EU

Nacktscanner: "Reines Lobby-Gesetz"

Der Verkehrsausschuss im Europäischen Parlament hat kürzlich die Einführung von Körperscannern an europäischen Flughäfen gebilligt, die eine direkte Abbildung der kontrollierten Passagiere erlauben und nicht nur Piktogramme darstellen. Die EU-Kommission begründete diese Ausweitung damit, dass es sonst mit L3 Communications nur einen Anbieter am Markt gebe und es dadurch zu einer "enormen Wettbewerbsverzerrung" kommen würde, die es zu verhindern gelte.

Diese Argumentation erzürnte nicht nur

wie den deutschen innenpolitischen SprecherAlexander Alvaro(FDP) oder die österreichische grüne Europa-AbgeordneteEva Lichtenberger, sondern auch Alexander Sander, Gründer der InitiativeNoPNR. "Es ist traurig, dass ein Beschluss geändert werden muss, nur weil die technische Entwicklung noch nicht soweit ist. Aber selbst wenn es zwei oder drei Firmen gebe, glaube ich kaum, dass plötzlich ein großer Wettbewerb entsteht", so Sander zur futurezone.

Milliardenmarkt
Es dürften daher andere Gründe hinter dieser Entscheidung stecken. So mutmaßt Sander etwa, dass andere Hersteller-Firmen von Körperscannern, die nicht auf Piktogramme setzen, "noch versucht haben, zugelassen zu werden". Schließlich ist das Geschäft mit de Körperscannern ein Milliardenmarkt. Die reinen Anschaffungskosten für ein entsprechendes Gerät betragen in etwa 120.000 Euro. Für Sander ist es "ein reines Lobby-Gesetz."

Laut dem SPÖ-EU-Delegationsleiter Jörg Leichtfried, dessen Fraktion zusammen mit den Christdemokraten im Verkehrsausschuss für das Gesetz gestimmt hat, wird die Zahl der Wettbewerber mit dieser Aufweichung auf sechs bis sieben Anbieter erhöht. Es sei allerdings schwer einzuschätzen, wie groß die Nachfrage nach den Geräten sein werde. Das EU-Gesetz schreibe den Einsatz von Körperscannern ja nicht vor, sondern lege nur Regeln für deren Einsatz fest.

"Keine Proportionen erkennbar"
Leichtfried sieht durch die Aufweichung des Gesetzes den Schutz der Privatsphäre, im Gegensatz zu Lichtenberger, Sander oder Alvaro, nicht verletzt. "Man sieht Menschen nach wie vor nur verwaschen, erkennt keine Proportionen. Nicht einmal das Geschlecht wird erkannt", meint der SPÖ-Delegationsleiter.

Er sei zwar nicht unbedingt glücklich über diese Aufweichung des Gesetzes, aber viel wichtiger sei, dass der Gesundheitsschutz gewährleistet und die Speicherung der Daten verboten sei. "Die EU-Kommission hat sich im Wesentlichen an unseren Initiativ-Bericht gehalten. Da es sich um kein Co-Gesetzgebungsverfahren handelt, hatten wir entweder die Möglichkeit ja oder nein zu sagen. Dagegen zu stimmen, wäre unverantwortlich gewesen", so Leichtfried.

Hohe Fehlerquote
Glücklicherweise ist in Europa allerdings kein Flughafen durch dieses Gesetz dazu verpflichtet, Körperscanner überhaupt einzusetzen. So zeigten die Geräte von L3 Communications (die übrigens auch Streubomben herstellen) bei Tests am Flughafen Hamburg in Deutschland eine hohe Fehlerquote. Bei 49 Prozent der 809.000 durchleuchteten Passagieren wurde ein "unnötiger Alarm" ausgelöst - und zwar wegen Schweißflecken oder Falten in der Kleidung. Bleibt abzuwarten, ob andere Firmen dies tatsächlich besser hinkriegen - und ob dadurch ein Wettbewerb entsteht.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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