© Jürg Christandl

Österreich 2050

"Wir können eines der reichsten Länder werden"

Allein China und Indien dürften bis 2050 ihren Anteil am Welteinkommen verdreifachen. Der Aufholprozess der Schwellenländer ist Chance und Gefahr zugleich. Die Exportwirtschaft kann rasch wachsende Absatzmärkte erschließen. Umgekehrt drängen neue Anbieter auf unsere Märkte. Dennoch kann Österreich im Pro-Kopf-Einkommen zu einem der reichsten Länder aufsteigen, wenn es mehr als andere in Bildung und Innovation investiert und den damit verbundenen Wandel bewältigt.

Marktstellung durch Qualität
Eine führende Marktstellung mit spezialisierten Qualitätsprodukten schafft den Preisspielraum, um hohe Lohnkosten zu schultern. Sonst müssen die Firmen mit niedrigen Preisen konkurrieren. Das wäre angesichts der tiefen Lohnkosten in den Schwellenländern schwierig. Entweder es gelingt, mit Innovationen den Wettbewerbsvorteil auszubauen, oder wir müssen den Einkommensvorsprung anderen überlassen.

Innovation setzt Bildung voraus und hat Wandel zur Folge. Schon Vorschulalter und Primarstufe schaffen eine Bildungshaltung, die lange nachwirkt. Die Sekundarstufe legt den Grundstein für universitäre Bildung und leistet die Fachausbildung für den direkten Berufseinstieg. Je besser die Berufsausbildung, desto leichter ist es, neue Technologien einzuführen.

Konkurrenzfähige Universitäten
Die Tertiärstufe leistet Grundlagenforschung und Ausbildung. Dazu braucht es international konkurrenzfähige Universitäten. Sie mehren die Verfügbarkeit von kreativem F&E-Personal und machen private F&E ergiebiger. Die Grundlagenforschung legt die Basis für kommerziell verwertbare Forschung. Ein Technologietransfer kann z.B. durch Patentierung von Forschungsergebnissen und Beteiligung der Forscher an den Patenterlösen aktiviert werden. Die Nähe zu forschungsstarken Universitäten ist außerdem ein wichtiger Standortfaktor für multinationale Konzerne, die sich besseren Zugang zu neuem Wissen erwarten. Die Kommerzialisierung erfolgt auch durch Gründung von innovativen Jungunternehmen. Je mehr Gründungen, desto eher gibt es einige, die zu großen Konzernen heranwachsen.

Der Forschungs-Euro
Ein Euro F&E in jungen Technologiefirmen bewirkt mehr Innovation als derselbe Betrag in Großunternehmen. Andererseits ist das Risiko wesentlich höher und eine Kreditfinanzierung durch Banken schwierig. Für die innovativsten Jungunternehmen ist Wagniskapital eine Lösung, welches Finanzierung und strategische Beratung aus einer Hand anbietet. Wagniskapital kann die Performance steigern und zusätzliche Finanzierung z.B. durch Banken mobilisieren. Der Großteil der privaten F&E-Ausgaben stammt jedoch von Konzernen, die überdurchschnittlich produktiv, profitabel und international mobil sind. Die Herausforderung ist nicht die Beseitigung von Finanzierungsengpässen, sondern die Wahrung der Standortattraktivität. Multinationale Unternehmen können sowohl die F&E-Zentren als auch die ‚Werkbank` an verschiedenen Standorten platzieren.

Innovation ist "kreative Zerstörung"
Dieser Strukturwandel kann sowohl über Neugründung und Ausscheiden von Firmen als auch innerhalb von Konzernen stattfinden. Kapital und Arbeit müssen von wenig rentablen zu wachsenden und hoch rentablen Aktivitäten wandern. Große Konzerne ziehen intern Investitionen und Arbeitskräfte von alternden Sparten ab und lenken sie auf neue Produkte um. Gleichzeitig sollte Kapital von großen Firmen mit hohen Gewinnen, aber wenig rentablen Investitionen abgezogen werden, indem Gewinne ausgeschüttet und auf dem Kapitalmarkt neu investiert werden. Neue Firmen müssen mehr Eigenkapital bzw. Risikokapital als Voraussetzung für zusätzliches Fremdkapital mobilisieren. Die jüngsten Unternehmen mit den radikalsten Innovationen brauchen Wagniskapital. Je mehr Gründungen es gibt und je stärker ihr Wachstum ist, desto größer ist der Verdrängungswettbewerb, der etablierte Firmen mit weniger attraktiven Produkten oder zu hohen Kosten aus dem Markt wirft. Indem die Finanzierung gestoppt wird, wird Kapital von unrentablen Firmen ferngehalten und auf innovativere Firmen mit höherer Rendite umgelenkt.

Hohe Wertschöpfung, hohe Einkommen
Hohe Einkommen entstehen, wenn die Arbeitnehmer dort beschäftigt werden, wo die Wertschöpfung besonders hoch ist, und dort abgezogen werden, wo sie niedrig ist. Mit dem raschen Wandel der Arbeit entstehen höhere Risiken für Löhne und Beschäftigung. Der Sozialstaat soll Sicherheit bieten, indem Niveau und Dauer der Arbeitslosenunterstützung angemessen bleiben. Gleichzeitig darf der Kündigungsschutz eine Auflösung von unrentabel gewordenen Jobs nicht bremsen. Eine innovative Wirtschaft braucht auch eine aktive Arbeitsmarktpolitik, die lebenslanges Lernen fördert und Qualifikation und Umschulung bei Arbeitslosigkeit unterstützt.

Eine Spitzenstellung für Österreich 2050 erfordert mehr als F&E. Die Innovationspolitik muss die vor- und nachgelagerten Politikbereiche mit einbeziehen. Dasselbe Volumen an F&E-Ausgaben entfaltet umso mehr Wirkung, je leistungsfähiger das Bildungssystem ist und je besser der nachfolgende Strukturwandel bewältigt wird.

Prof. Dr. Christian Keuschnigg ist Direktor des Instituts für Höhere Studien in Wien und Professor für Nationalökonomie, insbesondere öffentliche Finanzen, an der Universität St. Gallen. Seit 2009 ist er Vorsitzender des finanzwissenschaftlichen Ausschusses des Vereins für Socialpolitik und Herausgeber der Zeitschrift ‚FinanzArchiv/Public Finance Policy Analysis`. Er forscht unter anderem über Theorie und Politik der Besteuerung und hat neben mehreren Büchern über Steuerreformen auch ein Lehrbuch zur finanzwissenschaftlichen Steuerlehre verfasst.

Österreich 2050:

Zwei Dutzend österreichischer Wissenschafter haben sich Gedanken gemacht, wie Österreich im Jahr 2050 aussehen könnte. Die Publikation „Österreich 2050" beleuchtet unsere Zukunft aus unterschiedlichen Blickwinkeln, von Bildung über Forschung bis Innovation. Das Buch „Österreich 2050" ist im Holzhausen-Verlag erschienen und kostet 17.30 Euro.

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