Unsere Kultur des Neides
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Steve Jobs trat bei seinen Präsentationen immer im grauen Rollkragen-Pullover auf, Ex-Microsoft-CEO Steve Balmer in einem blauen Hemd oder Pullover darüber und auch andere CEOs amerikanischer Hightech-Unternehmen sind eher leger gekleidet und nicht, so wie bei uns, in einen Anzug mit Krawatte gesteckt. Kleider machen nicht immer Leute, vor allem nicht in den USA, dort gab man mir aber dennoch einen „Rat“ – weiße Hemden sollte man im Silicon Valley nicht anziehen – weiß sei ein Zeichen für Langeweile. Und auf Sakkos könne man auch die meiste Zeit verzichten, selbst auf der berühmten Stanford-Universität legt man darauf nicht wert. Und die Titel-Verliebtheit sollte man im Valley auch ablegen – auf die kommt es nämlich aber so was von nicht an. Im Silicon Valley legt man auf solche Oberflächlichkeiten keinen Wert.
„Go for it“
Dennoch unterscheidet sich das Silicon Valley gewaltig von Österreich, von Europa. Einer dieser Unterschiede, die einem sofort auffallen, ist die Denkweise, das Mindset. Im Silicon Valley hört jemand, der einem anderen eine Idee schildert, ein „Go for it“, also „probier dein Glück“. Wer in Österreich mit einer Idee aufkreuzt, ist mit einem „glaubst, dass das geht?“, einem „ob das funktionieren wird?" oder „wozu brauchen wir das?“ konfrontiert. Es wird einem in den meisten Fällen erklärt, warum dieses oder jenes nicht funktionieren wird – weil wir ein Volk der Zweifler sind, eine Ansammlung von Skeptikern gegenüber neuen Ideen – dieses Motto „never change a running system“ könnte durchaus von einem Österreicher stammen.
Die Angst vor dem Scheitern
Wir Österreicher probieren zu wenig, wir lassen uns zu leicht entmutigen und die Conclusio daraus – es entsteht zu wenig Neues, weil man – auch das ist ein österreichisches und europäisches Problem, Angst vor dem Scheitern und dem daraus folgenden „ich-habe-es-immer-schon-gewusst-Gesage“ der Mitmenschen hat. Die Einstellung der Bevölkerung im Valley, das Mindset, ist grundlegend anders, die Menschen sind besser gepolt und man bleibt von Eigenschaften verschont, von denen man hierzulande tagtäglich umgeben ist – Neid, Frust und eine Kultur des Nicht-Trauens, des Nichts-bewegen- und Nichts-verändern-wollen. An dieser Situation ist vermutlich auch unsere gegenwärtige Regierung (vermutlich auch vergangene Regierungen) Schuld, die ja vor allem bei technikaffinen Menschen im Land hohen Frust auslöst – man denke an die Diskussion der Breitbandmilliarde, die der Vizekanzler und Finanziminister für nicht notwendig erachtet.
Trial & Error
Wir brauchen eine Trial & Error-Kultur, den Mut, Dinge auszuprobieren, denn nur wenn man sie testet, weiß man, ob sie etwas taugen. Google macht das regelmäßig und scheitert auch regelmäßig. Aber es gelingt auch viel, und mit den Erfolgsprodukten werden die „Niederlagen“ der anderen misslungenen Ideen und Projekte mehr als wett gemacht.
Unsere Kultur des Neides
In Österreich gibt es – ganz subjektiv beobachtet - eine Kultur des Neides, man missgönnt anderen Erfolge oder gönnt ihnen Misserfolge. Man missgönnt hohe Gehälter und hat ständig Angst, dass „der andere“ mehr verdient. Vieles davon findet man im Valley nicht, zumindest spürt man Neid dort nicht so, ist die Neidkultur nich so ausgeprägt wie bei uns. Das hat einen Grund: Man weiß, dass in den USA, vor allem im Silicon Valley, Vermögende ihr Geld in neue Unternehmen investieren, neue Ideen zum Leben erwecken, Arbeitsplätze schaffen und für den Wohlstand der Gesellschaft sorgen. „Eigentlich ist jeder ein Business Angel hier“, erzählte mir einer dieser Angels. „Ja, die Millionäre im Valley – und deren gibt es genug – fahren tolle Autos, haben schöne Häuser und Anwesen, liebe ihre ausgefallenen Hobbys (im Valley zum Beispiel Pferde), aber sie investieren ihr Geld in junge Hoffnungsträger.“ In junge Unternehmen; manche davon werden erfolgreich, manche auch nicht. Es ist ein Spielgeld, das der Wirtschaft und der Innovation nutzt. Es gibt also nicht nur bei den Menschen an sich, sondern auch bei jenen, die Geld haben, ein anderes Mindset als hierzulande. Der Neid im SV geht in eine andere Richtung, nämlich, indem man selber versucht, das zu erreichen, was der andere geschafft hat. Neid in Österreich bedeutet: Nehmt ihm das weg.
Wo bleiben die Business-Angels?
Wir in Europa sind zu sehr in einer analogen Denkweise verhaftet. 80.000 Millionäre gibt es in Österreich – diese Zahl ist seit dem Aufflammen der Diskussion um die Vermögenssteuer bekannt - , aber die wenigsten von ihnen nehmen ihr Geld, um es in heimische Start-ups zu investieren. Es gibt Ausnahmen, wie einen Hansi Hansmann, eine Brigitte Ederer, einen Claus Raidl, aber was ist mit den Tausenden anderen? Die investieren ihr Geld lieber in traditionelle Anlageformen, in die xte Immobilie oder das xte Auto. Wie eine Statistik der Spektra Marktforschung zeigt, verstehen die Österreicher unter Geldanlage den Kauf von Immobilien, gefolgt vom Sparbuch und dem guten alten Bausparvertrag – eine Investition in Unternehmen und Start-ups rangiert erst auf dem 12. Platz dieser Statistik. Traurig, aber wahr. Die Mateschitz’s, Wlascheks, Hortens oder Piechs sollten es als ihre Pflicht ansehen, einen Teil ihres Vermögens – da reicht vermutlich schon die so oft zitierte Portokasse - in Start-ups zu investieren oder Acceleratoren und Inkubatoren zu fördern. Das würde dem Wirtschaftsstandort Österreich und der Innovationskultur auf unserem Kontinent helfen und wieder erstarken lassen.
Apropos Freundlichkeit
Auch mir war die Freundlichkeit der Amerikaner anfangs suspekt, für mich war sie zu oberflächlich, allerdings hilft auch diese Freundlichkeit des anderen, schneller mit ihm in Kontakt zu treten und zu netzwerken. Und ganz ehrlich – mir ist eine oberflächliche aber höfliche Freundlichkeit um vieles lieber als ein tiefgründiger Grant, der uns Österreichern nachgesagt wird und der nicht nur ein Klischee ist.
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