Mittelerde: Mordors Schatten
Mittelerde: Mordors Schatten
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Mittelerde Mordors Schatten: Herr der Ringe trifft Batman

Mittelerde Mordors Schatten: Herr der Ringe trifft Batman

Ratlûg Sturmbringer ist ein Dreckss******. In den ersten Spielstunden, als ich noch ein unschuldiger, unerfahrener Waldläufer war, hat er mich gleich mehrmals getötet und verjagt. Nicht, dass er um so viel stärker gewesen wäre. Das erste Mal hatte er Glück, die Siege zwei bis vier sind seiner Fähigkeit Verstärkung zu rufen zu verdanken.

Doch mit jedem meiner Tode, egal ob er oder einer seiner Uruk-Kollegen der Vollstrecker war, stieg Ratlûg im Level. Seine Schwächen wurden zu Stärken. Noch bevor ich überhaupt ein Drittel der gut 25 Stunden Spielzeit erreicht hatte, hatte ich einen Erzfeind mit Level 20 – stärker als jeder andere Feind oder Boss. Doch dann hat mich der Pi**** einmal zu viel verhöhnt. Einmal zu oft hat er sich in einen meiner Aufträge eingemischt. Die Jagd ist eröffnet. Ich beobachte ihn aus den Schatten heraus und suche einen guten Platz für einen Hinterhalt. Ich lasse mich von ihm entdecken, er stürmt mir nach - genau in die Falle. Ein gezielter Pfeil ins Lagefeuer und seine einzige Schwäche ereilt ihn: „Angst vor Verbrennen“.

Mit Furcht erfülltem Gesicht flüchtet er, schneller als ihm seine Gefolgsleute zu Hilfe eilen können. Aber er ist nicht schneller als ich. Er stolpert, steckt ein paar Schwerthiebe ein. Sein hohes Level machen ihn robust, die Furcht verhindert aber, dass er die starken Angriffe abwehren kann. Nach ein paar weiteren, erfolglosen Fluchtversuchen ist seine Energieleiste schließlich erschöpft. Er wimmert noch irgendwas von wegen „blablabla, du kannst uns nicht alle kriegen“ bevor das Schwert seinen Uruk-Körper ein letztes Mal durchbohrt. Ratlûg war ein stinkender ****** Ork – doch jetzt ist er mein größter Triumph. Ich hoffe Ratten werden ihm das hässliche Gesicht von seiner Leiche abnagen.

Die futurezone hat die PS4-Version von Mittelerde: Mordors Schatten (PS4,PS3, Xbox One, Xbox 360, PC, ab 18 Jahre) getestet.

Mittelerde statt Herr der Ringe

Mit Spielen in Tolkiens Herr-der-Ringe-Universum ist es ein Auf und Ab. Wie bei vielen Games auf Basis von Filmlizenzen überwiegen meist die mäßig und schlechten Titel. Laut dem Publisher trägt das Spiel den Namen „Mittelerde“, da es nicht direkt mit der Handlung von „ Herr der Ringe“ oder „der Hobbit“ zu tun hat. Es ist aber durchaus denkbar, dass das neue Game so heißt, um nicht gleich mit einigen der missglückten „Herr der Ringe“-Spiele in einen Topf geworfen zu werden.

Der Spieler übernimmt die Rolle von Talion, einem Waldläufer, der das Schwarze Tor bewacht. Gleich zu Beginn wird er von Saurons Schergen getötet. Um die Boshaftigkeit des Unterfangens zu unterstreichen, wird vor seinen Augen noch Frau und Sohn die Kehle durchgeschnitten. Im Gegensatz zu seiner Familie erwacht Talion wieder in Mordor. Ein Geist erklärt ihm, dass seine untote Lage das Resultat eines Fluchs ist, der nur durch das Bezwingen von Saurons Stellvertreter gebrochen werden kann.

Durch die gute deutsche Synchronisation und bekannte Charaktere aus Tolkiens Fantasy-Welt, ist die Handlung durchaus ansprechend. Sie wird im weiterem Spielverlauf allerdings ein Opfer des Open-World-Gameplays. Da man seine eigenen Ziele (und Erzfeinde) verfolgt, geht die Hauptgeschichte ein wenig unter. Das zeigt aber auch, dass das Open-World-Gameplay funktioniert und dem Spieler genügend Freiraum lässt.

