© Patrick Semansky, ap

NSA-Spionage

Empörung über Obamas "Überwachungsstaat"

Die US-Präsidentschaft von George W. Bush ist seit vier Jahren, vier Monaten und 18 Tagen vorbei, doch für viele Amerikaner erschien es am Freitag, als habe sie nie geendet. Sie wachten auf zu Schlagzeilen, die viele seit der Amtsübernahme von Barack Obama kaum noch für denkbar hielten - und die einen Sturm der Entrüstung auslösten.Nicht nur sammele seine Regierung offenbar ungehindert all ihre persönlichen

. Auch
in ihren privaten E-Mails, Fotos oder Videos bei Web-Anbietern wie Microsoft, Yahoo, Google, Apple oder Facebook herum. War Obama nicht als Verfechter der Bürgerrechte angetreten, die Bush laut Kritikern mit Füßen trat?

"George W. Obama"
Geht es nach den Kommentaren in den US-Medien am Freitag, ist spätestens jetzt klar, dass er dieses Versprechen eindeutig gebrochen hat. „George W. Obama“, schrieb die Huffington Post auf ihrer Startseite und verschmolz auf einem Foto die Gesichter des pensionierten Republikaners und des amtierenden Demokraten. Für viele ist es die treffendste Überschrift des Tages.

"Totaler Überwachungsstaat"
„Die Augen des Spions“, titelt die nationale Tageszeitung „USA Today“ neben einem Porträt von Obama. Die Entrüstung herrscht nicht nur innerhalb der US-Grenzen. Denn die Regierung hat angeblich über Hintertüren Zugang zu Servern weltumspannender Konzerne. Vom „totalen Überwachungsstaat“ Amerika ist international die Rede, von Machtmissbrauch in exzessiver Weise. Die Bundesregierung will prüfen, ob auch deutsche Nutzer betroffen sind.

Vor wenigen Wochen hatte sich Obama in einer viel beachteten Rede zum Anti-Terror-Kampf besorgt um den Ruf seines Landes geäußert - auch, um sich endlich von der Politik seines Vorgängers abzusetzen. Bei allem Sicherheitsbedürfnis müsse Amerika auch an seine Werte denken, sagte er. „Die Entscheidung, die wir treffen, bestimmt, welche Art von Nation wir unseren Kindern hinterlassen.“

"Es ist an den Bürgern sich zu wehren"
Diese Kinder würden jedenfalls nicht mehr wissen, was Privatsphäre ist, entgegnet der Kolumnist der „Washington Post“, Eugene Robinson. Die Datensammlung mache ja nicht beim Telefon und im Internet halt. Öffentliche Überwachungskameras oder das Zahlen mit Kreditkarten hinterließen ebenfalls Spuren. „Unser Leben wird in einer Weise aufgezeichnet, die früher unmöglich war - und die Geschichte scheint zu zeigen, dass es keinen Weg zurück gibt.“

Es sei an den Bürgern, sich dagegen zu wehren. Außerdem: Wenn die Regierung das Gefühl habe, sie müsse ihre Bürger ausschnüffeln, solle sie daraus wenigstens kein Geheimnis machen, fordert Robinson. Schließlich sei Obama 2009 mit dem Versprechen von mehr Transparenz ins Amt gekommen.

Davon sei nichts zu merken, kritisieren Bürgerrechtler - ganz im Gegenteil. Jüngste Erfahrungen zeigen: Wer auch immer die neuen Beweisdokumente über die NSA-Überwachung den Zeitungen zugesteckt hat, muss mit harter Verfolgung und schwerer Strafe rechnen. „Die unautorisierte Veröffentlichung streng geheimer Gerichtspapiere droht potenziell langanhaltenden und unumkehrbaren Schaden“ für die Nation zu bringen, erklärte US-Geheimdienstkoordinator James Clapper.

"Bushs vierte Amtszeit"
Auf den Punkt bringt die Stimmung der damalige Sprecher von Bush, Ari Fleischer: „Obama führt Bushs vierte Amtszeit aus - obwohl er Bush als Verfassungsbrecher angegriffen hatte.“ Tatsächlich beruht die extreme Datensammlung auf den unter Bush nach den Anschlägen vom 11. September 2001 erlassenen „Patriot Act“, der US-Behörden weitreichende Befugnisse zur Überwachung von Terrorverdächtigen gibt. Als Senator hatte Obama das Gesetz 2005 als überbordend kritisiert - als Präsident verlängerte er es dann 2011 absolut ohne Gegenwehr.
Um einen Flächenbrand des Protests gegen die orwellsche Überwachung einzudämmen, versucht die Regierung in eiligen Reaktionen das Thema herunterzuspielen.

Das alles sei völlig legal, heißt es aus dem Weißen Haus. Ist doch schon seit Jahren bekannt, sagen lapidar viele Gesetzgeber aus beiden Parteien - die Kritiker sind dort in der Minderheit. Clapper verweist auf „zahlreiche Ungenauigkeiten“ in den Zeitungsberichten. Und alle nennen das eine Argument, um die Maßnahmen zu rechtfertigen: „Der Schutz der Nation vor Terrorbedrohungen“.

"Glaubwürdigkeit verloren"
Die renommierte Tageszeitung „New York Times“ antwortete auf die Beschwichtigungsbemühungen mit dem vielleicht härtesten Urteil über Obama seit seinem Amtsantritt: „Die Regierung hat jetzt all ihre Glaubwürdigkeit bei diesem Thema verloren“, schrieb sie. Jede Machtüberschreitung mit der Plattitüde der Terrorgefahr zu begründen, das funktioniere schon lange nicht mehr. Weder für das Ausspionieren der eigenen Bürger, noch für die Tötung von Terrorverdächtigen ohne Gerichtsbeschluss oder die Inhaftierung von Menschen ohne Anklage im Gefangenenlager Guantánamo.

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