Die Internetoffensive Österreich ist eng mit der Politik verflochten, was nun für Unmut sorgt.
Die Internetoffensive Österreich ist eng mit der Politik verflochten, was nun für Unmut sorgt.
© APA/dpa/Daniel Reinhardt

Internetoffensive Österreich

Das verschleierte Lobbying der Mobilfunker

Österreich soll zum Vorreiter bei 5G werden“, heißt es im Plan A, den Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) vor kurzem vorgestellt hatte. Und auch das Infrastrukturministerium, das Österreich als "5G-Nation" etablieren will, stimmt per Aussendung auf den neuen Mobilfunkstandard ein. Bis Ende 2017 will die Bundesregierung „gemeinsam mit Unternehmen“ einen Plan zum 5G-Ausbau erarbeiten. Der Verein Internetoffensive Österreich (IOÖ) stellte diese Woche genau einen solchen Plan vor. „Österreichs Weg an die 5G-Spitze“, lautet dazu der Titel der Pressekonferenz, die im Rahmen des „IKT-Konvents“ angesetzt war. Bei dieser war von einem "engen Schulterschluss" zwischen Politik und Mobilfunkindustrie die Rede, der dafür notwendig sei. Wer hier an Zufall denkt, liegt weit daneben.

Internetoffensive Österreich

Internetoffensive Österreich
Die Internetoffensive Österreichist ein Verein, der 2013 genau für derartige Zwecke gegründet wurde: Den Interessen der Mobilfunker in der Politik Gehör verschaffen. In der Vorstandsebene des Vereins finden sich die Chefs von Drei, T-Mobile und A1 wieder. Die Arbeitsgruppe „Infrastruktur“, die laut der Website der Internetoffensive „in Kooperation mit dem Verkehrsministerium“ tagt,wird von A1 geleitet.

Im November 2016 verkündete der Verein zudem voller Stolz, dass die Bundesregierung im Rahmen des New Deal "wesentliche wirtschaftsrelevante Punkte" aus dem Programm der Internetoffensive übernommen habe. In den Vereinsstatuten ist zudem von „regelmäßigen Abstimmgesprächen mit Ministern und leitenden Beamten“ die Rede.

Doch der Verein ist nicht im österreichischen Lobbyregister zu finden. Dieses wurde 2013 geschaffen, um den Versuch der Einflussnahme nachvollziehbarer zu machen und für mehr Transparenz zu sorgen.

„Die Internetoffensive Österreich ist ein Interessensverband, der keine Dienstnehmer beschäftigt. Die Bestimmungen des Lobbyregisters sind daher ausdrücklich nicht anzuwenden“, erklärt Gregor Schönstein auf futurezone-Anfrage. Schönstein ist Geschäftsführer der Kommunikationsagentur Public Interest, die mit der Führung der Geschäftsstelle des Vereins betraut ist. Diese Information allerdings scheint nirgendwo offiziell auf.

Für die NGO Transparency International sind derartige Ausnahmen für Interessensverbände, die offiziell selbst keine Dienstnehmer als Interessensvertreter beschäftigen, „Schlupflöcher des aktuellen Gesetzes“ und eindeutig „verschleiertes Lobbying“.

Post-Adresse

Eine Verbindung zwischen Internetoffensive Österreich und Public Interest lässt sich lediglich über die gemeinsame Post-Adresse herstellen. Die Internetoffensive Österreich hat seinen Sitz im selben Büro wie die Kommunikationsagentur Public Interest. Dies bestätigt auch Schönstein gegenüber der futurezone. Die Büro-Kosten seien mit dem in einer Betreuungsvereinbarung festgelegten Honorar abgedeckt, so Schönstein. Um die Anliegen der Internetoffensive kümmern sich offiziell fünf Personen der Public Interest. „Einer davon Vollzeit, die andere je nach Aufgabenstellung.“

„Der Grundgedanke von Lobbying und Interessenvertretung ist die Mitbestimmung, Mitsprache und Beteiligung der Menschen und Organisationen, die von gesellschaftlichen oder anderen Entscheidungen oder Entwicklungen betroffen sind. Doch diese Mitsprache muss hinreichend offen und transparent erfolgen“, sagt Eva Geiblinger, Vorstandsvorsitzende von Transparency International.

