Immer mehr italienische Städte führen Zufahrtsbeschränkungen für ihre Zentren ein
Immer mehr italienische Städte führen Zufahrtsbeschränkungen für ihre Zentren ein
© Kapsch

Zufahrtskontrolle

Wie Italiens enge Gässchen staufrei bleiben

Die futurezone hat unlängst den UITP Weltkongress 2015 in Mailand besucht. Zwischendurch haben wir uns die Kleinstadt Bergamo angesehen. Die pittoresk an einem Hügel gelegene 100.000-Einwohner-Stadt zeichnet sich wie viele andere italienische Städte durch jahrhundertealte Architektur und putzige, kleine Gässchen aus. Um Verkehrschaos bei beengten Platzbedingungen zu vermeiden, ist Bergamo dem Beispiel vieler anderer Gemeinden gefolgt und hat eine beschränkte Verkehrszone (Zona a Traffico Limitato) eingerichtet. Möglich wurde dies durch Hard- und Software des österreichischen Unternehmens Kapsch.

Nummerntafelerkennung

In Bergamo wurden verkehrsberuhigte Zonen definiert, etwa in der von einer Stadtmauer umgebenen Città Alta oder im Zentrum der tiefer gelegenen Città Bassa. Dort dürfen nur Bewohner, Lieferanten, Versorgungsunternehmen oder Einsatzkräfte mit ihren Fahrzeugen einfahren. Daneben freilich auch öffentliche Verkehrsmittel. Für die befugten Besucher gelten unterschiedliche Regeln. Lieferanten dürfen etwa nur zu bestimmten Zeiten in die Zonen. Durch Polizeistreifen ist die Einhaltung der Zufahrtsbeschränkungen kaum zu überwachen. Bergamo hat sich deshalb wie viele andere italienische Städte für eine automatisierte Lösung entschieden.

An den Einfahrten in die definierten Zonen wurden Warnschilder angebracht und schlanke Masten mit jeweils einer Kamera darauf aufgestellt. Die Kameras zeichnen die Nummernschilder einfahrender Fahrzeuge auf und übermitteln diese Aufnahmen an das örtliche Polizeikommando. Dort werden die Fotos von einem automatischen Nummerntafelerkennungsprogramm (automated number plate recognition - ANPR) analysiert.

Die festgestellten Kennzeichen werden mit einer Datenbank abgeglichen, in der die Zufahrtsberechtigungen abgelegt sind. Gibt es eine Übereinstimmung, wird die Fahrzeugpassage anonymisiert in der Statistik festgehalten. Gibt es eine Diskrepanz, wird das Foto einem eigenen Team innerhalb der Polizeiwache weitergeleitet, die die Korrektheit des festgestellten Kennzeichens überprüft. Bei einer Missachtung der Zufahrtsregeln wird automatisch eine Verkehrsstrafe ausgestellt. In Bergamo beträgt diese pro Delikt 90 Euro.

Von Rom bis Gallipoli

Kapsch hat seine Zufahrtslösung bereits in 52 italienischen Städten installiert. Das größte Projekt dabei ist Rom, wo bis heute 68 Zugangspunkte errichtet wurden. Am anderen Ende der Größenskala liegt der kleine Ort Gallipoli in der süditalienischen Provinz Apulien. Dort reicht ein einziges Gate aus, um die Zufahrt in das auf einer Halbinsel gelegene Stadtzentrum zu regulieren. Neben der Verkehrsberuhigung helfen die zusätzlichen Einnahmen den Gemeinden dabei, ihre Budgetsituation zu verbessern.

Implementieren lässt sich die Zufahrtskontrolle relativ rasch. Dennoch hat sich gezeigt, dass begleitende Maßnahmen unumgänglich sind, erklärt Jonathan Checco von Kapsch. Der öffentliche Verkehr muss in der Lage sein, den Wegfall von Autos und Motorrädern als Transportmittel zu kompensieren. An den Grenzen der beschränkten Verkehrszone müssten zudem ausreichende Parkmöglichkeiten geschaffen werden, wo Fahrzeuge auch den ganzen Tag über zu akzeptablen Konditionen abgestellt werden können.

Größere Verkehrsstrategie

Wird die Bevölkerung nicht lange im Voraus über die künftigen Beschränkungen informiert, so kann es schnell zu enormem Widerstand kommen. Proteste oder gar Vandalismus können die Inbetriebnahme eines Zufahrtskontrollsystems verzögern. "Eine größere Strategie ist notwendig", meint Checco. Kapsch versucht seine Kunden auch dahingehend zu beraten. Ein einziges Mal erwies sich ein Bürgermeister als beratungsresistent. Das bereits installierte Zufahrtskontrollsystem in seiner Stadt ist bis heute nicht in Betrieb.

Gemeinden müssten sich außerdem ein wenig in Geduld üben, sagt Checco. Direkt nach der Einführung von Zufahrtsbeschränkungen habe man oftmals einen Einnahmenrückgang bei Geschäften verzeichnet. Nach rund einem halben Jahr ginge es mit den Zahlen aber wieder aufwärts. Einheimische und Touristen würden die neue verkehrsberuhigte Lage schnell zu schätzen wissen. Die Durchschnittsgeschwindigkeit der befugten Fahrzeuge würde sich währenddessen erhöhen.

Während sich Zufahrtsbeschränkungen in Italiens Städten weiter verbreiten, hat Kapsch TrafficCom in Österreich vorerst keine diesbezüglichen Aufträge. "In Österreich ist das ein politisch schwieriges Thema", meint Kari Kapsch, Vorstand der Kapsch-Gruppe. Als einen der aussichtsreichsten Märkte für "Urban-Access"-Produkte sieht er die USA. Auch beim Thema Parkraumbewirtschaftung bieten sich laut Kapsch dort große Möglichkeiten.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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