wurden 36.300 Megawattstunden erwartet. Das entspricht – an nur einem Tag – dem durchschnittlichen Jahresverbrauch von mehr als 14.500 Wiener Haushalten.
Pro Hitzetag mit mehr als 30 Grad wird im Großraum Wien damit sechs Prozent mehr Strom verbraucht als an durchschnittlichen Sommertagen mit 25 Grad. An extremen Hitzetagen wie derzeit liegt der Verbrauch sogar bis zu zehn Prozent darüber. Experten gehen übrigens davon aus, dass Europa in 20 Jahren gleich viel Kühlenergie wie Heizenergie benötigen wird.
Alpenluft als Auslöser
Grund für die aktuell extreme Hitze ist die warme Luft im östlichen Alpenland. Nach dem am Mittwoch die Tiroler Gemeinde Imst als erste in diesem Jahr die 37-Grad-Grenze übertraf, hat sich die Hitze nun auf den Osten des Landes verlagert.
„Der Wind bringt die warme Luft aus den Bergen in die Städte, wo der Beton diese bis in die Nacht hinein speichert“, erklärt UBIMET-Meteorologe Michael Beisenherz. Hinzu käme die hohe Luftfeuchtigkeit. Diese führt dem Experten zufolge zur Taubildung und zusätzlicher Kondensationswärme. Die Luft kühle dann kaum mehr ab.
27 bis 28 Grad werden Freitag und Samstag erwartet. Der Meteorologe empfiehlt, an diesen Tagen in der Früh durchzulüften, da es zumindest kurzfristig mit den Tropennächten vorbei ist. Nämlich bis Sonntag. Da soll es bis zu 35 Grad bekommen. Am Montag könnte dann der diesjährige Hitzerekord geknackt werden: 38 Grad prognostiziert Wetterdienst UBIMET.
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