Das Gehirn soll per Hut stimuliert werden
Das Gehirn soll per Hut stimuliert werden
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Peter Glaser: Zukunftsreich

Was soll das Hirn? Vibrieren!

Es gibt eine heimische Spirituose, welcher der Ruf vorauseilt, dass es sich dabei um eine Art Raketentreibstoff handle. Immerhin enthält das Elixier 80 Prozent Alkohol und verleitet manchen zu der irrigen Annahme, ein Stamperl 80-prozentiger sei wie zwei 40-prozentige Schnäpse. Das aber ist eine Täuschung der Sonderklasse. Wer 80-prozentigen Alkohol zu sich nimmt, hat es mit einem fundamental anderen Substrat zu tun.

Lichtbogen im Leibesinneren

Unmittelbar nach dem ersten Schluck stellt sich das Empfinden ein, dass einem eine glühende Eisenstange durch die Speiseröhre in den Magen geschoben wird. Anschließend bemerkt man, dass man die nächsten zwei, drei Minuten nur noch wird ausatmen können, nicht mehr einatmen. Sekunden später springt eine Empfindung wie ein Lichtbogen im dunklen Leibesinneren nach dem Rückgrat hin, von wo aus sie sich wie Draht, der durchs Rückenmark geschoben wird, nach oben vorarbeitet, um schließlich im Schädel anzulangen und, als würde einem ein warmes, nasses Handtuch direkt auf die Großhirnrinde gelegt, in einem gewaltigen, dumpfen Erstaunen zu enden. Ja, die Heimat. Aber ich schweife ab.

Gehirnentnahmegerät

Denn heutzutage muss sich niemand mehr solchen physischen Strapazen ausliefern, um sein Denkorgan zu ungewöhnlichen Reaktionen zu veranlassen. Zum einen gibt es als ein Nebenprodukt aus der Klangforschung inzwischen rauschfreien Doppeltgebrannten aus der Dolby-Surround-Beere, womit wir uns in einer anderen Folge befassen werden.

Zum anderen haben wir das Head Spa, ein Kopfkraulgerät der neuesten Generation, das aussieht wie eine Mischung aus einem im 3D-Drucker gefertigten Bügeleisen und einem altrömischen Legionärshelm, dem man die Irokesen-Bürste ausgerissen hat.

Es gibt ja kaum etwas, das eine Frau hässlich macht, man kann auf diese Ungerechtigkeit gar nicht oft genug hinweisen, aber wenn ein Mann mit, sagen wir: regenbogenfarbigen Zehensocken schon lächerlich wirkt, dann sieht er mit einem Head Spa auf dem Head so aus, dass man erkennen muss: Lächerlichkeit kann katastrophale Formen annehmen.

Alu-Hut, die Designerversion

Wer schon mit ungekraultem Kopf pfiffig ist, kann behaupten, das Gerät sei eine Düsentrieb-artige Denkkappe oder diene der Abschirmung gegen zudringliche NSA-Abhörstrahlen, sozusagen die Designerversion des Aluminiumhuts. Man könnte es auch als schlauchlosen Staubsauger ausgeben, also gewissermaßen die Dyson-Version des Flowbee-Frisiersaugsystems. Oder als Requisit in einem Science-Fiction-Film, in dem man, je nachdem, wieviel Eindruck man schinden möchte, als Statist beziehungsweise Hauptdarsteller mitgewirkt habe.

Sollte das noch nicht ausreichen, kann man auch andeuten, ein richtiger, echter Außerirdischer oder eine gechannelte Wesenheit aus Captain Ashtars rosaroter Ufoflotte zu sein. Ebensogut könnte es sich bei der 15-Punkt-Kopfmassage gegen Stress, Verspannungen und Migräne aber auch um ein Gehirnentnahmegerät handeln.

Statt Schrecktoner

Es sei, so ein Tester, als kraulten einen tausend kleine Finger am Skalp. Man kann es auch im Büro an seinem Schreibtisch verwenden, wovor ich aber ebenso abraten würde wie von der Verwendung von Schrecktoner, um die Kolleginnen oder Kollegen auf heitere Weise zum Durchhalten bis Feierabend zu veranlassen.

Das ist doch etwas: Japanische Ingenieurskunst in italienischem Design, die mit Akupressurautomatik für Instant-Entspannung sorgt („International führende Technologie“) und jedweden Kummer hinwegsaugt! – nicht einfach nur achtzig- sondern hundertprozentig.

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Peter Glaser

Peter Glaser, 1957 als Bleistift in Graz geboren, wo die hochwertigen Schriftsteller für den Export hergestellt werden. Lebt als Schreibprogramm in Berlin und begleitet seit 30 Jahren die Entwicklung der digitalen Welt. Ehrenmitglied des Chaos Computer Clubs, Träger des Ingeborg Bachmann-Preises und Blogger. Für die futurezone schreibt er jeden Samstag eine Kolumne.

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