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Urheberrecht

"Netzschilling" statt Internet-Abgabe

Eine vom Justizministerium geplante

liegt vorerst auf Eis und wird wohl erst in der nächsten Legislaturperiode Thema werden. Der Verein für Internet-Benutzer Österreichs,vibe.at, will die Nachdenkpause nützen und arbeitet gemeinsam mitCreative Commons Austriaam Konzept eines "Netzschillings". Mit der Pauschalvergütung soll die Verwendung von urheberrechtlich geschützten Inhalten im privaten Rahmen - etwa das Einbinden von Musik in private Videos auf YouTube - abgegolten werden.

Am Dienstag tritt erstmals eine Arbeitsgruppe zum "Netzschilling" zusammen, noch sind viele Fragen offen. Bis Mitte September soll ein erster Entwurf für das Pauschalvergütungsmodell zur Diskussion gestellt werden. Die futurezone hat Joachim Losehand von vibe.at zum "Netzschilling" befragt.

futurezone: Was ist der "Netzschilling"?
Joachim Losehand: Der "Netzschilling" ist ein Konzept, das eine Alternative zu bisherigen Kultur-Flatrate-Modellen bieten will. Damit soll die private Nutzung von Inhalten im nicht kommerziellen Umfeld abgedeckt werden. Zum Beispiel die Verwendung von Bildern oder Musik auf der eigenen Homepage, aber auch von Musik, die in private YouTube-Videos eingebunden wird. Es geht nicht darum, Geschäftsmodelle oder die normale Auswertung zu ersetzen. Wir wollen die kulturelle Vielfalt im Internet fördern und die private Verwendung von digitalen Inhalten legalisieren und lizenzieren.

Gibt es tatsächlich soviele produktive Nutzer? 
Es sind sicherlich deutlich weniger, als man gemeinhin annimmt. Wenn man sich aber ansieht, was etwa auf YouTube hochgeladen wird und welche Fallstricke es bei der Veröffentlichung von Inhalten im Urheberrecht gibt, glaube ich schon, dass eine breite Schicht von Internet-Nutzern betroffen ist. Sehr viele Leute nutzen das Internet nicht nur als Unterhaltungs- und Konsummedium, sondern auch um Inhalte zu veröffentlichen und sich mitzuteilen. Der "Netzschilling" soll im privaten Bereich vor Abmahnungen oder Rechtsverletzungen schützen. Er ist eine Möglichkeit solche einfachen Nutzungen zu lizenzieren und damit auch den Urhebern eine Vergütung zukommen zu lassen.

Das Fair-Use-Prinzip im US-Copyright deckt bestimmte nicht-autorisierte Nutzungen von geschützten Materialien ab. Dabei werden aber keine Lizenzzahlungen fällig.
Es sollte auch auf eine Art Fair-Use-Prinzip hinauslaufen. Unser europäisches Urheberrecht könnte das vertragen. Andererseits muss man sich auch Gedanken machen, wie es mit Pauschallizenzen und -vergütungen weitergeht. Unsere These ist, dass die digitale Privatkopie in Zukunft an Bedeutung verlieren wird. Die Festplattenabgabe zur Vergütung privater Kopien, die sicherlich in der einen oder anderen Variantekommen wird, wird nicht mehr die Erlöse lukrieren, die man sich vor wenigen Jahren noch vorgestellt hat. Dafür sollte auch der "Netzschilling" bereitstehen. Im Fair-Use-Bereich kann man sich auch Gedanken machen, inwieweit solche Möglichkeiten auch dazu beitragen können, Vergütungen für Künstler zu bekommen. Das muss ja nicht automatisch bedeuten, dass alles kostenlos und frei ist. Es sind bestimmte Rechte, die gegen eine angemessene Vergütung vergeben werden. In Europa haben wir diese Tradition.

Die Grünen haben eine Breitbandabgabe vorgeschlagen, die auch die private Weitergabe von Inhalten, etwa bei der Nutzung von Online-Tauschbörsen, abdeckt. Wäre das auch vom "Netzschilling" erfasst?
Das kommt darauf an, wie eine Bagatellgrenze definiert wird oder was an Nutzungen möglich ist. Wichtig ist uns, dass die normale Auswertung von Inhalten nicht gestört wird. Filesharing von aktuellen Kinofilmen oder ganzen Sammlungen aktueller Musik ist sicherlich nicht mit dem "Netzschilling" abgedeckt. Weil es auch digitale Geschäftsmodelle behindern oder verunmöglichen würde. Man muss deutlich unterscheiden zwischen jenen Internet-Nutzern, die ihre gesamte Musiksammlung ins Internet stellen und über Bittorrent anbieten und jenen, die das im Einzelnen tun und sich in einem deutlich privateren Rahmen austauschen. Wenn man Bagatellgrenzen berücksichtigt, lässt sich ein normales Tauschverhalten, das nicht so sehr in die Verwertungskette eingreift, dass sie geschädigt wird, sicherlich auch abbilden.

