Gisela Perez de Acha ist Policy Managerin bei Derechos Digitales.
Gisela Perez de Acha ist Policy Managerin bei Derechos Digitales.
© Gisela Perez de Acha

Geschlecht und Konsens

“Jeder Kollege kann meine Nacktbilder auf Google sehen”

Sie setzt sich für die digitale Freiheit für ihren Körper ein: Gisela Perez de Acha. Sie ist Policy Managerin bei der NGO “Derechos Digitales” für Lateinamerika und beschäftigt sich in dieser Funktion vermehrt mit der Verantwortlichkeit von Algorithmen bei Diskriminierung – vor allem von Frauen und Bildern ihrer nackten Körper. Die futurezone sprach mit der Aktivistin, die früher auch für FEMEN oben ohne auf die Straße ging, um für Frauenanliegen zu kämpfen, über Selbstbestimmung.

futurezone: Sie forschen zum Thema „Geschlecht und Konsens in Suchmaschinen“ und haben darüber kürzlich einen Vortrag gehalten. Ihre These ist es, dass Bilder von Frauen, die sich einmal dazu entschlossen hatten, sich in der Öffentlichkeit nackt zu zeigen, von Suchmaschinen immer weit vorn gerankt werden, egal wie alt sie sind.
Perez de Acha: Das ist korrekt. Einer der Gründe, warum ich mit der Recherche zu diesem Thema begonnen habe, lag daran, dass die Leute, die mich googeln, immer nackt finden. Diese Bilder sind die wichtigsten Suchergebnisse über mich bei Google, obwohl seither viel Zeit vergangen ist und ich mich nicht mehr mit diesen Bildern identifizieren kann. Ich habe jetzt aber meine persönliche Geschichte der Oben-Ohne-Proteste für Feminismus mit der Forschung über algorithmische Rechenschaftspflicht verbunden.

Sie geben also den Algorithmen Schuld daran, dass die Bilder relativ weit vorne aufscheinen?
Silicon-Valley-Unternehmen wie Google haben viel Macht über uns und die Suchmaschine wurde von weißen Männern programmiert, da fließen kulturelle Vorurteile sicher mit ein. Ich bin mir aber sicher, dass die Bilder unserer Körper auch Teil unserer Körper sind und ich daher ein Recht auf Selbstbestimmung habe, was damit passiert. Wir sind auch unser digitales Selbst. Wenn sich eine Frau entscheidet, nackt auf die Straße zu gehen, bedeutet das automatisch, dass sie einverstanden ist, dass diese Bilder immer online angezeigt werden?

Sind Sie von dem Problem selbst betroffen?
Ja, ich bin jeden Tag von diesem Problem betroffen. Ich habe nie zugestimmt, für immer online ausgestellt zu werden. Ich habe nur zugestimmt, oben ohne auf der Straße zu protestieren. Und Google ist eine private Firma, die mit obskuren Algorithmen arbeitet. Mein Körper sollte aber mir gehören, und nicht einem Silicon-Valley-Unternehmen. Ausgehend von der Geschlechtertheorie ist die Einwilligung jederzeit frei und widerrufbar. Die freie Wahlmöglichkeit von Frauen über ihre Körper war jahrhundertelang umstritten. Warum wenden wir nicht dieselben Standards online an? Jeder Arbeitgeber, jeder zukünftige Partner oder Kollege, der mich googelt, wird diese Bilder von mir sehen. Ich werde dadurch diskriminiert.

Sie fühlen sich also durch den Google-Algorithmus diskriminiert. Warum denken Sie, dass diese Bilder so weit oben aufgelistet sind?
Es ist schwierig, selbst algorithmische Verzerrungen zu bestimmen, weil es sich hier um Closed-Source handelt, also man von außen keinen Einblick hat. Hier gibt es nicht genug Transparenz, das selbst zu beurteilen, nach welchen Kriterien die Suchmaschine die Ergebnisse reiht. Aber eines kann man mit Sicherheit sagen, ohne in den Algorithmus hineinzusehen: Die Geschlechterdynamik, die herrscht, wird auf Google repliziert. Suchen Sie auf Google nach „CEO“ und Sie finden meist Männer. Suchen Sie nach Krankenschwester, finden Sie vor allem Frauen. Suchen Sie nach „Hand“ werden Ihnen meistens weiße Hände angezeigt. Natürlich sind hier kulturelle Vorurteile mit eingebettet.

Haben Sie es bei Ihren eigenen Bildern mal mit dem „Recht auf Vergessenwerden“ versucht? Und wie sieht es mit dem Urheberrecht aus?
Ja, ich habe versucht, das „Recht auf Vergessenwerden“ zu Forschungszwecken selbst zu nutzen, um die Antworten zu dokumentieren. Das Recht gilt allerdings nicht, wenn ich meine Einwilligung zur Publikation im Internet zurückziehen möchte. Urheberrechtsmechanismen sind ironischerweise ein einfacher Weg, unsere Intimität im Netz zu schützen, insbesondere bei Fällen, in denen intime Bilder nicht einvernehmlich entstanden sind. Das sagt sehr viel über die Machtdynamik aus, mit der wir online konfrontiert sind.

Was wäre Ihre Lösung? Wie lässt sich die Diskriminierung durch Algorithmen ändern?
Selbstzensur ist niemals die Antwort. Wir brauchen eine technische und rechtliche Lösung und zwar generell für die Kontrolle unserer Daten in der digitalen Welt, nicht nur für Suchmaschinen. Technologie ist weder neutral, noch unfehlbar. Das sollten wir uns als ersten Schritt zur digitalen Freiheit für unsere Körper bewusst machen.

Wie wollen Sie erreichen, dass Frauen eine Wahlmöglichkeit im Netz bekommen, was Bilder ihres Körpers betrifft?
In der Geschlechtertheorie werden die Grenzen zwischen Gewalt, Sexualität und Zustimmung immer wieder verhandelt und sind nicht klar. Mein Vorschlag ist es, über diese Probleme nachzudenken und sie auf die digitale Welt zu übertragen. Das ist der erste Schritt.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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