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Diskussion

"Die Privatkopie ist gestorben"

Wer heute im Internet über Plattformen wie Spotify oder iTunes auf Musik oder Filme zugreift, erwirbt häufig nicht mehr die Eigentumsrechte an den Inhalten, sondern lediglich die Nutzungsrechte. In Zukunft könnte sich dieser Trend noch verstärken. Im Rahmen der Diskussionsreihe "Urheberrecht für das 21. Jahrhundert" (ur21) wurde am Donnerstagabend im Wiener metalab über künftige Formen der Mediennutzung diskutiert.

"Wenn es nur noch Nutzungsrechte und keine Kopien mehr gibt, wird die Problematik des Urheberrechts nicht gelöst", meinte Markus Stoff von der Initiative für Netzfreiheit. Sobald die Nutzung nicht mehr lizenzgemäß erfolge, sei es nur eine Frage der Zeit, bis wieder Rufe nach schärferer Rechtsdurchsetzung folgen und private Nutzer kriminalisiert würden. Private Nutzungsweisen, wie der Dateitausch, Remixes oder die Bearbeitung von Inhalten, sollten aus dem Urheberrecht herausgenommen und so aus der Illegalität geholt werden, forderte Stoff.

"Bedingungen willkürlich festgelegt"
Leute mit Sammelleidenschaft würden sich auch in Zukunft nicht für Cloud-basierte Nutzungsformen entscheiden, meinte Peter Franck vom Chaos Computer Club (CCC). "Sie wollen die Kontrolle über ihre Medien behalten." Daneben werde es aber auch Leute geben, denen das nicht so wichtig sei. Die Industrie würde für die Zukunft jedenfalls Konzepte wie etwa Apples iTunes Match bevorzugen, bei denen Nutzer ihre eigenen Kopien gegen das Nutzungsrecht der Inhalte für einen jährlichen Pauschalbetrag aufgeben, meinte Franck. Sei man aber nicht mehr im Besitz der eigenen Kopien, könnten die Bedingungen der Nutzung von den Anbietern willkürlich festgelegt werden. "Notfalls können sie auch gelöscht werden."

"Kontrolle bei einer Handvoll von Konzernen"
Die Kontrolle über die Inhalte hätte dann eine Handvoll von Konzernen, die über viele Domänen der Informationslandschaft bestimmen, sagte der Netzaktivist und Medientheoretiker Konrad Becker vom World Information Institute. Diese Unternehmen hätten es auch in der Hand über Inhalte zu bestimmen. "Wenn es keine Bilder von nackten Frauen geben soll, wird es keine geben", meinte Becker unter Anspielung auf die Praktiken von Apple oder Facebook, die immer wieder Inhalte, die ihrer Meinung nach anstößig sind, ihren Angeboten verbannen: "Es wäre gut, andere Strukturen aufzubauen."

Die Gefahr von Monopolbildungen bestehe, sagte Werner Reiter, der bei der österreichischen Piratenpartei aktiv ist: "Da muss die Politik aufpassen." Die Unterhaltungsindustrie habe sich jahrelang mit Händen und Füßen gegen Streaming-Angebote wie Spotify oder Netflix gewehrt, die auf Nutzungsrechte statt Besitz setzen. Diese Dienste hätten aber auch dazu beigetragen, dass die Zahl der nicht autorisierten Downloads zurückgegangen sei.

Rechtliche Rahmenbedingungen
Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Frage nach einem Urheberrecht der Zukunft kamen bei der Diskussionsveranstaltung zur Sprache. "Welche Bedingungen soll das Nutzen von kreativen Leistungen künftig haben?", fragte Moderator Joachim Losehand. Über die Nutzung von kreativen Inhalten sei schon mit den Füßen abgestimmt worden. Heute werde alles überall für jeden erdenklichen Zweck - von der Bearbeitung bis zum Remix - genutzt. "Das ist die Lebensrealität". Die zentrale Frage sei auch nicht, ob die Nutzung gratis erfolge, sondern was diese Nutzungsweisen der Gesellschaft wert seien. Das müsse dann auch finanziert werden. "Die Industrie muss sich dabei der Gesellschaft anpassen."

Franck verwies in dieser Frage auch auf das vom Chaos Computer Club bereits vor zwei Jahren vorgeschlagene Konzept der Kulturwertmark. Dabei zahlt jeder Teilnehmer einen festen monatlichen Betrag ein und kann selbst bestimmen, welche Kreativen Geld von ihm bekommen.

"Partizipation stärken"
"Die Frage ist, welche Formen der kulturellen und künstlerischen Praxis die Gesellschaft will", meinte auch Becker. Er sprach sich dafür aus, öffentliche Räume im Netz zu stärken, in denen Partizipation ermöglicht wird. "Es hat noch nie soviel partizipative Medienkommunikation wie heute gegeben", sagte Becker. "Seit hundert Jahren wird darüber geredet, dass die Trennung zwischen Bühne und Zuschauerraum verschwindet. Im Netz ist das die Realität, das muss auch in den politischen Rahmenbedingungen vergegenwärtigt werden."

Das Teilen von Kultur sei gängige Praxis im Netz, sagte Reiter. "Aber Menschen, die nichts anderes tun, als das, was `Common sense` ist, werden kriminalisiert". Man müsse sich Gedanken über Modelle machen, die auch Künstlern ermöglichen, dass sie für ihre Arbeit bezahlt werden. "Was derzeit gemacht wird, ist aber die Handschellen enger zu schrauben", kritisierte Reiter: "Das ist der falsche Weg."

Wer braucht noch die Privatkopie?
Zum Schluss wurde die Frage aufgeworfen, wer die Privatkopie heute eigentlich noch brauche. "Die Privatkopie ist gestorben, mit der müssen wir uns nicht mehr beschäftigen", meint Franck. Stoff sagte, die Frage sei, ob die Privatkopie noch zeitgemäß sei. Wenn ja, müsse man auch darüber nachdenken, wie ein Äquivalent zur Privatkopie in Zukunft aussehen könnte. Dabei müsse man zwischen restrikitiven und offenen Modellen entscheiden. Es gehe auch um künftige Geschäftsmodelle, meinte Reiter.

Was als Privatkopie gelte, müsse neu definiert werden, sagte Becker: "In meiner Generation waren Mixtapes ein wichtiger Sozialisationsfaktor. Wer keine Mixtapes getauscht hat, hat nicht gelebt." Heute tausche man im Netz mit 5000 Leuten oder mehr. Es müsse allerdings Vergütungsmodelle geben. Wichtig sei auch die Frage, von wem und wie die Gelder verteilt würden. Nach gegenwärtig diskutierten Modellen - ob Festplattenabgabe oder Kultur-Flatrate - falle diese Aufgabe den Verwertungsgesellschaften zu, die allerdings ein Selbstbedienungsladen für Kommerzkünstler seien: "Ich empfinde es als Zumutung, dass ich die Zillertaler Schürzenjäger unterstützen soll."

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Patrick Dax

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Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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