Soll eine solche Abgabe verpflichtend sein oder auf freiwilliger Basis eingehoben werden?
Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Es könnte eine Art Grundabgabe sein, die etwa im Rahmen einer möglichen Haushaltsabgabe eingehoben wird, um auch eine finanziell kritische Masse zu erreichen. Das haben auch die Grünen für ihre Breitbandabgabe vorgeschlagen. Möglich wäre aber auch, dass zusätzliche Lizenzen erworben werden können.

Wie hoch könnte ein solcher Netzschilling ausfallen?
Es gibt Studien darüber, was als sozial verträglich gilt. Das könnten vier bis sechs Euro sein - fünf Euro pro Monat und Haushalt wären ein plausibler Betrag.

Wer soll das Geld verteilen?
Die Verwertungsgesellschaften wären ein erster Ansprechpartner. Die Schwierigkeit dabei ist, dass Verwertungsgesellschaften momentan so aufgestellt sind, dass man als Mitglied alle seine Werke dort lizenzieren muss. Creative Commons Lizenzen werden nicht zugelassen. Es ist eine Frage, wie sich das weiterentwickelt.

Creative Commons Lizenzen bieten schon heute die Möglichkeit, Werke zu nicht kommerziellen Zwecken zu nutzen.
Creative Commons Lizenzen sind im Netz die Modelle, die am besten geeignet sind für die digitale Kultur, weil sie eine sehr einfache und verständliche Form der Weitergabe von digitalen Kulturgütern ermöglichen. Allerdings haben wir bei den CC-Lizenzen keinerlei Vergütungsmöglichkeit. Weil die Verwertungsgesellschaften sich weigern sie aufzunehmen. Der Anreiz für Musiker oder andere Künstler diese Lizenzen zu nutzen und mit ihrem Werk Geld zu verdienen, die ist bislang gleich Null. Mit dem "Netzschilling" wollen wir auch das ändern. Das sind sicherlich keine großen Beträge für Künstler, aber doch wenigsten Anerkennungsbeträge.  

Viele Kreative wollen aber selbst bestimmen, was mit ihren Werken passiert.
Es kann nicht alles kontrolliert oder verboten werden. Viele freie Werknutzungen sind etwa auch über das Zitatrecht abgedeckt. Alles zu verbieten, lässt sich im digitalen Zeitalter gesellschaftlich nicht mehr nachvollziehen. Andererseits haben auch die Creative Commons Lizenzen eine klare gestaffelte Regelung, was mit Werken erlaubt ist. Da verliert man auch nicht völlig die Kontrolle. Man sagt, ich hätte gerne, dass bestimmte Regeln eingehalten werden. Man muss den Urhebern die Möglichkeit geben, eine Art von Kontrolle über ihr Werk zu behalten.

Wie geht es mit dem Netzschilling weiter?
Erstmals werden wir in Arbeitsgruppen das Konzept ausarbeiten. Mitte September, beim Kongress  DNP 13 (Daten. Netz. Politik) wollen wir einen ersten Entwurf zur allgemeinen Begutachtung vorlegen und den weiter zur Diskussion stellen. Wir wollen abwarten, welche Reaktionen kommen und dann weiter daran arbeiten.

Welche Erwartungen haben Sie an die künftige Regierung, was das Urheberrecht betrifft?
Wir erwarten, dass die Regierung aus Fehlern lernt und frühzeitig alle Beteiligten in die notwendigen Reformprozesse einbindet und ohne zu großen Zeit- oder Lobbydruck versucht, tragfähige und nachhaltige Lösungen erarbeitet. Es ist wichtig, dass ein Konsens gefunden wird, der langfristig hält.

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AG "Netzschilling"
Die Arbeitsgruppe "Netzschilling" will bis September einen ersten Entwurf für das Pauschalvergütungsmodell  vorlegen. Nähere Informationen finden sich bei vibe.at.

Internet-Abgabe
Die Grünen schlagen zur Vergütung von Künstlern, deren Werke im Netz zu nicht kommerziellen Zwecken getauscht und verbreitet werden, in Anlehnung an bereits seit längerem diskutierte Modelle der Kultur-Flatrate eine Pauschalabgabe auf Internet-Anschlüsse vor.

Siehe auch:
-

Grüne sehen Chance auf Breitbandabgabe

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Teletest fürs Web soll Geld für Kunst bringen

-
Internet-Abgabe: Ja gerne - aber wozu?

 

Creative Commons
Mit Creative Commons-Lizenzen können Urheber auf einfache Weise Nutzungsrechte an ihren Werken einräumen. Inhalte können je nach Lizenz unter bestimmten Bedingungen verbreitet, und vervielfältigt, aber auch verändert und weiterverarbeitet werden. 

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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