Guerilla-Kämpfer

Mordor ist in die Hände der Uruks (= Elite-Orks) von Sauron gefallen. Der Spieler agiert als Guerilla-Kämpfer hinter feindlichen Linien. Die Landschaft des ersten Gebiets ist eher eintönig, die Festungen der Orks sehen sich zum Verwechseln ähnlich. Im zweiten Gebiet wird es besser, dieses taucht aber erst in der zweiten Hälfte des Spiels auf.

Die Orks patrouillieren in der Gegend, quälen ihre Sklaven, kämpfen gegen die örtliche Fauna oder besaufen sich mit Grog am Lagerfeuer. Neben den Hauptmissionen gibt es Nebenaufträge, Sammelgegenstände und freischaltbare Schnellreisepunkte.

Loser mit Schwert

Mittelerde: Mordors Schatten

Am Anfang ist man überwältig von der Welt und der noch unübersichtlichen Karte und weiß nicht so recht, was man zuerst, bzw. was man überhaupt tun soll. Gefährlich wird es, wenn nach den ersten, schnell besiegten Orks der Übermut hinzukommt.

Überall in der Welt sind nämlich zufällig generierte Hauptmänner verteilt, die stärker sind als das normale Uruk-Fußvolk. In der Geister-Ansicht kann man sie zwar noch aus sicherer Entfernung erspähen, doch wenn man auf der Flucht ist oder einfach nicht aufpasst, läuft man schon mal in einen Hauptmann hinein – oder gleich in mehrere.

Da man viele der für den Kampf gegen die Hauptmänner nötigen Eigenschaften am Anfang noch nicht hat, ist man anfangs nur ein Loser mit Schwert. Wer nicht flüchtet stirbt und wer flüchtet, stirbt einfach nur ein paar Minuten später.

Die Ork-Camorra

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Im Gegensatz zu vielen anderen Spielen hat der Tod Auswirkungen. Wie bei der Mafia haben die Orks eine Hierarchie. Ganz oben stehen fünf Häuptlinge, dann folgen Hauptmänner und Soldaten. Stirbt man, steigt der Killer im Erfahrungslevel, sowie die Orks, vor denen man geflüchtet ist. Einige werden auch befördert und klettern in der Hierarchie noch oben.

Gleichzeitig vergeht mit jedem Tod Zeit, in der die Uruks ihre Machtkämpfe untereinander austragen. Mit den eigenen Toden werden so indirekt Orks gefördert. Selbst wenn man zwischen zwei Toden nicht gegen den Erzfreind gekämpft hat, kann es sein, dass dieser in einem Machtkampf erfolgreich war und dadurch sein Level steigt und eine Schwäche zu einer Stärke wird. Besteht ein Ork etwa eine Machtprobe, bei der er einen Caragor tötet, bekommt er möglicherweise die Fähigkeit „Monsterschlächter“. Greift man ihn das nächste Mal auf einem Caragor reitend an, macht er kurzen Prozess mit der Bestie.

Welche Stärken und Schwächen ein Uruk-Hauptmann hat, muss man erst rausfinden. Ganz im Stil der Mafia gibt es ein paar Orks, die Informationen preisgeben, wenn man sie darum bittet - mit einem Dolch an ihrer Kehle. Diese Informationen können entscheidend sein. Kennt man nicht die Schwachstellen der Hauptmänner, kann man nicht die Taktik anpassen. In meinem Spiel gab es etwa einen Level 18 Hauptmann, der gegen jede Fähigkeit und Attacke immun ist – bis auf Schleichangriffe. Weiß man das nicht, kann man stundenlang auf ihn einhauen, ohne, dass dieser eine Reaktion zeigt.

Spiel im Spiel

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Der Spieler kann sich in Machtkämpfe der Orks einmischen. Anfangs macht man das hauptsächlich, um zu verhindern, dass die Orks stärker werden. Es besteht dabei aber natürlich immer die Gefahr, dass man bei der Aktion drauf geht und dadurch die Orks erst recht stärkt.

Etwa nach der Hälfte des Spiels kommt eine neue Komponente hinzu. Hat man die Orks vorher einfach getötet, kann man sie jetzt kontrollieren. Kontrollierte Orks aus dem normalen Fußvolk verschwinden irgendwann, aber Hauptmänner und Häuptlinge bleiben unter der Kontrolle.

