Geo-Engineering: Der Schnitt ins eigene Klima
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Leonid Rogosow hatte keine andere Wahl: Er nahm ein Skalpell und schnitt seinen eigenen Bauch auf. Es war das Jahr 1961, Rogosow war der einzige Arzt unter den Teilnehmern einer sowjetischen Antarktismission und litt an einer akuten Blinddarmentzündung. Mit Antibiotika alleine war das Problem nicht mehr zu lösen. Hilfe von außen war unerreichbar, er musste sich also selbst operieren. Rogosow konnte kaum sehen was er tat, er tastete vorsichtig im eigenen Bauch herum, in der Hoffnung, den Blinddarm zu finden und dabei nicht noch größeren Schaden anzurichten.
An diese Geschichte fühle ich mich erinnert, wenn ich über die Zukunft des Weltklimas nachdenke. Kein Zweifel: Der Klimawandel ist da. Wir müssen unseren CO2-Ausstoß mit aller Kraft reduzieren, aber das alleine wird unser Problem nicht lösen. So wie es aussieht, müssen wir die Sache selbst in die Hand nehmen. Um das Schlimmste zu verhindern müssen wir gezielt in das Klima unseres eigenen Planeten eingreifen. Das ist gefährlich, wir können noch nicht genau sehen, was wir damit anrichten, aber es ist wohl unsere einzige Chance.
Die Sonne verdunkeln?
Eine Möglichkeit wäre, die Sonne künstlich zu verdunkeln, um die Auswirkungen des Treibhauseffekts auszugleichen. Gewaltige Sonnensegel im Weltraum könnten unseren Planeten abkühlen, aber das erscheint eher unrealistisch. Billiger wäre es, Partikel in der Stratosphäre zu verteilen, die einen Teil der Sonneneinstrahlung in den Weltraum zurückschicken. Welche Nebenwirkungen so eine drastische Maßnahme mit sich bringt, kann allerdings niemand mit Sicherheit sagen. Außerdem handelt sich dabei bloß um Symptombekämpfung, denn die CO2-Konzentration in der Atmosphäre bliebe dabei gleich.
Ein anderer Vorschlag ist, den Ozean mit Eisen zu düngen. Damit könnte man eine gewaltige Algenblüte auslösen, die Algen würden CO2 aus der Luft aufnehmen und den Kohlenstoff in Form von Biomasse binden. Im besten Fall würde ein großer Teil dieses Kohlenstoffs auf den Meeresgrund sinken und dort liegenbleiben.
Eine originelle Antwort auf die Frage, was man gegen den Klimawandel tun kann, hatte Obamas Energieminister Steven Chu: „Streichen Sie Ihr Hausdach weiß!“ Das klingt vielleicht wie ein blöder Witz, aber Steven Chu ist Physik-Nobelpreisträger und wusste genau, was er da sagt. Tatsächlich reflektieren weiße Flächen einen größeren Anteil des Sonnenlichts, und das kann dazu beitragen, unseren Planeten kühl zu halten.
Es gibt auch Pläne für sogenannte „künstliche Bäume“, die mit Hilfe chemischer Reaktionen größere Mengen CO2 aus der Luft holen und speichern können. Dafür muss man allerdings Energie aufwenden. Auch beim Verbrennen von Biomasse kann man das dabei anfallende CO2 speichern. Die große Frage ist aber: Was machen wir mit dem gespeicherten CO2? Man könnte es tief in die Erde pumpen und hoffen, dass es dort bleibt. Die Chancen dafür scheinen ganz gut zu sein, wenn man etwa alte Erdgaslagerstätten für diesen Zweck nutzt. Mit Sicherheit können wir es aber nicht wissen – daher werden solche Kohlenstoffspeicher-Pläne auch heftig kritisiert.
Erst forschen, dann handeln
Niemand weiß genau, welche Kettenreaktionen wir auslösen, wenn wir Algenblüten verursachen, reflektierende Partikel in die Stratosphäre transportieren oder CO2 tief in den Boden pumpen – und das ist beängstigend. Das Problem ist nur: Wir können uns nicht mehr zurücklehnen, und hoffen, dass sich das Weltklima irgendwie selbst in Ordnung bringt. Diesen Zeitpunkt haben wir verpasst. Wir haben das Klima aus dem Gleichgewicht geboxt, jetzt müssen wir es irgendwie wieder auffangen.
Das Beste was wir momentan tun können ist wohl, mit aller Kraft den CO2-Ausstoß zu verringern und möglichst viel in Klimaforschung zu investieren. Wenn es dann notwendig wird, globale, klimaverändernde Maßnahmen zu setzen, sollten wir wenigstens vorher möglichst gut verstanden haben, was wir damit anrichten. Nur gesichertes Wissen kann uns retten.
So war es im Übrigen auch bei Leonid Rogosow in der Antarktis. Ihm gelang es tatsächlich, den entzündeten Blinddarmfortsatz zu entfernen und die Wunde zu verschließen. Zwei Wochen später konnte er seine Aufgaben bei der Expedition wieder voll aufnehmen. Zum Glück hatte er Medizin studiert und wusste genau, was er tat. Hätte er ohne solides Expertenwissen in Panik in seinem Bauch herumgeschnippelt, wäre er aus der Antarktis wohl nie wieder nach Hause zurückgekehrt.
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