© Screenshot/Warner Bros.

Digital Life

Warum eine 22 Jahre alte Webseite heute noch funktioniert

1996 war ein ereignisreiches Jahr. Bill Clinton wurde zum zweiten Mal zum US-Präsidenten gewählt, Pokémon wird erstmal in Japan veröffentlicht und Garry Kasparov unterliegt dem Schach-Computer Deep Blue. Doch während diese Ereignisse in die Geschichtsbücher eingegangen sind, erinnert sich kaum jemand an den Film „Space Jam“. In dieser Komödie gab US-Basketball-Star Michael Jordan sein Hollywood-Debüt und kämpfte gemeinsam mit Bugs Bunny und anderen Looney-Tunes-Charakteren gegen Außerirdische. Das Kuriose: Die offizielle Webseite des Films ist als eine der wenigen Teile des Internets nach wie vor unverändert online.

Der österreichische Web-Entwickler Björn Ganslandt hat dieses seltsame Exemplar Internet-Geschichte im Rahmen eines Vortrages auf der „WeAreDevelopers“-Konferenz  näher unter die Lupe genommen. Bereits das Design dürfte  bei jedem Web-Entwickler heutzutage für Panik sorgen. Die Menü-Elemente sind als Symbole um das Logo verteilt, der Text ist sehr schwer lesbar. „Viele Web-Entwickler haben damals auch an interaktiven CDs gearbeitet, weswegen die Webseiten damals so ausgesehen haben.“

Kuriose Kommentare

Bei seiner Analyse stellte unter anderem fest, dass der Code der Webseite mit Zitaten aus Songtexten der Rockband Van Halen gespickt war. „Offenbar war der Entwickler ein Fan.“ Auch CSS (Cascading Style Sheets), heute der gängige Standard um Web-Layouts zu definieren, fehlte vollständig - es wurde erst Ende 1996 als W3C-Standard verankert, 1997 haben es erste Browser implementiert.

„Erstaunlicherweise kannte Netscape damals schon viele Standards, die wir noch heute nutzen, wie animierte GIFs, Javascript und Framesets.“ Auch ein Relikt aus dem Design des Web 1.0 kann auf der „Space Jam“-Webseite begutachtet werden: Frames. Dabei wurde eine Webseite in verschiedene Segmente aufgeteilt, wobei in jedes Segment eine externe HTML-Datei geladen wurde. „Wenn man Dokumente statt Komponenten verwendet, sind Frames eine Katastrophe. Wenn ich etwas auf der Webseite anklicke, verändert sich die URL nicht, weswegen ich keine Lesezeichen anlegen kann.“ 

Auch der heute kaum bekannte nobr-Tag kann nur mehr von alten Browsern dargestellt werden. Damit sollte verhindert werden, dass Textzeilen umbrechen. „Das ist aus heutiger Perspektive katastrophal für Responsive Design.“ Obwohl damals Smartphones und Tablets noch nicht die Rede war, gab es aber bereits Bedenken. „Bereits in einer Usenet-Diskussion von 1994 hat sich jemand beklagt, dass das HTML auf PDAs nicht richtig dargestellt werden kann.“

Woher kam diese Webseite?

Wie aus einem Artikel des „Rolling Stone“ hervorgeht, handelte es sich tatsächlich um ein Pionierprojekt der Produktionsfirma. Federführend war Don Buckley, damals verantwortlich für Werbung bei Warner Bros., sowie ein Team von jungen Entwicklern und Designern - die  unter anderem auf das Buch „Teach Yourself Web Publishing with HTML in 14 Days“ zurückgriffen. Diese konnten „tun was wir wollten“ und das zeigte sich auch in den Inhalten: 360-Grad-Aufnahmen vom Filmset, downloadbare Malbücher, mehrere Online-Quizzes sowie unzählige Musikstücke und Videos für Fans.

Laut den Entwicklern gibt es sogar einige Easter Eggs, die bis heute nicht entdeckt wurden. Die Webseite blieb bis 2003 unter der ursprünglichen Domain spacejam.com erreichbar, bis sie auf einen anderen Bereich der Warner Bros. Webseite verschoben wurde. Heute wird auf der Hauptdomain die DVD-Ausgabe von Space Jam beworben - mit der veralteten Flash-Technologie.

Angst vor Verlust

2011 entdeckte ein Nutzer die alte Webseite und postete den Link dazu auf Reddit. Der Eintrag ging viral und sorgte für hunderttausende Aufrufe - die genaue Zahl ist nach wie vor unbekannt. Das dürfte Warner Bros. verunsichert haben, denn kurz danach nahm man die Webseite offline. Proteste eines ursprünglichen Designers, der noch im Unternehmen arbeitete, sorgten jedoch dafür, dass die Webseite nur für wenige Stunden offline war. Aus Furcht davor, dass die Webseite wieder verloren gehen könnte, richteten einige Nutzer sogar einen Twitter-Bot ein, der den Online-Status überprüft.

Heute ist „Space Jam“ eine der wenigen Webseiten, die die Neunzigerjahre auch optisch überdauert hat - unter ihnen auch die „erste Webseite“, geschaffen von Tim Berners-Lee.

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Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

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