Lobbying per se sei dabei nichts Böses, meint der Anti-Korruptionsaktivist Mathias Huter vom Forum Informationsfreiheit. „Es ist aber problematisch, wenn die Industrie versucht, für sie wichtige Gesetze zu beeinflussen, aber die Öffentlichkeit, Zivilgesellschaft und Wissenschaftler nicht einmal etwas davon wissen. So kann kein ausgleichendes Gegengewicht geschaffen werden und es könnte dazu führen, dass Gesetze in eine Richtung tendieren und ein besonders freundliches Umfeld geschaffen wird, das nur denen nützt, die die meisten Ressourcen für Lobbying zur Verfügung haben.“

Verein als Vehikel

Für Huter liegt auf der Hand, dass Verein wie dieser „im Auftrag der Unternehmen gegründet wurde, um dem Ganzen ein besseres Image zu verleihen. Es klingt besser, wenn ein Verein in Aktion tritt, und nicht eine PR-Agentur.“ Der Verein diene dabei als Ve­hi­kel fürs Lobbying.

Der Chaos Computer Club Wien (C3W), ein Verein der sich bei Themen mit technologischem Hintergrund als Vertreter der Zivilgesellschaft engagiert, kritisiert die Internetoffensive gegenüber der futurezone scharf. Als Beispiel führt der C3W den „IKT-Konvent“ an, der von der Internetoffensive Österreich diese Woche organisiert wurde. Dazu sei keine einzige Organisation aus der Zivilgesellschaft eingeladen worden. „Ein Blick auf das öffentliche Programm der Veranstaltung lässt auch nicht darauf schließen, dass eine Beteiligung der Zivilgesellschaft gewünscht wäre“, so der C3W. „Interessant finden wir allerdings, dass Vertreter aus diversen Bundesministerien zusammen mit den Vertretern von Lobbyorganisationen Teil des Programms sind.“

Die Kritik des C3W ist durchaus nachvollziehbar: Neben den CEOs von A1, Drei und T-Mobile nahm etwa auch der Verkehrsminister Jörg Leichtfried an der Podiumsdiskussion zum Thema 5G teil. Sonst niemand. Geladen waren zudem Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, die beide aus aktuellen Gründen jedoch absagten. Staatssekretärin Muna Duzdar, Familienministerin Sophie Karmasin und Medienminister Thomas Drozdar ließen sich jedoch blicken und hielten jeweils kurze Ansprachen.

Öffentliches Steuergeld

Doch die Politik war nicht nur mit namhaften Persönlichkeiten auf dem Gipfeltreffen der Mobilfunk-Branche vertreten. Neben dem Bundeskanzleramt und dem Infrastrukturministerium traten unter anderem auch noch das Bildungsministerium, das Frauenministerium sowie das Wirtschaftsministerium als Sponsoren des Events auf.

Wie eine futurezone-Anfrage ergab, zahlen das Bundeskanzleramt sowie das bmvit jeweils 10.000 Euro (exklusive Mehrwertsteuer) für das „Standard-Partnerpaket“– aus öffentlichen Geldern. Die Anfrage bei den anderen Ministerien, die auf der Website als Sponsoren aufgelistet wurden, wurden nicht beantwortet. „Der IKT-Konvent finanziert sich ausschließlich durch Partner- und Sponsorengelder. Die Institutionen sind für alle in den Programmen sowie am Konvent selbst ersichtlich“, erklärt Schönstein.

"Werbemaßnahme fürs Geldverteilen"

„Der IKT-Konvent wirkt für uns auf uns wie eine Werbemaßnahme fürs Geldverteilen an die Wirtschaft. Die Ergebnisse des Konvents zeigen zudem, dass es nur um die Sicherung der Einnahmen für die Mitglieder des so genannten Vereins Internetinitiative Österreich und nicht die Verbesserung der generellen IKT-Situation in Österreich geht“, sagt der C3W. Der Verband hatte auch erst kürzlich kritisiert, dass die Regierung bei der Erstellung der „Digital Roadmap“ ausschließlich auf die Wünsche der Industrie-Lobby Rücksicht genommen hätte, aber nicht auf die Kommentare aus der Zivilgesellschaft.

