Destiny
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© Bungie

Destiny im Test: Ein Krapfen ohne Marmelade

Destiny im Test: Ein Krapfen ohne Marmelade

So wie viele Halo-Fans, Shooter-Spieler und Next-Gen-Besitzer habe ich mich auf Destiny gefreut. Ich wusste, dass es kein Borderlands 2 wird - dieser Mischung aus Coop-Shooter und Rollenspiel in einem Sci-Fi-Setting ist von Genre-Kollegen nur schwer das Wasser zu reichen. Die Hoffnung war dennoch groß, in ein neues, episches Universum einzutauchen. Schließlich steckt ja auch der Entwickler Bungie, Erschaffer der Halo-Saga, hinter Destiny.

Nach knapp 30 Stunden Destiny auf der PS4 warte ich noch immer auf den Moment, der mich in die Welt hineinzieht. Es ist nicht so, dass ich mich in dieser Zeit gequält hätte – zumindest nicht 20 Stunden davon. Aber als nach acht Stunden immer der gleichen „Strike“-Missionen und Mehrspieler-Kämpfe, weniger für das Leveln nötige Gegenstände gefunden wurden als in 40 Minuten stur in eine Höhle zu ballern, kam die Ernüchterung. Destiny fehlt das gewisse Etwas, das Herz, der tolle Moment, auf den man wartet – so, wie wenn man bei einem Krapfen nach mehreren Bissen endlich auf die Marmelade stößt.

Versteckte Story

„Willkommen in der Postapokalypse, ich hoffe du hast deinen Tiefschlaf genossen. Hier ist eine Waffe, geh und töte alles, was nicht menschlich ist“. Das ist der Auftrag für die nächsten 15 bis 17 Stunden, die man mit den Story-Missionen verbringen wird. Immerhin hat man ein Motiv die humanoiden, feindlichen Spezies auf Erde, Mond, Venus und Mars zu töten: Die Rettung der Menschheit.

Warum die anderen Spezies überhaupt die Menschen und sich auch gegenseitig angreifen, erfährt man nicht im Spiel. Durch gewisse Ereignisse und Leistungen kann man Grimoire-Karten freischalten und finden, die kurze Hintergrundinformationen liefern. Diese sind aber nicht im Spiel, sondern nur im Browser ansehbar. Sieht man sich die Karten an, merkt man, dass Destiny eine einigermaßen ausgearbeitete Hintergrundgeschichte hat. Da diese aber nahezu ausgegliedert aus dem eigentlichen Spiel ist, werden wohl viele Gamer nichts davon mitbekommen.

Ein fliegender Mini-Roboter, genannt Geist, begleitet den Spieler ständig, zeigt den Weg zum Ziel und redet hin und wieder. Meistens sind es Kommentare wie „Du musst sie ausschalten!“ und „Ich will gar nicht wissen, was dort unten lauert“. Story-relevante Hintergrundinformationen sind rar.

Eintönige Missionen

Die Story-Missionen verlaufen nach dem Schema: Gehe zum Ziel, besiege Feinde. Die größte Abwechslung ist, ob die Feinde schon am Ziel warten oder erst auftauchen, während der Geist ein Tor aufmacht oder Daten entschlüsselt.

Innerhalb der ganzen Story gibt es zwei kurze Momente, in denen Abwechslung vorhanden ist. Einer ist ein Mini-Bosskampf, bei dem aus der First-Person- in die Third-Person-View geschaltet und mit einem Schwert gekämpft wird. Beim Zweiten wird ein bewaffneter Gleiter gesteuert. Üblicherweise steht dem Spieler nur ein unbewaffneter Sparrow zur Verfügung, der den Speeder-Bikes aus Star Wars Episode VI ähnelt.

15-minütige Bosskämpfe

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Am Ende mancher Story-Missionen warten Bossgegner. Die Kämpfe sind mehr mühsam als episch. Man nutzt keine Schwachstellen aus und setzt auch nicht auf raffinierte Taktikten, sondern ballert einfach drauf, weicht den Schüssen aus, ballert weiter, bekämpft die Verstärkung, schießt wieder auf den Boss, usw. Die Kämpfe können schon mal mehrere Minuten dauern. Wirklich spannend ist es eigentlich nur, wenn man die Verstärkung übersieht, auf einmal von Gegnern umzingelt ist und man panisch ums Überleben kämpfen muss.

