© Dr. Leonora Schwarz/pixelio.de

Wissenschaft & Blödsinn

Das Goldene Brett für Homöopathen ohne Grenzen

Wissenschaft und Blödsinn sind nicht für jeden ganz leicht auseinanderzuhalten. Manche wissenschaftliche Tatsache klingt so abenteuerlich, dass man sie fast für Spinnerei halten könnte, und noch viel öfter geschieht es, dass unwissenschaftlicher Blödsinn als echtes Wissen getarnt wird. Wunderheiler verkaufen wirkungslose Wunderkuren, Astrologen blicken für uns in die Zukunft, Gurus bringen uns in Kontakt mit kosmischen Einhörnern. Nichts ist so absurd, dass nicht irgendjemand damit Geld verdienen würde.

Bereits zum dritten Mal wurde daher am Freitag das „Goldene Brett vorm Kopf“ vergeben – ein Preis, mit dem die Gesellschaft für Kritisches Denken (die Wiener Regionalgruppe der internationalen Skeptikerorganisation GWUP) die Verbreitung von besonders haarsträubendem Unfug prämiert. Hunderte Nominierungen wurden eingereicht, die Entscheidung fiel der Jury nicht leicht. Der Preis ging diesmal an die „Homöopathen ohne Grenzen“, die in die Krisengebiete der Erde fahren um dort Katastrophenopfer homöopathisch zu behandeln und lokalen Homöopathen-Nachwuchs auszubilden. Das ist ein guter Anlass, hier einen wissenschaftlichen Blick auf die Homöopathie zu werfen.

Verdünnen, bis nichts mehr da ist

Homöopathie klingt ja nach einer netten Sache: Man schluckt Zuckerkügelchen und spürt keinerlei Nebenwirkungen. Das Problem daran ist nur: Sie ist nicht nur nebenwirkungsfrei, sie wirkt gar nicht. Homöopathische Hochpotenzen, wie man sie heute in jeder Apotheke bekommt, enthalten aller statistischen Wahrscheinlichkeit nach kein einziges Wirkstoffmolekül. Die Ausgangssubstanz wird in der Homöopathie so lange verdünnt, bis nichts mehr von ihr da ist.

Angeblich wird dabei irgendeine „Information“ vom Wirkstoff auf die Trägersubstanz (meist Wasser) übertragen. Diese Theorie widerspricht aber allem, was wir über die Natur wissen. In Wasser können sich zwar Moleküle zu „Clustern“ zusammenfügen und somit theoretisch Information speichern – allerdings nur für winzige Bruchteile einer Sekunde. Wasser hat kein Gedächtnis, die Physik kennt keinerlei Hinweise, dass ein solcher Mechanismus existiert.

Oft wird Homöopathie mit Naturheilkunde verwechselt, doch das ist ein Irrtum. Die Naturheilkunde verwendet echte Wirkstoffe, die aus natürlichen Rohstoffen gewonnen werden – das ist sinnvoll. Die Homöopathie verwendet wirkstofffreie Hochpotenzen – kein Wunder, dass sie sich in wissenschaftlich sauberen Studien immer wieder als wirkungslos herausgestellt hat.

Homöopathie ist nicht die Anwendung uralten Erfahrungswissens, die Ausganssubstanz wird nach völlig unwissenschaftlichen Methoden ausgewählt. Gleiches soll mit Gleichem behandelt werden: Um Kopfschmerzen zu heilen nimmt man also eine Substanz, die normalerweise Kopfschmerz auslöst und verdünnt sie homöopathisch. Diese Regel wurde vom Homöopathie-Urvater Samuel Hahnemann einfach erfunden und lässt sich rational durch nichts begründen.

Ist das denn schlimm?

Nun könnte man sagen: Das macht doch alles nichts! Wenn die Leute meinen, es geht ihnen besser, dann sollen sie doch homöopathische Präparate schlucken! Schließlich gibt es denn Placebo-Effekt: Wenn man daran glaubt, ein wirksames Medikament eingenommen zu haben, dann ändert sich die innere Einstellung, man wird optimistischer und fühlt sich besser. Ist doch gut so!

Doch so einfach ist es nicht: Wirkungslose Medizin, die als wirksame Heilmethode verkauft wird, kann nämlich auch gefährlich sein. Oft genug ist es schon vorgekommen, dass Leute wichtige, lebensrettende Behandlungen abgelehnt haben, weil sie dachten, sie seien mit der „alternativen Heilmethode“ ohnehin gut versorgt. Unverzichtbare Vorsorge, etwa Malariatabletten, werden abgelehnt – man hat ja die homöopathischen Zuckerkügelchen dabei.

Gefährliches Exportprodukt

In Mitteleuropa wird Homöopathie oft ergänzend zu echter, wissenschaftlicher Medizin eingesetzt. Das mag sinnlos sein, es richtet aber nicht unbedingt Schaden an. Exportiert man solche Gedankenkonstrukte allerdings in Krisenregionen mit schlechtem Bildungsniveau und unzureichender medizinischer Versorgung, so wie die Homöopathen ohne Grenzen das tun, dann bringt man tatsächlich Leute in Gefahr. Katastrophenopfer in Krisengebieten brauchen keine Zuckerkügelchen, sie brauchen echte Medizin, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht.

Also: Wenn Sie unbedingt das Wirkprinzip der Homöopathie in Krisengebieten testen wollen, dann können Sie ja vorerst mal selbst versuchen, homöopathisch verdünntes Meerwasser gegen die Auswirkung von Tsunamis zu verwenden, homöopathisch verdünnte Erde um sich vor Muren zu schützen, und hochpotenziertes Blei gegen Gewehrkugeln von Plünderern – das hätte alles genau dieselbe Logik wie die Präparate, die tatsächlich verkauft werden. Aber bitte: Belästigen Sie damit keine notleidenden Menschen, die tatsächlich Hilfe brauchen.

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen schreibt er jeden zweiten Dienstag in der futurezone.

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Florian Aigner

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen, schreibt er regelmäßig auf futurezone.at und in der Tageszeitung KURIER.

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