Der Schulterschluss zwischen Politik, Industrie und Wirtschaft lässt sich für die Öffentlichkeit auch in anderen Bereichen nur schwer nachvollziehen. Das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit) antwortete auf die konkrete futurezone-Frage, wie oft es im Jahr 2016 Treffen zwischen bmvit und Internetoffensive gegeben hätte und wie sich diese gestaltet hätten, vage: „Das bmvit arbeitet im Rahmen der Zuständigkeiten daran, das Thema Digitalisierung voranzutreiben. Das umfasst auch den Dialog mit Stakeholdern.“

Für Huter liegt damit auf der Hand: „Es lässt sich in Österreich nicht nachvollziehen, welche Ministerien sich mit wem ausgetauscht haben und über welche Art und Weise versucht wurde, Einfluss auf Entscheidungsträger auszuüben.“

Kompetenzzentrum Internetgesellschaft

Die Frage, inwiefern das Bundeskanzleramt mit der Internetoffensive kooperiere, lieferte folgende Antwort: „Es gibt keine formelle Kooperation. Die Internetoffensive Österreich ist beratend im Kompetenzzentrum Internetgesellschaft (KIG) vertreten.“ Das Kompetenzzentrum Internetgesellschaft zeigt einmal mehr die deutliche Verflechtung zwischen des Vereins Internetoffensive und der österreichischen Politik.

Das KIG arbeitet ebenfalls an Konzepten für die digitale Zukunft des Landes. Laut Schönstein komme man hier rund einmal pro Monat in Treffen zusammen. „Die Internetoffensive hat einen Sitz, jedoch kein Stimmrecht“, erklärt Schönstein. Andere Vereine, wie etwa der C3W oder weitere Vertreter der Zivilgesellschaft, hingegen sind in diesem Kompetenzzentrum nicht vertreten.

„Es sollte aber ein faires Spielfeld geben und alle Akteure sollten einen vergleichbaren Zugang zu Entscheidungsträger haben, damit nicht nur einseitig die Interessen vertreten werden, sondern damit es eine pluralistische Debatte geben kann“, meint Huter vom Forum Informationsfreiheit dazu.

Neben der Internetoffensive Österreich ist außerdem noch die Regulierungsbehörde RTR als Berater gelistet. Die RTR ist in Östereich für die Umsetzung der Netzneutralitätsverordnung der EU verantwortlich. Die gemeinsame Beratungsfunktion ist hier insofern interessant, als dass die Mobilfunker Drei, T-Mobile und A1 auch im Bereich Netzneutralität versuchen, für eine Aufweichung der Prinzipien zu lobbyieren, um weitere Geschäftsmodelle erschließen zu können. Erst vor kurzem haben die Mobilfunker angekündigt, sich für eine "lasche Auslegung" der Netzneutralitätsregeln durch die EU in Österreich stark machen zu wollen. "Netzneutralität dem Netzausbau zu opfern, ist wie ein Bild zu verkaufen, um sich einen besseren Rahmen leisten zu können", kritisiert hier die Bürgerrechtsorganisation epicenter.works.

Würde die Internetoffensive Österreich im Lobbyregister stehen, würde sich an diesen intransparenten Verknüpfungen nicht viel ändern, meint Huter vom Forum Informationsfreiheit. Für Huter erfüllt das Lobbyregister in Österreich nämlich nicht den Zweck, den es bei seiner Schaffung eigentlich gehabt hätte: für Transparenz zu sorgen. „Das Lobbyregister hat in seiner derzeitigen Form nur einen geringen Mehrwert, weil es für Bürgerinnen und Bürger nicht nachvollziehbar ist, welche Lobbyisten im Auftrag von wem welche Themen lobbyieren. Genau diese Nachvollziehbarkeit sollte aber der Zweck eines solchen Registers sein.“

