Der größte Unfug des Jahres
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Es gibt jede Menge Unfug auf der Welt. Gutbezahlte Wunderheiler knöpfen leichtgläubigen Patienten Geld ab, phantasievolle Verschwörungstheoretiker vergrößern auf Kosten verängstigter Menschen ihr Ego. Über esoterischen Unfug habe ich schon oft geschrieben - von Heilkristallen bis zu belebtem Wasser, von bedrohlichen Chemtrails bis zu den Reptilien-Aliens, die angeblich im Geheimen die Weltherrschaft an sich reißen.
Nun ist es wieder Zeit, den größten antiwissenschaftlichen Blödsinn auszuzeichnen. Am 21. Oktober wird in der Wiener Urania das Goldene Brett vorm Kopf vergeben – an Personen oder Institutionen, die durch haarsträubende, skurrile, pseudowissenschaftliche Aussagen und Aktionen aufgefallen sind. Seit 21. September werden auf der Webseite www.goldenesbrett.guru Nominierungen gesammelt, bis 9. Oktober können Sie noch ihre persönlichen Favoriten vorschlagen. Aber schon jetzt lohnt es sich, einen Blick auf einige der bisher nominierten Brett-Kandidaten zu werfen.
Klimaleugner und Verschwörungen
Interessanterweise ist diesmal ein Thema sehr häufig vertreten, das man normalerweise nicht zum Esoterik-Bereich zählt: Der Klimawandel. Jahrelang hat man in Europa über US-Politiker gelacht, die ohne wissenschaftliche Argumente den menschlichen Einfluss auf das Klima abstritten. Diese Klimaleugnerei scheint nun auch zu uns zu schwappen. Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es praktisch keinen Zweifel daran, dass der vom Menschen verursachte CO2-Ausstoß katastrophale Konsequenzen für das Weltklima haben kann. Manche FPÖ-Politiker sind da aber anderer Meinung - insbesondere die Umweltsprecherin Susanne Winter. Ist das vielleicht ein Goldenes Brett wert?
Nominiert wurde auch das „Zentrum für Gesundheit“. Hinter diesem sehr vernünftig klingenden Namen verbirgt sich eine Organisation, die merkwürdige Verschwörungstheorien verbreitet: Die Regierung, so wird etwa behauptet, mischt gefährliches Fluorid ins Trinkwasser, um das Volk zu verdummen. Manchmal fände ich es ja fast beruhigend, für die tatsächlich fortschreitende Volksverdummung wenigstens eine verschwörungstheoretische Erklärung zu haben.
Auch Firmen, die recht merkwürdige Geräte verkaufen, finden sich auf der Liste der Nominierten – etwa Aquapol, deren Geräte angeblich mittels „Raumenergie“ nasse Kellerwände entfeuchten können. Auch die Firma Gaia wurde genannt, dort kann man Auftriebskraftwerke kaufen, die angeblich ohne Ressourcenbedarf mehr Strom erzeugen als sie benötigen. Den Physiknobelpreis oder das Goldene Brett – eines von beiden hat sich Gaia auf jeden Fall verdient.
Impfen und Gesundheit
Eine immer wieder gerne nominierte Kandidatin ist auch Barbara Steffens, die Gesundheitsministerin des Landes Nordrhein-Westfalen. Sie findet Alternativmedizin ganz toll, ist allerdings der Meinung, dass man sie nicht nach den üblichen Wirksamkeitskriterien beurteilen darf. Aber wonach dann? Das ist, als würde ein Fußballfan erklären, seine Mannschaft sei die allerbeste, nur dürfe man sie eben nicht gegen andere Mannschaften antreten lassen, weil das schulmathematische Torezählen irgendwie nicht ganzheitlich genug ist.
