© Julien Warnand, apa

Digitale Wirtschaft

Oettinger schimpft über Promis mit Nacktfotos im Netz

„Wenn jemand so blöd ist und als Promi ein Nacktfoto von sich selbst macht und ins Netz stellt, kann doch nicht von uns erwarten, dass wir ihn schützen. Vor Dummheit kann man die Menschen nur eingeschränkt bewahren.“ Das sagte der designierte EU-Kommissar für die Digitale Wirtschaft, Günther Oettinger, bei seiner Anhörung vor dem EU-Parlament zu der Frage, wie Bürger im Internet geschützt werden können.

In den USA waren Nacktfotos von Prominenten aufgetaucht, deren Konten bei Online-Speicherdiensten wie der iCloud von Apple gehackt worden waren. Der deutsche EU-Parlamentarier Jan-Philipp Albrecht von den Grünen analysiert: "Oettingers Antwort zeigt, dass er überhaupt nicht verstanden hat, dass es in diesem Fall um das Knacken von Cloud-Schutz ging. Wer so daherredet, beweist nur, wie wenig die angestrebte digitale Revolution in Europa mit ihm zu machen ist."


Google als Musterfall

Auch dass Datenschutz und IT-Security Neuland seien, sagte Oettinger, der sehr selbstbewusst auftrat, während des Hearings. Auf viele Fragen, die zu Beginn gestellt wurde, antwortete Oettinger jedoch mit: "Das beantworte ich später".

Zum "Recht auf Vergessen" bezog Oettinger klar Stellung. Er will das EU-Verfahren gegen Google zum Musterfall machen. Nachgereichte Fälle und Probleme sollten in einem solchen „Google-Paket“ zusammengefasst werden, sagte Oettinger am Montagabend bei seiner Anhörung vor dem Europäischen Parlament.

Ein baldiges Ende des Verfahrens, in dem die EU-Kommission die Marktmacht des US-Konzerns bei der Internetsuche untersucht, sieht Oettinger nicht. „Mit dem im Februar angebotenen Kompromiss würden wir die Marktmacht von Google eher zementieren. Das kann unmöglich in unserem Interesse sein“, sagte der deutsche Politiker.

Nach seiner Darstellung wäre der Fall zu dem Zeitpunkt schon abgeschlossen worden, wenn er nicht dagegen Widerstand geleistet hätte. Oettinger verwies in diesem Zusammenhang auf die Probleme von Verlegern, die gegen die Marktmacht von Google kämpfen. Federführend bei dem Fall ist indes der bisherige Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia sowie voraussichtlich ab November dessen Nachfolgerin Margrethe Vestager.

„Aufholjagd beginnen“

Oettinger, warnte vor einem Zurückfallen Europas im internationalen Wettbewerb. „Wir müssen die Aufholjagd beginnen." Oettinger sagte, die zehn größten IT-Unternehmen der USA könnten von ihrer Kapitalkraft her etwa die 50 bis 80 größten IT-Firmen Europas übernehmen. „Da steckt (..) ein Gefahrenpotenzial, das man in keiner Form unterschätzen darf.“ Um sich weltweit behaupten zu können, müssten europäische Firmen auch wachsen dürfen, junge Unternehmen bräuchten gute Startbedingungen.

„28 fragmentierte digitale Welten“

Europa stecke „mitten in einer Revolution“, notierte Oettinger, der derzeit noch EU-Energiekommissar ist. „Wir haben immer noch 28 weitgehend fragmentierte digitale Welten“, stellte er mit Blick auf die EU-Staaten fest. Oettinger pochte auf eine engere Zusammenarbeit der nationalen Behörden im „digitalen Binnenmarkt“. Er forderte auch mehr Informatik-Studenten, den Ausbau des schnellen Breitbandinternets, Investitionen und gute Bedingungen für europäische Telekomunternehmen.

Von dem durch den neuen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker angekündigten 300 Milliarden Euro schweren Investitionsprogramm soll nach Angaben Oettingers „ein signifikanter Teil“ in den Ausbau der digitalen Infrastruktur fließen. Zudem sollen Start-ups stärker gefördert werden.

Doch nicht allein Industriepolitik soll künftig zu Oettingers Aufgaben gehören - er muss sich auch der Debatte um die Freiheit des Internets stellen.

Netzneutralität

Die Abgeordneten befragten Oettinger nach seiner Haltung zur Netzneutralität, also dem Prinzip, dass Internetanbieter bestimmte Daten nicht schneller als andere durchleiten dürfen - was andere Dienste verlangsamen könnte. Europa denkt derzeit über Regeln zur Netzneutralität nach und darüber, unter welchen Bedingungen es Abweichungen geben könnte. „Für mich hat eine Abweichung von der Regel der Netzneutralität nur dort Platz, wo es um öffentliche Interessen geht und nicht um kommerzielle Interessen“, sagte Oettinger. Bei genauerer Nachfrage ergab die Befragung allerdings, dass er den alten Kommissionsvorschlag unterstützt, wonach ein "Zwei-Klassen-Internet" durch zahlreiche Ausnahmen durchaus möglich erscheint.

In das Urheberrecht „hineintasten“

Zur Reformierung des Urheberrechts will Oettinger erst „in den nächsten Jahren“ einen Vorschlag vorlegen. Er wolle sich bewusst in das Thema „hineintasten“. Ziel müsse sein, im digitalen Zeitalter eine Balance zwischen den Rechten der Urheber und denen der Verbraucher zu finden, sagte der Deutsche. Zugleich unterstrich Oettinger: „Wir müssen den Urheber ausreichend schützen, damit es morgen und übermorgen noch Urheber gibt.“ Er kündigte hier auch an, die Meinung der Netz-Community einholen zu wollen.

„Geschlossene Linie“ im Datenschutz

Zum Thema Datenschutz sagte Oettinger, wirksam sei nur ein europäischer. Bisher seien einige Staaten zurückhaltend gewesen, doch „weitere Verzögerungen, die wir in den vergangenen Jahren beobachtet haben, sind nicht mehr hinnehmbar“. Wenn „wir überhaupt mit den USA in der Frage der Abhör- und Speicherpraktiken erfolgreich verhandeln wollen, brauchen wir eine geschlossene europäische Linie“.

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