Spion im Serverraum
Spion im Serverraum
© Julian Stratenschulte, apa

Die NSA wird kollabieren

"Die NSA wird kollabieren"

"Die NSA wird kollabieren. In 20 Jahren werden wir nostalgisch an die Internetüberwachung zurückdenken", sagte der Science-Fiction-Autor Bruce Sterling am Dienstag bei der Konferenz net:future , die anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des Internets in Österreich am Dienstag in der Universität Wien stattfand. Auch die Stasi der ehemaligen DDR habe sich nach dem Fall der Mauer binnen kürzester Zeit in Luft aufgelöst, so der Mitbegründer des Cyberpunk-Genres: "Sie haben jedes Telefon angezapft und waren tausendmal unheimlicher als die Leute des US-Geheimdienstes."

"Desaster"

Die Situation der USA sei instabil, meinte Sterling. Sie würden alles ausspionieren, aber trotzdem jeden Krieg verlieren. "Denken Sie an Afghanistan, den Irak oder Syrien. Die Überwachung hat keinen Nutzen. Sie ist ein Desaster."

Ein ähnliches Schicksal wie der NSA würde im übrigen auch den "Herren und Meistern" des globalen Datensammelns, den Internetkonzernen Google und Facebook drohen, stellte ein sichtlich vergnügter Sterling in Aussicht. "Sie haben Überwachung zum Geschäftsmodell gemacht, aber es wird sie nicht ewig geben."

Am Gängelband der Geheimdienste

Facebook sei im Grunde die Zuckerberg-Familie, Google werde von zwei bizarren Typen geführt. "Wenn einer von ihnen bei einem Flugzeugabsturz stirbt, löst sich alles in Luft auf." Auch Microsoft und Apple seien Spione am Gängelband der NSA. Ebenso wie der einstmals mächtige Nokia-Konzern würden sie verschwinden. Die großen Konzerne könnten nicht miteinander und würden einander hassen. "Sie sind wie einer Eimer voller Krabben, die sich gegenseitig die Eingeweide auffressen."

Weniger optimistisch in Bezug die Internet-Überwachung gab sich Phil Zimmermann, der Erfinder des Verschlüsselungsprogramms PGP (Pretty Good Privacy), der gemeinsam mit seinem Unternehmen Silent Circle vor kurzem von den USA in die Schweiz übersiedelte. Die Schweizer Verfassung sei eine Garantie für die Privatsphäre, so Zimmermann: Sein Unternehmen sei Hardcore, wenn es um den Schutz von Nutzerdaten gehe.

Harte Arbeit

"Wir müssen hart daran arbeiten, die globale Überwachung zu beenden", sagte der PGP-Erfinder, der an die "Cryptowars" in den 1990ern erinnerte. Damals versuchte die US-Regierung unter anderem mit Exportbeschränkungen die Nutzung von Verschlüsselungstechnik einzuschränken. "Der Widerstand dagegen hat Jahre gedauert, aber wir haben gewonnen", sagte Zimmermann. Der Kampf gegen die globale Überwachung sei viel härter. "Es müssen Gesetze in vielen Ländern geändert werden. Wir brauchen die Unterstützung der Zivilgesellschaft."

Der europäische Internet-Pionier Louis Pouzin, regte einen Zusammenschluss von Ländern an, die auf Überwachung verzichten und sich ihr widersetzen. "Das könnte die Welt verändern", so der Erfinder des Datagrams, ohne das das Internet-Protokoll TCP/IP nicht denkbar wäre.

Geheimdienste seien schwer zu kontrollieren, sagte der Medientheoretiker Felix Stalder von der Zürcher Hochschule der Künste. "Es gibt auch keinen politischen Willen, die Überwachung zu beenden." Die andere Frage sei, was mit all den Geräten passiere, die uns überwachen. Autohersteller würden jedes Jahr Tausende von Autos aus Sicherheitsgründen zurückrufen, meinte Stalder: "Ich möchte, dass mein Smartphone auch aus Sicherheitsgründen zurückgerufen wird."

Nordkorea im Wohnzimmer

Mit dem Internet der Dinge werde die Überwachung zunehmen, meinte Zimmermann. Das größte Problem dabei sei jedoch nicht der Datenabfluss, sondern die in den Geräten eingebetteten Sensoren. "Die Frage ist, ob diese Agenten dem Nutzer zugute kommen oder dem Unternehmen, die sie eingebaut haben."

Smart-TVs würden über eingebettete Kameras und Mikrofone aufgenommene Bilder und Töne zu Unternehmensservern schicken. "Was ist, wenn Sie nackt vor dem Fernseher stehen?" Sprachbefehle und Gestensteuerung würden nicht am Gerät, sondern auf Servern ausgewertet: "Das Wohnzimmer hat sich in Nordkorea verwandelt."

Warnung vor Fatalismus

Zimmermann warnte angesichts der allgegenwärtigen Überwachung aber vor Fatalismus. "Das ist der Gemütszustand, in dem Sie die Mächtigen haben wollen." Wie der Kampf gegen die Massenüberwachung ausgehen werde, wolle er nicht prognostizieren: "Ich will keine Prognosen abgeben. Ich stelle mir meine Zukunft vor und dann arbeite ich daran", sagte der PGP-Erfinder: "Die beste Art die Zukunft vorauszusagen, ist sie zu machen."

Vor fast 25 Jahren, im August 1990, wurde zwischen der Universität Wien und dem Genfer CERN eine Standleitung realisiert und der Grundstein des Internets in Österreich gelegt. Damals entstand auch das ACOnet (Austrian Academic Computer Network), das österreichische Wissenschafts- und Forschungsnetz. Anlässlich des runden Jubiläums findet dieser Tage die Veranstaltungstrilogie net:25 statt. Nach der Konferenz net:future am Dienstag, werden am Mittwoch in der Universität Wien im Rahmen von net:science Perspektiven für die österreichische Forschung erörtet.

Am 25. Juni findet im Wiener MuseumQuartier mit net:art der dritte Teil des Veranstaltungsreigens statt. In der Halle G wird die interaktive Sound- und Dance-Performance "near the distance" zu sehen und zu hören sein, bei der über high-speed Übertragungstechnologien vernetzte Künstler an verschiedenen Orten der Welt in Echtzeit miteinander auftreten.

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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