Bei Strike-Missionen dauern die Bosskämpfe noch länger. Strike-Missionen sind eine Art Mini-Raids. Zusammen mit zwei anderen Spielern beseitigt man den Zwischenboss und danach den großen Boss. Der Boss hält ordentlich viel aus – die Kämpfe dauern schon mal bis zu 15 Minuten.

Einsam im Online-Shooter

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Beim Start der Strike-Missionen werden mit einer Suche automatisch Mitspieler gefunden. Die Story-Missionen und Patrouillen-Missionen (generische Mini-Aufgaben) können auch maximal zu dritt kooperativ gespielt werden, hierfür gibt es allerdings keine Spielersuche. Sind keine Freunde zum Spielen online, läuft das meist darauf hinaus, dass man alleine spielt.

Denn obwohl Destiny ein reiner Online-Shooter ist, gestaltet sich die Kontaktaufnahme mit Mitspielern schwierig. Selbst im Turm (der Stadt mit den Händlern) die sogar im Spiel als „Treffpunkt“ bezeichnet wird, gibt es keinen öffentlichen Chat. Auf wie bei MMO-Spielen übliche Aufrufe wie „Suche lvl 12-14 für Venus Story“ muss man also verzichten. Und auf Verdacht Personen in die Gruppe einzuladen, um sie per Voice Chat zu fragen ob sie zusammen spielen wollen, ist mühsam.

Sinnvoller ist es direkt auf den Planetenoberflächen Leute mit demselben Level in die Gruppe einzuladen – hier ist die Chance höher, dass diese gerade dieselbe Mission machen. Obwohl Destiny ein reines Online-Spiel ist, sieht man aber nur selten Mitstreiter. Und wenn, dann sind diese zu 50 Prozent hochlevelige Spieler, die Gegenstände farmen.

Richtig einsam fühlt man sich, wenn ein „Public Event“ stattfindet. Bei diesen zufällig auftretenden Ereignissen muss ein Punkt vor Feinden verteidigt oder etwa ein bestimmter Gegner innerhalb eines Zeitlimits besiegt werden. Bei sieben von neun Public Events war ich alleine, bei zwei hat sich ein zweiter Spieler beteiligt. Verglichen mit dem Online-Shooter Defiance, bei dem an den Archenfall Public-Events 20 bis 30 Spieler teilnehmen, ist das traurig. Nicht mal im Turm sieht man in Destiny 20 Spieler auf einen Fleck.

Das Erbe von Halo

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Während der „Online“-Teil des Online-Shooters nicht überzeugt, kann es der Shooter-Teil umso mehr. An den Kämpfen gibt es nichts auszusetzen. Die Mischung auf Fern- und Nahkampf passt, die Steuerung ist auf den Punkt. Die minimale Verzögerung ist genau richtig, um ein Gefühl der Schwere und Wuchtigkeit des Charakters und dessen Ausrüstung zu simulieren. Man merkt, dass Bungie mit Halo viel Zeit hatte, um das Genre Science-Fiction-First-Person-Shooter zu perfektionieren.

Selbst gegen stärkere Gegner bleibt Destiny fair. Die Schüsse der Feinde sind langsamer oder kündigen sich vorher an, wodurch man, mit geschicktem Timing, jeder Attacke ausweichen kann. Mit dem Strafe Jump kann man zudem kurz in der Luft gleiten, um Deckungen zu überhüpfen oder sich schnell aus einem Kampf zurückzuziehen.

Sogar der Sparrow steuert sieht ähnlich gut wie der Ghost aus Halo. Es macht Spaß damit durch die Gegend zu flitzen. Das Balancing der Waffentypen ist auch gelungen. Es werden sowohl Spieler glücklich werden, die im Nahkampf auf hohe Munitionsdichte am Ziel setzen, als auch solche, die lieber aus der Entfernung gezielte Treffer machen.

