© Cliffhanger Productions

Österreich

“Manche Free-to-Play-Spiele grenzen an Erpressung”

Der Free-to-Play-Markt boomt, die erfolgreichsten Titel setzen jährlich dreistellige Millionenbeträge um. So verdienten Tencent und Smile Games allein im Vorjahr mit dem Online-Shooter CrossFire 957 Millionen US-Dollar, dicht gefolgt vom MOBA League of Legends, das 624 Millionen US-Dollar mit Mikrotransaktionen erwirtschaftete. Das Konzept ist simpel: Das Grundspiel ist kostenlos, zusätzliche Inhalte wie Charaktere oder Waffen lassen sich mit einer hart erkämpften In-Game-Währung oder echtem Geld kaufen. Viele Vollpreistitel, beispielsweise Team Fortress 2 oder Star Wars: The Old Republic, stellten auf das Free-to-Play-Prinzip um und vervielfachten so ihre Umsätze.

So wagte sich auch der österreichische Spiele-Entwickler Cliffhanger im Mai mit Ærena auf diesen lukrativen, aber hart umkämpften Markt. Der Titel, der für Windows, Mac, Android und iOS erschienen ist, gilt als “Mischung aus League of Legends und Schach.” Der Spieler steuert drei Helden, die über ein in Quadrate aufgeteiltes Spielfeld wandern und das gegnerische Schiff ausschalten müssen. Obwohl das Spiel rundenbasiert ist, setzen das Zeitlimit und die große Zahl an Möglichkeiten den Spieler stark unter Druck.

Nach einem halben Jahr kommt nun aber der Richtungswechsel. “Wir haben gemerkt, dass viele Spieler Free-to-Play doof finden. Manche wollen für das Spiel einfach einmal bezahlen und sich dann keine Sorgen mehr machen müssen, dass sie wieder Geld ausgeben müssen”, so Cliffhanger-Mitbegründer Jan Wagner im Gespräch mit der futurezone. Mitte Jänner erscheint deswegen eine Master Edition auf Steam, die das Spiel von allen Free-to-Play-Mechaniken befreit. Die kostenlose Version wird weiterhin erhalten bleiben, die Spieler erhalten künftig aber die Wahl.

Der Preis steht noch nicht fest, die Spieler sollen jedoch im Vergleich zum einzelnen Kauf der Inhalte deutlich günstiger aussteigen. Man rechnet zwar mit Verwirrung durch das neue Angebot, das soll sich aber rasch legen. “Die Community hält das aus”, gibt sich Wagner sicher. “Es sind im Grunde genommen einfach künftig zwei Wege, an das gleiche Spielvergnügen zu kommen. Die Free-Player haben Zugriff auf den gesamten Content, sie müssen nur für Extras bezahlen.”

Ohne Marketing

Auf ein “Pay-to-Win”-Prinzip setze man ohnedies nicht, alle Charaktere lassen sich mit etwas Geduld auch kostenlos erspielen. “Viele in den Top-Ranks haben keinen einzigen Cent ausgegeben”, hebt Wagner hervor. Andere Free-to-Play-Titel locken Spieler mit einem einfachen Einstieg, sind aber später ohne Investitionen unspielbar. Heftige Kritik an diesen Mechanismen führte unter anderem dazu, dass Apple die Bezeichnung “Gratis” von Apps und Spielen mit In-App-Käufen strich. Auch die US-Serie South Park widmete sich kürzlich in der Folge “Freemium isn’t free” diesem Thema. “Manche Free-to-Play-Techniken in anderen Spielen grenzen ja an Erpressung.”

Auf den aggressiven Wettbewerb mit großen Anbietern will man sich nicht einlassen: “Wir betreiben gar kein Marketing. Andere Hersteller geben mehr Geld aus, um einen Spieler zu gewinnen, als sie letztendlich mit ihnen verdienen. Da geht es nur darum, andere Mitbewerber aus dem Markt zu verdrängen.” Der Erfolg ist dennoch groß, das Spiel wurde seit dem Start mehr als 400.000 Mal heruntergeladen. Über den Tag sind stets rund 2000 Spieler online, davon viele aus den USA, Japan, China und Korea. Vor allem der Erfolg im hart umkämpften asiatischen Markt freut die Entwickler. Mit regelmäßigen Turnieren soll das Wachstum der aktiven Community vorangetrieben werden, auch mit der eSports-Liga ESL werden derzeit Gespräche geführt.

Arbeiten an Shadowrun Online

Das Universum von Ærena wurde von Cliffhanger selbst entwickelt. “Wir haben zeitweise vielleicht sogar mehr Hintergrund entwickelt als tatsächlich notwendig war”, so Wagner. Ein Nachfolger oder ein RPG-Ableger im Ærena-Universum sei denkbar, konkrete Pläne gibt es aber noch nicht. Zunächst muss einmal Shadowrun Online fertiggestellt werden. Der Kickstarter-Erfolg von Cliffhanger - man konnte mehr als 550.000 US-Dollar einnehmen - ist bereits seit zwei Jahren in Entwicklung und seit Ende März auf Steam als Early Access-Version verfügbar.

Leider war vielen der ursprünglichen Unterstützer und Käufer auf Steam nicht klar, dass sich der Titel noch in Entwicklung befand, sodass sich mittlerweile einige negative Bewertungen angesammelt haben. Diese Kritik hat man sich aber nun zu Herzen genommen und plant einen Richtungswechsel: “Wir haben kürzlich einen Kassensturz gemacht und befinden uns seit einigen Wochen in einer Umbauphase.” Das Spiel soll nun stärker als RPG positioniert werden. Das “Risiko Early Access” würde man wieder eingehen, beim nächsten Mal aber mit einem “stabileren Projekt.”

Der österreichischen Szene stellt Wagner, der internationale Erfolge als Producer von Gothic oder Spellforce feiern konnte, ein gutes Zeugnis aus: “Es ist in den letzten drei bis vier Jahren viel besser geworden. In Österreich gibt es sehr gute Förderungen und Ausbildungsmöglichkeiten, außerdem ist die Szene hier sehr lebendig. Leider fehlt aber ein Heimatmarkt wie in Deutschland, deswegen muss man fast einen internationalen Erfolg landen.”

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Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

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