Wikileaks-Enthüllungen

Deutsches Kanzleramt wurde jahrzehntelang abgehört

Nach Informationen der Plattform Wikileaks forschte der US-Geheimdienst NSA über Jahrzehnte hinweg das Kanzleramt aus. Das berichteten die „Süddeutsche Zeitung“, NDR und WDR am Mittwochabend unter Berufung auf Wikileaks-Unterlagen, die sie vorab einsehen konnten. Betroffen waren demnach neben der Regierung von Angela Merkel (CDU) offenbar auch die Regierungen ihrer Vorgänger Gerhard Schröder (SPD) und Helmut Kohl (CDU).

Wer abgehört wurde

Auf der nun veröffentlichten Liste mit NSA-Spähzielen stehen dem Bericht zufolge insgesamt 56 Nummern, von denen etwa zwei Dutzend bis heute die aktuellen Nummern aus Merkels engster Umgebung seien. Darunter seien die Durchwahlen ihrer Büroleiterin und Vertrauten Beate Baumann, des Kanzleramtsministers Peter Altmaier (CDU) und des für die Koordination der Geheimdienste zuständigen Staatssekretärs Klaus-Dieter Fritsche. Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sei unter der Bezeichnung „Parl Merkel Advisor Kauder“ aufgeführt. Zu finden sei auch die bis heute aktive Handynummer des früheren Kanzleramtschefs Ronald Pofalla (CDU).

Von wann genau die jetzt von Wikileaks vorgelegte Liste stammt, ist nicht bekannt. Der früheste Eintrag beziehe sich auf den einstigen Kohl-Vertrauten Johannes Ludewig. Namentlich aufgeführt seien ebenso Spitzenbeamte aus der rot-grünen Bundesregierung, die 1998 ins Amt kam. In den Dokumenten fänden sich außerdem Protokolle von Gesprächen Merkels aus den Jahren 2009 und 2011.

Jahrelange Spionage

Dass die NSA wohl über Jahre das Handy der Kanzlerin abhörte, ist bereits seit Oktober 2013 bekannt. Vor einer Woche hatte Wikileaks Unterlagen publik gemacht, wonach die NSA nicht nur Merkel, sondern mindestens bis zurück in die 1990er Jahre weite der Teile der Bundesregierung ausgespäht haben soll - darunter Spitzenbeamte und Minister aus dem Wirtschafts-, dem Finanz- und dem Landwirtschaftsressort. Altmaier hatte daraufhin US-Botschafter John B. Emerson ins Kanzleramt zitiert. Auch die Abgeordneten im NSA-Untersuchungsausschuss hatten empört reagiert und Konsequenzen gefordert.

Zu den neuen Enthüllungen erklärte die Bundesregierung auf Anfrage von „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR, man prüfe die Wikileaks-Unterlagen. Da ein Nachweis der Authentizität fehle, sei eine abschließende Bewertung derzeit nicht möglich. In Regierungskreisen hieß es laut Bericht, man wundere sich in dieser Sache über nichts mehr.

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Kommentare