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Netzpolitik

Abgeordnete: EU soll Hass-im-Netz-Gesetz blockieren

In Österreich wurde vor kurzem das überarbeitete Gesetzespaket zu Hass im Netz vorgestellt. Darin enthalten ist auch das sogenannte „Kommunikationsplattformen-Gesetz“ (KoPl-G), welches regeln soll, was mit Hass-Postings auf großen Plattformen geschieht. Große, auf Profit ausgerichtete Plattformen sollen damit in die Pflicht genommen werden, Hass-Postings und offensichtlich strafrechtlich relevante Beiträge innerhalb einer kurzen Frist zu löschen. Wenn sich die Plattformen nicht an das Gesetz halten, drohen hohe Strafen.

Genau gegen dieses Gesetz gibt es jetzt unerwarteten Protest auf europäischer Ebene. Marcel Kolaja, Vize-Präsident des Europäischen Parlaments und Vertreter der Piratenpartei, hat einen Brief an die EU-Kommission geschickt, in dem er darum bittet, kein „grünes Licht“ für dieses Vorhaben zu geben. Die EU-Kommission muss dem Gesetz nämlich noch zustimmen, damit es Anfang 2021 in Kraft treten darf. Insider berichten, dass die Chancen für eine Zustimmung nur bei zirka 50 Prozent liegt. Der Brief von Kolaja könnte daher bei der EU-Kommission als deutliches Signal verstanden werden.

Digital Services Act

„Die EU-Kommission hat bisher nicht offiziell darauf reagiert, aber der EU-Kommissar für internationale Märkte hat bei einer informellen Diskussion darauf aufmerksam gemacht, dass Mitgliedstaaten mit nationalen Gesetzen zu einer Fragmentierung des europäischen Marktes führen“, sagt Kolaja im Gespräch mit der futurezone. Denn die EU-Kommission will noch im Dezember den Digital Services Act vorstellen, ein Gesetz, bei dem ebenfalls die Regulierung von illegalen Inhalten vorgesehen ist. „Das österreichische Gesetz hat einige gute Elemente, wurde aber von der Zivilgesellschaft sehr heftig dafür kritisiert, dass es die Durchsetzung von Recht in die Hände von privaten Firmen legt“, so der tschechische EU-Abgeordnete.

Kolajas Brief wurde auch von zahlreichen EU-Abgeordneten unterstützt, unter anderem auch von der EU-Abgeordneten Evelyn Regner (SPÖ). Sie kritisiert gegenüber der futurezone ebenfalls die „starren Löschfristen“ sowie die „Gefahr des Overblockings“, also dass die Unternehmen künftig aus Vorsicht zu viele Inhalte löschen, anstatt zu wenige. Man sei auf europäischer Ebene in der Debatte bereits weiter, „wie eine sinnvolle Inhaltsmoderation, die auch die Grundsätze der freien Meinungsäußerung ausreichend berücksichtigt, aussehen kann“, so Regner. „Vor diesem Hintergrund gefährden nationale Alleingänge einen europäischen Ansatz bzw. besteht die Gefahr, dass sich ein solcher dadurch verzögert. Deshalb ist es mein Ziel, hier möglichst schnell einen umfassenden EU-Rahmen in Form des Digital Services Act über die Zielgerade zu bringen“, sagt die EU-Abgeordnete.

Nationaler Alleingang

Unterstützung bekommen die EU-Abgeordneten zudem vom Verband der Österreichischen Internet Service Provider (ISPA). „Wir würden es auf jeden Fall begrüßen, wenn die Europäische Kommission die Umsetzung des KoPl-G-Gesetz blockiert, und damit der Aufforderung der EU-Abgeordneten folgt“, sagt Maximilian Schubert zur futurezone. Auch er verweist darauf, dass in Kürze der Digital Services Act präsentiert werden soll. „Es wäre geradezu absurd, im gleichen Moment einen nationalen Alleingang durchzuwinken, der sich nur als Sand im Getriebe für eine Einigung unter den Mitgliedstaaten herausstellen kann.“

Unterschiedliche nationale Vorgaben zum Umgang mit illegalen Inhalten würden genau jene EU-einheitlichen Meldesysteme auf den Plattformen verhindern, die zur raschen Entfernung von rechtswidrigen Inhalten führen können, meint Schubert.

EU riet dazu, davon abzusehen

Ähnliche Gesetze gibt es allerdings bereits in Deutschland und Frankreich. Warum sollte die EU-Kommission jetzt also genau das österreichische Gesetz blockieren? Informationen der EU-Abgeordneten Claudia Gamon (NEOS) zufolge, hatte die Kommission als Reaktion auf das französische Gesetz festgehalten, dass die EU-Mitgliedstaaten von der Erlassung neuer nationaler Gesetze zur Bekämpfung illegaler Inhalte auf Online-Plattformen Abstand nehmen sollten - woran sich Österreich nicht gehalten hat.

Gamon hat den Brief des tschechischen EU-Kollegen allerdings nicht unterzeichnet. „Wir haben uns nicht zur Unterzeichnung angeschlossen, weil wir die Beratungen im Nationalrat abwarten wollten“, so Gamon. Die NEOS würden den justiziellen Teil des Pakets, das sogenannte „Hass-im-Netz-Bekämpfungs-Gesetz (HiNBG) unterstützen und begrüßen, vor allem den zivilrechtlichen Rechtsschutz. „Das KoPI-G lehnen wir allerdings ab“, so Gamon. Auch die EU-Abgeordnete der NEOS wünscht sich eine „einheitliche Vorgangsweise in Europa“. Das österreichische Gesetz sei zu wenig durchdacht und enthalte problematische Regelungen, so Gamon.

Der Beschluss der EU-Kommission wird für Mittwoch erwartet.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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