Netzsperren in Österreich: Verlierer auf allen Fronten
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An mehrere heimische Provider, insgesamt acht an der Zahl, gingen Anfang der Woche Schreiben der Wiener Anwaltskanzlei Deschka Klein Daum mit der Aufforderung, The Pirate Bay und weitere 12 URLs zu sperren. Die Frist war extrem kurz angesetzt und lautete: Freitag, 28.8., 9:00 Uhr.
Nach Ablaufen dieser Frist ist nun klar: Nicht jeder Provider, der die Aufforderung erhalten hat, hat die geforderten Netzsperren umgesetzt. Unter den Sperr-Verweigerern sind mit T-Mobile, Drei und UPC drei große Player dabei. T-Mobile erläuterte die Gründe, warum sie die Sperre nicht umsetzen, bereits gegenüber der futurezone.
Provider: Gerichte sollen entscheiden
Seitens UPC hieß es auf futurezone-Anfrage dazu: „Unsere Aufgabe als führende Anbieterin für Unterhaltung und Kommunikation liegt in der Bereitstellung der Infrastruktur. Wir haben das Ziel Menschen mit unserem Netz den Zugang zum Internet zu ermöglichen und sie miteinander zu verbinden - und wir haben natürlich Verständnis für Rechteinhaber. Wir sehen dabei aber weder die Verpflichtung, noch das Recht auf Selektion oder Prüfung der darin angebotenen Inhalte, bei uns als Infrastrukturanbieterin. Deshalb liegt unserer Ansicht nach die Entscheidung zu etwaigen Sperren direkt bei den Gerichten.“
Damit weist UPC neben Drei und T-Mobile die Aufgabe, als Provider selbst entscheiden zu müssen, welche Seiten in Österreich wegen Urheberrechtsverletzungen gesperrt werden müssen, klar von sich. A1 würde das auch gerne tun, kann in diesem Fall aber nicht. Denn A1 wurde vom Handelsgericht Wien mit einer einstweiligen Verfügung und einem Beschluss bedacht, aus der hervorgeht, dass sie The Pirate Bay, Isohunt.to, 1337x.to und H33T.to sperren müssen. Gesperrt werden seitens A1 daher jetzt seit Freitag auch die Top Level Domains thepiratebay.gd, .la, mn, .mu, .sh, .tw, .fm, .ms und .vg.
"Zweckmäßigkeit fraglich"
Doch auch A1 findet, dass die „Zweckmäßigkeit von Netzsperren durchaus fraglich ist“, wie Pressesprecherin Livia Dandrea-Böhm auf futurezone-Anfrage mitteilt und dass es einer „ordentlichen, gesetzlichen Grundlage“ bedarf, wie und in welchen Fällen diese umgesetzt werden sollen. Dies fordern eigentlich durchgehend alle Provider, die bisher mit Schreiben von Anwaltskanzleien im Auftrag von Rechteinhabern zu tun gehabt haben.
Eine gesetzliche Grundlage müsste das Bundesministerium für Justiz mit einer erneuten Urheberrechtsnovelle schaffen. Entsprechende Arbeitsgruppen dazu gab es bereits, doch über den Sommer sind die Gespräche zwischen Providern, Rechteinhabern und Justizministerium ins Stocken geraten. Eine Anfrage der futurezone, wann die nächsten Arbeitstreffen stattfinden werden, blieb vorerst unbeantwortet.
Amtliche Prüfung als Option?
Konkret vorstellen könnten sich Provider etwa, dass ein Richter gegen eine geringe Gebühr die Anwaltsschreiben prüft und somit eine „amtliche Prüfung“ vornimmt. Das müsse jedoch auf jeden Fall eine Person mit „richterlicher Kompetenz“ sein, heißt es aus Provider-Kreisen. Rechteinhaber hätten gerne ein Agreement zwischen Providern und Rechteinhabern, doch das lehnten die Provider bisher strikt ab. Denn das oberste Gebot bei diesem heiklen Thema lautet: Transparenz.
„Einer Lösung mittels "Memorandum of Understanding" können wir nichts abgewinnen. Der Bereich des Grundrechtsschutzes ist keiner, in dem Raum für intransparente österreichische Pfusch-Lösungen besteht. Wir sind jedoch zuversichtlich, dass eine Lösung gefunden werden kann und offen für Gespräche“, erklärt Maximilian Schubert, Generalsekretär des Verbands für Internet Service Provider (ISPSA). Auch ISPA-Mitglieder seien von der Sperraufforderung betroffen gewesen, so Schubert.
Festgefahrene Situation
Wie verfahren die Situation derzeit zwischen Providern und Rechteinhabern in der Causa tatsächlich ist, zeigt, dass die Rechteinhaber jetzt erneut den Schritt vor Gericht gehen werden. „The Pirate Bay, isohunt.to, h33t.to und 1337x.to sind strukturell rechtsverletzende Seiten und der Zugang darauf ist zu sperren. Das hat das Handelsgericht Wien in einem exemplarischen Verfahren gegenüber A1 rechtskräftig entschieden und damit liegt die von den Providern immer verlangte gerichtliche Klärung nun vor“, sagt Thomas Böhm, Pressesprecher des Verbands der österreichischen Musikwirtschaft (IFPI Austria) und der LSG.
„Wir haben überhaupt kein Interesse an weiteren Gerichtsverfahren, aber wenn einzelne Provider rechtskräftige Gerichtsentscheidungen und darauf beruhende Aufforderungen ignorieren, dann bleibt nur mehr der Weg zu den Gerichten“, ergänzt Böhm. Dies sieht auch Felix Daum, Rechtsanwalt der mit dem Schreiben beauftragten Kanzlei Deschka Klein Daum, so. „Die Sachlage und Rechtsfrage wurden durch das Verfahren gegen A1 klar behandelt“, so der Jurist. „Wenn es sich um die gleiche, identische Seite handelt, muss ich als Provider damit rechnen, dass ich dann verklagt werde und dass diese Sperre wohl auch rechtens ist, weil es Vorentscheidungen gibt“.
"Nur Anwaltskanzleien profitieren"
Den Providern, die die Sperren verweigern, geht es bei der Angelegenheit ums Prinzip. Würde man etwa, wenn der Nachbar seine Gartenhütte abreißen muss und das Gericht dies völlig korrekterweise angeordnet hat, seine eigene in „vorauseilendem Gehorsam“ ebenfalls gleich vorbeugend abreißen? „Im Moment scheinen wirklich nur die Anwaltskanzleien zu profitieren“, sagt Schubert von der ISPA.
„Sperren sind wirkungslos, da sie von den Nutzerinnen und Nutzern in Ermangelung eines hinreichenden legalen Angebots überwunden werden. Rechteinhaber bleiben auf ihren Kosten sitzen und stehen seit über zwei Jahren mit ihren Forderungen nach Sperren im Netz - zu Recht - im Zentrum der öffentlichen Kritik. Provider werden in eine Richterrolle gedrängt, was weder den Grundsätzen eines demokratischen Rechtsstaats genügt noch von diesen akzeptiert wird“, ergänzt Schubert von der ISPA. Derzeit gibt es auf beiden Seiten – seitens der Provider und seitens der Rechteinhaber – also nur Verlierer.
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