Rollenspiel Light Light

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Wie es sich für einen MMO-angelehnten Shooter gehört, hat auch Destiny Rollenspiel-Elemente. Von einem Rollenspiel Light zu reden, wäre aber nicht korrekt. Es ist eher ein Light Light (Light). Im Vergleich zu Destiny wirkt Borderlands 2 hochkomplex.

Es stehen drei Charakterklassen zur Auswahl, die sich eigentlich nur durch ihre Spezialfähigkeit unterscheiden. Ab Level 15 wird eine Spezialisierung freigeschaltet – für alle Charakterklassen und auch schon ab Level 1. Beginnt man also mit einem neuen Charakter, kann man von Anfang an die Spezialisierung wählen. Die Unterschiede der Spezialisierungen sind aber auch nur gering.

Durch das Beenden von Missionen und Besiegen von Gegnern steigt das Level. Dabei ist nicht relevant, wie stark oder schwach der Gegner ist. Besiegt man als Level 3-Charakter einen Level 12-Gegner, gibt es 20 Erfahrungspunkte. Besiegt man als Level 12-Charakter einen Level 3-Gegner, sind es ebenfalls 20 Punkte. Dadurch ist es sinnlos sich mit stärkeren Gegnern anzulegen oder Missionen zu starten, die nicht dem eigenen Level entsprechen – man hat so nur Nach- und keine Vorteile.

Steigt man im Level werden nach der Reihe neue aktive und passive Fähigkeiten freigeschaltet. Es gibt keine Verzweigungen, Destiny gibt vor, wann man was machen kann. Immerhin kann man die Fähigkeiten ein wenig anpassen. Bei der Warlock-Klasse kann man etwa wählen, ob man Streugranaten oder zielsuchende Granaten werfen will.

Die Endgame-Monotonie

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Mit Level 20 ist der „Softcap“ erreicht. Ab diesem Punkt steigt das Level nicht mehr durch Erfahrung, sondern durch Gegenstände, die „Licht“ haben. Je seltener und besser die Gegenstände, desto höher das Licht-Level. Ab Level 20 gibt es auch ein minimales Crafting-System. Bestimmte Gegenstände benötigen Materialen, um verbessert werden zu können und mehr Licht zu haben.

Gegenstände mit viel Licht bekommt man auf zwei Arten, wovon beide ähnlich mühsam sind.

Variante 1: Die Händler. Es gibt Händler, die gegen Spezialwährungen gute Ausrüstung verkaufen. Diese Währung verdient man entweder mit Strikes ab Level 20 oder im Schmelztiegel, dem PvP-Modus von Destiny. Wenn man keine Lust auf Team Deathmatch, Domination und Co. hat, bleiben nur die Strikes. In fünf Stunden Strikes der Level 20 und 22, waren es immer dieselben zwei Aufgaben, obwohl vom Spiel ein „zufälliger Strike“ versprochen wird. Fünf Stunden dieselben zwei Levels und selben Bosse. Und die verdiente Währung reichte nicht mal ansatzweise, um einen Gegenstand zu kaufen.

Variante 2: Glück. Egal welchen Gegner man besiegt, es besteht immer die geringe Chance, dass dieser ein „Engram“ (Destiny-Sprache für nicht identifizierter Gegenstand) in den Kategorien Selten, Einzigartig oder Exotisch fallen lässt. Auch am Ende von Strikes gibt es Belohnungen, die sind aber meist nur seltene Gegenstände. Ab Level 22 braucht man aber Einzigartiges, um wirklich weiter zu kommen. Für den derzeitigen einzigen Raid den es gibt, an dem sechs und nicht nur drei Spieler teilnehmen können, muss man Level 26 sein.

In gut 29 Spielstunden habe ich keinen einzigen Unique-Gegenstand gefunden und deshalb die sagenumwobene „Loot Cave“ getestet. Dabei handelt es sich um eine Höhle auf der Erde, in der laufend Gegner spawnen, wenn man sich in der richtigen Distanz dazu befindet. Schießt man zu zweit oder mehrt in die Höhle, sobald sich etwas darin bewegt, haben die Gegner keine Chance rauszukommen. Viele Gegner bedeuten mehr zufällig fallen gelassene Engramme. In 45 Minuten gab es zwei brauchbare seltene Gegenstände, einen einzigartigen Helm und einen exotischen Helm (leider für eine andere Klasse).

