Über Facebook soll Trump die Wahl gewonnen haben
Über Facebook soll Trump die Wahl gewonnen haben
© REUTERS/© Dado Ruvic / Reuters

Wahlkampf

Mit Big Data Wähler manipulieren: "So einfach ist das nicht"

Dass über Facebook Botschaften gezielt an Bevölkerungsgruppen ausgespielt werden können, ist bekannt. Dass damit auch Wahlen gewonnen oder verloren werden können, eher weniger. Laut einem Bericht von Das Magazin haben die Brexit-Kampagne, aber auch Donald Trump mithilfe der Marketingfirma Cambridge Analytica Persönlichkeitsprofile von zig Millionen Nutzern erstellt, um diese über Facebook in ihren politischen Ansichten zu manipulieren.

Dazu wurden psychologische Online-Befragungen, die etwa in harmlosen Quiz-Apps integriert waren, mit dem Verhalten von Usern auf Facebook gekoppelt. Durch die Auswertung der persönlichen Fragen, anderer zugekaufter Daten und der Facebook-Interaktion über Likes, geteilte Links, und eigene Postings konnten digitale Persönlichkeitsprofile erstellt werden. Daraufhin wurden auf einzelne User zugeschnittene Botschaften erstellt, die beim jeweiligen Wähler die größte Wirkung entfalteten und so Trump bzw. den Brexit-Befürwortern zum Sieg verhalfen.

"Micro-Targeting nichts Neues"

So spannend der vorliegende Bericht ist, ruft dieser auch einiges an Kritik hervor. Vor allem die implizierte Aussage, eine Firma habe mit ihrer Methode sowohl die US-Wahl als auch Brexit entschieden, wird zunehmend angezweifelt. „So einfach ist es nicht. Der Artikel tut so, als ob Micro-Targeting die größte Neuerfindung der Welt ist. Fakt ist, dass das ganz gezielte Ansprechen von Wählern natürlich auch von der Clinton-Kampagne gemacht wurde“, erklärt Politikberater Yussi Pick, der zuletzt im Wahlkampfteam von Hillary Clinton in den USA mitgearbeitet hat.

Die Demokraten etwa verfügen seit zehn Jahren über eine laut Pick sehr solide Wählerdatenbank, die mit jedem Wahlkampf verfeinert worden sei. Noch vor der Wahl habe es viele Berichte gegeben, dass Clinton gerade aufgrund ihres Micro-Targeting gewinnen werde. „Wie immer legitimiert ein Wahlsieg rückblickend sämtliche Maßnahmen einer Kampagne. Eine einfache Antwort für Trumps Sieg und Clintons Niederlage gibt es aber nicht – gerade auch, da Clinton ja auf nationaler Ebene einen großen Stimmenvorsprung vorweisen kann“, sagt Pick.

Erfolgreiche Demobilisierung

Was allerdings definitiv über Micro-Targeting funktioniert habe, sei die gezielte Demobilisierung von Clinton-nahen Wählern in den letzten 8 Tagen vor der Wahl gewesen. So seien potenzielle Clinton-Anhänger in die Irre geführt worden, dass man in diesem Jahr erstmals auch per SMS abstimmen könne. „Das ist aus mitteleuropäischer Sicht unvorstellbar, dass da jemand drauf hineinfällt. Bei all den Hürden, ständigen Veränderungen beim Registrierprozess und unterschiedlichen Regeln in den einzelnen Staaten, konnten damit aber tatsächlich manche Wähler um die Stimme gebracht werden“, erklärt Pick.

Eine weitere Falschmeldung habe auf Latino-Wähler abgezielt. Diesen wurde suggeriert, Deportierungsbeamte würden inkognito als Wahlhelfer getarnt bei den Urnen warten und ausländisch aussehende Bürger bzw. deren Angehörige mit Abschiebung bedrohen. „In den USA ist angesichts der niedrigen Wahlbeteiligung die Mobilisierung und auch Demobilisierung von Wählerinnen das Um und Auf. Da spielt Micro-Targeting auf jeden Fall eine Rolle.“ Was die Demobilisierung betrifft, habe der Brief von FBI-Direktor James Comey wegen des privaten E-Mail-Servers Clintons aber weit mehr geschadet, ist Pick überzeugt.

"Gefahr für die Demokratie"

Doch nicht alle wollen die Machenschaften von Firmen wie Cambridge Analytica auf die leichte Schulter nehmen. „Wenn Firmen tatsächlich derart detaillierte Persönlichkeitsprofile zur Verfügung haben und sie diese für personalisierte Wahlwerbung nutzen, ist das eine Gefahr für die Demokratie“, kritisiert der österreichische Datenexperte Wolfie Christl. Der manipulative Charakter eines solchen Vorgehens sei auch deshalb so schwer einzuschätzen, weil die Firmen weitestgehend im Dunkeln operieren würden.

Symbolfoto.
„Anders als bei klassischer Wahlwerbung, die über verschiedene Kanäle verteilt werden, kann niemand mehr nachvollziehen, wem welche politischen Botschaften angezeigt werden. Das macht das Thematisieren von Widersprüchen oder Unwahrheiten für den politischen Mitbewerber oder Medien praktisch unmöglich“, erklärt Christl im futurezone-Interview. Im aktuellen Fall sei es folglich schlicht unmöglich zu wissen, ob und in welchem Ausmaß die angesprochene Firma bei Trump oder Brexit eine wahlentscheidende Rolle gespielt habe.

Dazu kommt, dass der Einsatz der beschriebenen Technologien, mit der europäischen Datenschutzgesetzgebung aktuell wohl kaum zu vereinbaren ist. Berichten zufolge sollen den politischen Parteien bzw. den in den Wahlkampf involvierten Big-Data-Unternehmen bis zu 5000 Datenpunkte pro Person zur Verfügung stehen. Das sei aus europäischer Sicht wohl nur schwer argumentierbar, sind Datenschützer überzeugt. Und auch in den USA wird das Ganze bereits kritisch beleuchtet.

Einige offene Fragen

Abgesehen davon ist zudem zweifelhaft, ob die besagte Firma tatsächlich so erfolgreich ist, wie der vieldiskutierte Artikel suggeriert. So weist etwa WDR-Journalist Dennis Horn darauf hin, dass Cambridge Analytica vom Trump-Konkurrenten Ted Cruz mitten in dessen Kampagne fallengelassen wurde und auch die Zusammenarbeit mit den Brexit-Befürworter aus finanziellen Gründen geplatzt sei.

Dass Cambridge Analytica den Wahlerfolg nutzen will, um neue Investoren und Kunden zu gewinnen, liegt auf der Hand. Mit dem Trump-Strategen Steve Bannon, der bereits als Investor bei der Firma mit an Bord ist, hat das Unternehmen einen einflussreichen Mann an seiner Seite, der den Weg ins Weiße Haus ebnen könnte. Jeglicher medialer Hype um die verwendeten Technologien dürften der Big-Data-Firma daher wohl ebenfalls nicht ungelegen kommen.

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

mehr lesen
Martin Jan Stepanek

Kommentare