Den Untergebenen kann befohlen werden einen anderen Hauptmann anzugreifen, damit er in der Hierarchie aufzusteigt. Oder man benutzt den kontrollierten Ork, damit man einen Verbündeten im Kampf gegen einen bestimmten Hauptmann hat. Unterstützt man die kontrollierten Orks in Machtproben, steigen sie ebenfalls im Level und werden so zu schlagkräftigen Verbündeten.

Nachdem man mehr als zehn Stunden einfach alle Orks getötet hat, bringt das Kontrollsystem frischen Wind ins Gameplay. Seine Schützlinge zu Häuptlingen machen, versuchen möglichst viele Orks zu beherrschen anstatt sie zu töten und sie gegeneinander aufzuhetzen, wirkt wie ein Spiel im eigentlichen Spiel.

Batman in Mordor

Mittelerde: Mordors Schatten

Das Kampfsystem von Mordors Schatten erinnert an die Batman-Arkham-Serie. Das Um und Auf ist das rechtzeitige Kontern, wenn das Tastensymbol über den Kopf eines Orks aufleuchtet. Wer nicht kontert verliert die Kämpfe gegen die zahlenmäßig überlegenen Orks.

Bestimmte Gegner können nur von hinten angegriffen werden, oder wenn sie betäubt sind. Mit gelandeten Trefferserien lädt sich die Kombo-Anzeige auf. Beginnt das Schwert zu leuchten, ist ein Instant-Kill oder ein anderer starker Move ausführbar. Auch das will beherrscht werden, da es Kämpfe deutlich vereinfacht und manche Hauptmänner nur mit solchen Attacken zu besiegen sind.

Während zu Beginn noch jedes Gefecht ein verzweifelter Kampf ums Überleben ist, werden die Auseinandersetzungen mit neuen Fähigkeiten einfacher, eleganter und hübscher anzusehen. Da man auch nicht mehr so oft flüchten muss, bringt einen die Kameraführung seltener in Schwierigkeiten.

Assassins Creed in Mittelerde

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Die Alternative zum offenen Kampf ist schleichen. Ähnlich wie in Assassins Creed kann Talion mit Leichtigkeit Ruinen, Felsen und Festungen emporklettern und sich in Büschen verstecken. Orks können angelockt werden, um sie etwa am Vorsprung hangelnd zu erledigen oder um sich von oben auf sie herab zu stürzen.

Neben der Schleich-Tötung kann ein Ork besonders blutig ausgeschaltet werden, um seine Artgenossen in der Nähe in die Flucht zu schlagen. Auch das hinterhältige Kontrollieren eines Uruks ist möglich.

Wer nicht so nah an die Grünhäute ran will, kann den Bogen einsetzen. Dieser ist zu Spielbeginn noch relativ unbrauchbar, wird aber durch neue Fähigkeiten und Upgrades stärker und lässt sich später sinnvoller einsetzen. Schwert, Dolch und Bogen können zudem mit Runen ausgestattet werden, um Boni zu verhalten. Die Runen werden von getöteten Hauptmännern und Häuptlingen fallen gelassen. Je stärker der besiegte Gegner, desto besser die Rune.

Mittelerde: Mordors Schatten

Fazit

Um das Spiel mit 100 Prozent zu erledigen, benötigt man gut 25 Stunden. Nur die Hauptstory wäre wahrscheinlich in unter 13 Stunden zu erledigen – in dem Fall bringt man sich aber selbst um viel Spielspaß.

Die ersten paar Stunden muss man durchbeißen, da sie absichtlich schwer sind, damit ein Erzfeind für den Spieler erschafft werden kann. Danach steigert sich Mordors Schatten (und der Spielspaß) kontinuierlich. Mit dem Kontrollsystem wird das Game an einer Stelle besser, an der bei anderen Titeln schon die Schlusscredits über den Flat-TV rollen.

Aber nicht nur dieses System macht das Game spannend. Durch die zufallsgenerierten Hauptmänner, die sich unerwartet in Missionen einmischen, weil sie gerade zufällig in der Gegend waren, können selbst einfach geglaubte Kämpfe unberechenbar werden. Das lässt Mordors Schatten dynamischer wirken und macht es letztlich um einiges interessanter, als andere Open-World-Action-Games.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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Gregor Gruber

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