Verpasste Chancen

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Mittlerweile hat Bungie die Loot Cave geschlossen, weil dies nicht deren Vorstellung entspreche, wie Destiny gespielt werden sollte. Anscheinend entspricht es aber Bungies Vorstellung, stundenlang dieselbe Strike-Mission, immer wieder und wieder, zu spielen. Wenn es wenigstens verschiedene Missionen währen, aber nach mehreren Stunden dasselbe Level spielen, ohne gute Gegenstände zu finden, ist frustrierend.

Es fehlt die Abwechslung. Warum gibt es zB. nur einen Strike, in dem kurz so etwas wie ein Fahrzeug-Kampf aufkommt? Wieso gibt es keine Sparrow-Rennen oder Strikes die mit Schwertern ausgetragen werden? Wie wäre es mit einer Sniper-Mission gewesen oder einen Boss-Gegner, der in Fallen gelockt werden kann um ihn zu schwächen? Oder ein Zombie-Strike im Finsteren, ein Boss-Fight in Schwerelosigkeit, eine Verfolgungsjagd. Hauptsache irgendetwas anderes als immer dieselben zwei Strikes auf dem Mars.

Dafür, dass Bungie im Vorfeld meinte: „Destiny geht erst ab Level 20 richtig los“ ist viel zu wenig Inhalt da. „Mit Level 20 geht die Monotonie richtig los“ wäre korrekt gewesen. Aber so muss es nicht bleiben. Bungie hat versprochen, dass Destiny eine lange Lebenszeit haben wird und so darf man darauf hoffen, dass neue Strikes und Raids (hoffentlich bald) nachgereicht werden.

Next-Gen Optik

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Die Grafik ist gelungen. Die Umgebung sieht fantastisch aus. Das Setting ist zwar auf Erde, Mond, Venus und Mars immer „Überreste der Zivilisation“, die Liebe zum Detail macht dies aber wett. Die verlassenen Mondbasen und der Flugzeug-Friedhof auf der Erde laden zum Erkunden ein. Der Nachteil der hübschen Levels: Sie sind kleiner, als es die Umgebung vermuten lässt. Es kommt schon mal vor, dass man auf ein Gebäude zuläuft und von einer unsichtbaren Wand gestoppt wird oder mit einem Strafe Jump nicht auf einen Felsvorsprung kommt, weil dieser nicht mehr zum Level gehört.

Die Lichteffekte und Gestaltung der Gegner sind ebenfalls gelungen. Die Feinde und ihre Waffen erinnern oft an Halo, was aber nichts schlechtes ist. Die Soundeffekte sind sehr gut, von den Schussgeräuschen bis zu dem Motorengeräusch des Sparrow, das das schwebende Bike echt wirken lässt. Der Soundtrack ist für Bungie-Verhältnisse, verglichen mit Halo, weniger episch und eher unauffällig.

Fazit

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Destiny ist von außen ein wunderschöner Krapfen. Wohl geformt, genau die richtige Menge Staubzucker und sieht einfach zum Anbeißen aus. Er schmeckt auch gut und mit jedem Bissen steigt die Vorfreude auf die Marmelade. Aber die kommt einfach nicht. Destiny fehlt der Wow-Faktor, es fehlt der Moment, in dem man sich denkt: „Danke für dieses Spiel Bungie“.

Das Shooter-Gameplay ist fantastisch – kein Wunder, nach Halo 1 bis 3 und Reach hat Bungie ja hier reichlich Erfahrung auf diesem Gebiet. Aber die Integration der MMO- und Rollenspiel-Elemente ist kaum gelungen. Destiny kann und wird sich hoffentlich noch weiterentwickeln. Das Grundgerüst steht jedenfalls, jetzt muss Bungie Nachlegen. Krapfen werden auch erst nach dem Frittieren mit Marmelade gefüllt.

Destiny ist für PS4, PS3, Xbox One und Xbox 360 erhältlich. PEGI-Altersempfehlung: 16 Jahre

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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