Barcelona hat seit Juni 2015 eine neue, sozialistische Stadtregierung. Diese setzt jetzt andere Schwerpunkte bei der Digitalisierung.
Barcelona hat seit Juni 2015 eine neue, sozialistische Stadtregierung. Diese setzt jetzt andere Schwerpunkte bei der Digitalisierung.
© /Vladyslav Danilin/iStockphoto

Smart City

Barcelona beteiligt Bürger statt Tech-Unternehmen

Die spanische Stadt Barcelona wurde lange Zeit als sogenannte „Smart City“ vermarktet. Bis die neue Bürgermeisterin Ada Colau i Ballano im Juni 2015 an die Macht kam. Die Aktivistin kam aus einer Bürgerbewegung, die Opfern der Immobilienspekulation gegen Zwangsräumungen half. Seither gilt die neue Stadtregierung offiziell als „Rebel City“. Statt dass große Technik-Konzerne die Infrastruktur kontrollieren, sollen Bürger beteiligt werden. Zuständig für die neue Digital-Strategie ist Francesca Bria.

Bria ist seit Juni 2016 Chief Information Officer (CIO) der Stadt Barcelona. Davor hat sie seit mehr als 15 Jahren Regierungen und Firmen bezüglich Fragen der Wissenschafts-, Technologie- und Innovationspolitik beraten. Sie hat einen Doktortitel des London Imperial College. Die futurezone traf sie zum Gespräch.

Francesca Bria - CIO der Stadt Barcelona beim Elevate Festival
Futurezone: Warum will Barcelona keine Smart City mehr sein?
Francesca Bria: Bisher war Barcelona sehr stark in den Händen von Tech-Konzernen, die unsere Infrastruktur kontrollieren wollten. Die Daten würden dann ausschließlich bei den Tech-Firmen liegen. Wir wollen aber, dass sie den Bürgern gehören und zum öffentlichen Gut werden. Meine Aufgabe ist es, die Technologie-Strategie der Stadt in diesem Sinne komplett neu zu denken.

Bedeutet für Sie „smart“ automatisch böse?
Der Begriff Smart City wird verwendet, um Städte als intelligent zu vermarkten. Dabei geht es aber um Überwachungskapitalismus. Wenn eine Stadt wie Moskau 160.000 Überwachungskameras installiert, ist das nicht smart. Man braucht nicht unbedingt neue Technologien von großen Konzernen, um eine Stadtentwicklung positiv zu verändern.

Wie genau wollen Sie die Stadt Barcelona verändern?
Wir wollen nicht von oben herab bestimmen, sondern Entwicklungen stärken, die direkt von den Bürgern ausgehen. Bürger können uns etwa via Social Media melden, wenn sie in ihrem Umfeld Korruption mitbekommen. Wir setzen auf Open Data, also auf die freie Verfügbar- und Nutzbarkeit von öffentlichen Daten.

Was haben Sie neben Open Data noch für Konzepte?
Wir wollen auch gezielt sogenannte MakerSpaces und lokale Gemeinschaften fördern. Das sind Plätze, in denen Menschen Gebrauchtes oder Weggeworfenes als Quelle und Inspiration für neue Wertschöpfung nutzen können und wo sie ihr handwerkliches Know-How in kreativen Ideen vereinen. Gleichzeitig mit dem berühmten Sonar Festival ist 2017 auch eine MakerFaire geplant.

Barcelona hat doch sicher Verträge mit den Tech-Firmen abgeschlossen, die sich jetzt nicht einfach rückgängig machen lassen?
Das ist auch nicht das Ziel. Wir wollen die Stadt nicht blockieren oder gar unbewohnbar machen, in dem wir Verträge auflösen. Wir wollen aber langfristig einen Umbruch erzielen. Wir investieren jetzt zum Beispiel nur noch Geld in neue Technologien, bei denen wir aktiv mitbestimmen können, was in den Verträgen drin steht.

Was genau soll dann in den Verträgen drinnen stehen?
Bei öffentlichen Daten, die im Zuge der Stadtentwicklung erhoben werden, soll vermerkt werden, dass die Daten ein öffentliches Gut sind und nicht dem Unternehmen alleine gehören. Bei personenbezogenen Daten achten wir darauf, dass diese durch Verschlüsselung besonders gut geschützt sind, damit sie in den Händen der einzelnen Personen bleiben.

Worin liegt für Sie die größte Herausforderung?
Was wir vorhaben, mag simpel klingen. Aber den Weg zu verändern, wie wir mit Daten umgehen und diese zum öffentlichen Gut zu machen, wird nicht einfach. Derzeit besitzen Monopole wie Google oder Facebook die Datenhoheit, statt der Allgemeinheit. Diese Daten in Plattformen zu bringen, die öffentlich verwaltet werden und von Bürgern bestimmt sind, wird schwierig.

Wie kann das überhaupt funktionieren?
Wir schließen uns mit anderen rebellischen Städten zusammen, um den Grundsatz von Open Data in den jeweiligen Strategiepapieren zu verankern. Um Monopole zu bekämpfen braucht es aber freilich noch mehr Allianzen.

Mit welchen Städten sind Sie hier im Gespräch?
Unter „Rebel Cities“ haben sich derzeit vor allem lateinamerikanische Städte zusammengeschlossen. In Europa arbeiten wir aber auch mit Paris und Rom eng zusammen. Wir sind auch interessiert daran, mit der Stadt Wien zu sprechen.

Wie lange ist die Regierung in Barcelona jetzt im Amt? Reicht die Zeit, um ihre Visionen auch umzusetzen?
Die Amtsperiode dauert jetzt noch von 2017 bis 2020. Bis dahin wollen wir so viel Bewusstsein wie nur irgendwie möglich schaffen. Es ist freilich schwierig, darüber hinaus etwas zu planen.

Francesca Bria sprach in Graz beim Elevate Festival über die neue Entwicklung von smarten Städten der Zukunft.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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