Mehrfach nominiert wurde auch Stefan Lanka, der mit einer merkwürdigen Gerichtsverhandlung bekannt wurde. Lanka glaubt nicht an Infektionskrankheiten und ist überzeugter Impfgegner. 2011 versprach er einen Preis von 100.000 Euro für den Nachweis des Masernvirus. Für den Mediziner David Bardens klang das nach leicht verdientem Geld. Er legte wissenschaftliche Publikationen dazu vor, die keinen Zweifel an der Existenz des Virus lassen. Lanka wollte diese Beweise allerdings nicht anerkennen, woraufhin Bardens das Geld vor Gericht einklagte – nicht um es selbst zu behalten, sondern um öffentlich aufzuzeigen, dass die Behauptungen der wachsenden Impfgegner-Community wissenschaftlich völlig haltlos sind. Bardens gewann den Prozess, und Stefan Lanka musste zahlen. Merkwürdige Verschwörungstheorien über Infektionen und das Impfen verbreiten sich im Internet aber leider nach wie vor.
Der ehemalige Ingenieur Jim Humble hat eine Nominierung wohl alleine schon durch seinen kreativen Umgang mit Titeln verdient: Sich selbst ernannte er zum Bischof, wenn man ihm Geld zahlt, kann man bei ihm mit sehr wenig Aufwand „Minister of Health“ oder auch „Reverend Doctor“ werden. Im deutschsprachigen Raum wurde er mit seinem Wundermittel MMS bekannt. Es gibt zwar keine wissenschaftlichen Hinweise darauf, dass dieses Nahrungsergänzungsmittel irgendeinen positiven Nutzen hat, Humble behauptet aber, damit AIDS, Krebs, Malaria und sonst noch allerlei heilen zu können.
Der österreichische Kabarettist Roland Düringer hat sich vom motorbegeisterten Benzinbruder zum alternativ-Öko mit Zöpfchenbart gewandelt. Das kann man ja grundsätzlich durchaus erfreulich finden, doch leider verbreitet auch er nun auch recht merkwürdige Thesen. Impfen findet er gar nicht gut, der Homöopathie hingegen vertraut er umso mehr. Sie wirkt nämlich mit Information, erklärt Düringer, und die Wirkung von Information merkt man ja schon daran, dass Telefongespräche einen Einfluss auf Menschen haben können. Dieser schlagkräftigen Argumentation ist wenig entgegenzusetzen. Wo bekomme ich nun einen homöopathischen Handyvertrag?
Fehlgeleitete Wissenschaft
Für Aufregung sorgte auch der Verein deutscher Wissenschaftler (VDW), der einen Whistleblower-Preis vergab, und zwar an den Gentechnik-Gegner Gilles-Eric Séralini. Das wäre für sich genommen weder schlecht noch ungewöhnlich – wenn er tatsächlich irgendetwas aufgedeckt hätte. Séralini veröffentlichte eine Studie, in der er angeblich zeigte, dass gentechnisch veränderter Mais und das Herbizid Roundup der Firma Monsanto krebserregend sind. Allerdings stellte sich die Studie als wissenschaftlich höchst fehlerhaft heraus. Man warf Séralini vor, er habe die Methodik so gewählt, dass die Studie genau das gewünschte Ergebnis liefern musste. Die Arbeit wurde daher schließlich zurückgezogen.
Wer angesichts all diese würdigen Nominierten den Kopf schüttelt und sich fragt, warum Esoterik noch immer nicht ausgestorben ist, findet vielleicht im Buch von Margarete Sennekamp eine Antwort. Sie schrieb nämlich über „Spirituelle Empfängnisverhütung“. Jede Frau besitzt die Fähigkeit, rein geistig zu verhüten, erklärt Sennekamp. Und wenn es nicht klappt, dann hat man wohl nicht fest genug daran geglaubt und einen potenziellen Kunden für die Zukunft produziert. Was soll an diesem Geschäftsmodell noch schiefgehen!
Was meinen Sie? Wer ist Ihr Favorit? Vielleicht haben Sie noch ganz andere Vorschläge? Bis 9. Oktober können Sie Ihre Lieblings-Brettkandidaten noch auf goldenesbrett.guru einreichen. Dort finden Sie auch die vollständige Liste der bisher vorgeschlagenen Personen. Noch ist alles möglich!
Aus der Liste werden dann von einer Jury drei würdige Kandidaten ausgewählt, einer von ihnen wird dann am 21. Oktober mit dem Goldenen Brett ausgezeichnet. Wir dürfen gespannt sein – ich hoffe, wir sehen uns dort!
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