Auch für den Chaos Computer Club Wien zeigen gerade derartige Verstrickungen, dass das Lobbygesetz „nicht ausreichend funktioniert. Anders ist es nicht zu erklären, dass ein Verein, der seinen Sitz an der Büroadresse eines registrierten Lobby-Unternehmens hat und dessen Vorstand mit Mitglieder durchwegs aus Unternehmen und Personen bestehen, die im Lobby-Register geführt werden, problemlos einen IKT-Konvent mit Beteiligung der Bundesregierung organisieren und sich dann noch brüsten darf, dass „wesentliche Forderungen“ von der Bundesregierung übernommen wurden.“

Teilweise transparent

Gegenüber der futurezone gab sich die Internetoffensive übrigens äußerst transparent – zumindest in Teilbereichen. Auf die Frage, wie viel Geld in Lobbying investiert wird, wollte man jedoch keine Auskunft geben. Es gebe keine eigenen Lobbying-Etats, sondern ausschließlich eine Finanzierung der Geschäftsstelle für die Erfüllung der Aufgaben, so Schönstein. Bei genauerer Nachfrage hieß es, dass rund 90 Prozent der Mitgliedsbeiträge für diese Geschäftsstelle verwendet werden. Eine Mitgliedschaft im Verein kostet laut Angaben von Schönstein 9000 Euro pro Jahr. Derzeit sind auf der Website 21 Mitglieder gelistet. Die Summe, die für alles zusammen zur Verfügung steht, beläuft sich also auf rund 170.000 Euro.

Schönstein von der Internetoffensive erklärt der futurezone, dass man sich „naturgemäß sehr intensiv mit dem Lobbyregister beschäftigt habe“. „Wir haben uns als Public Interest auch in der Erstellung des ersten juristischen Kommentars zum Lobbygesetz engagiert.“ Man kann also davon ausgehen, dass die Kommunikationsberater sehr genau wissen, was sie wie tun, um die Interessen ihrer Auftraggeber – der Mobilfunk-Lobby A1, Drei und T-Mobile – bestmöglich zu vertreten.

Die Chefs der Mobilfunkunternehmen sind übrigens alle drei selbst als Lobbyisten im Lobbyregister eingetragen. Die Internetoffensive Österreich ist für die Mobilfunker daher sicherlich nicht der einzige Weg, ihre Interessen zu vertreten und es wird insgesamt umso fragwürdiger, warum der Verein nicht offiziell unter Lobbying fällt.

Gesetzesnovelle

Transparency International fordert deshalb in Österreich eine Gesetzesnovelle. Die Schlupflöcher und Umgehungsmöglichkeiten sollen klar, deutlich und vollständig geschlossen werden, um einer Konterkarierung des Lobbygesetzes vorzubeugen, so Transparency International.

Das Justizministerium sieht das Lobbygesetz in Österreich übrigens als Erfolg. Bisher wurden keine Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet. "Das Hauptziel des Lobbygesetzes war es für mehr Transparenz zu sorgen. Dieses Ziel wurde eindeutig erreicht", heißt es auf futurezone-Anfrage.

Fair, oder nicht?

„Gerade im Telekom-Bereich geht es oft um große Fördermittel, etwa den Breitbandausbau und die Netzinfrastruktur betreffend. Hier wäre ein hohes Maß an Transparenz notwendig, damit die Mittel fair und effizient vergeben werden“, sagt Huter. Die Internetoffensive Österreich hatte am Mittwoch etwa gefordert, dass Fördergelder der Breitbandmilliarde für den 5G-Ausbau statt den Breitbandausbau hergenommen werden sollen.

Die Frage, die sich hier stellt, ist: Werden hier von der Politik nur die Industrieinteressen gehört, oder haben kleinere Netzbetreiber auch eine Chance, mit ihren Anliegen durchzukommen? Diese haben dazu vielleicht andere Ansichten und Argumente. Bei derartigen Geflechten aus Politik und Wirtschaft bleibt also nicht nur die Transparenz auf der Strecke, sondern es besteht zudem die Gefahr, dass sich die Mobilfunkbetreiber mit ihren Industrieinteressen am Ende tatsächlich durchsetzen.

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

mehr lesen
Barbara Wimmer

Kommentare