Auch Bürgerorganisationen wie epicenter.works wiesen immer wieder auf die Gefahren des Gesetzes hin.

Auch Bürgerorganisationen wie epicenter.works wiesen immer wieder auf die Gefahren des Gesetzes hin.

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Österreich

Online-Tool ermöglicht Protest gegen Überwachungspaket

Vergangene Woche wurde das im Jänner vom Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) angekündigte Sicherheitspaket in Begutachtung geschickt. Der Gesetzesentwurf beinhaltet neben Maßnahmen zur Überwachung verschlüsselter WhatsApp- oder Skype-Nachrichten auch eine Reihe von anderen Befugnissen, die Bürgerrechtsorganisationen als „massive Einschränkung von Rechten“ wahrnehmen.

Dazu zählen neben dem Staatstrojaner etwa der Einsatz von sogenannten IMSI-Catchern, Netzsperren, die Vorratsdatenspeicherung für Videoüberwachung, eine abgewandelte Form der „allgemeinen“ Vorratsdatenspeicherung (Quick Freeze), eine Vollüberwachung aller Autofahrer sowie die Abschaffung anonymer Wertkarten.

Bis zum 21. August haben Initiativen, Bürger, Organisationen und Interessenvertreter nun Zeit, Stellungnahmen abzugeben. Für die SPÖ war diese Begutachtungsphase eine Bedingung, um das geplanten Sicherheitspaket vielleicht doch noch in dieser Legislaturperiode abzusegnen. Die Partei hatte angekündigt, die Stellungnahmen genau analysieren zu wollen.

Tool zur einfachen Beteiligung

Nun sind – eine Woche nach dem Start der Begutachtungsphase – bereits mehr als 1800 (Stand: 17.7. 13.30 Uhr) Stellungnahmen zum Sicherheitspaket beim Parlament eingetroffen. Bis zum 15.7. wurden rund 300 davon bereits bearbeitet und online gestellt. Grund für den großen Andrang ist ein teilautomatisiertes Tool, das auf überwachungspaket.at zur Verfügung steht. Dieses macht es jedem Bürger möglich, sich mit einer Art Formular am Konsultationsprozess zu beteiligen.

In einzelnen Boxen können Häkchen zu den einzelnen Überwachungsmaßnahmen gesetzt werden, gegen die man protestieren will. Wer auf "weiter" klickt, landet in einem Menüfenster, bei dem ein generierter Text mit Kritik an der einzelnen Überwachungsmaßnahme erscheint. Dieser kann dann auch noch wahlweise händisch von jedem Einzelnen editiert werden.

Wer in Folge seinen Namen einträgt und den Bedingungen zustimmt, bekommt eine E-Mail, die es einem ermöglicht, alle Angaben noch einmal zu überprüfen. Danach muss man seine Teilnahme noch einmal mit einem Klick bestätigen. Dadurch schickt man in Folge automatisch seinen Beitrag zur Konsultation an das Parlament. Dieses bearbeitet die Stellungnahme in Folge und stellt sie auf die Website.

„Wir arbeiten daran, dass das die erfolgreichste Begutachtung wird, die es je gegeben hat. Zumindest, was die Quantität betrifft“, erklärt Werner Reiter von epicenter.works. Die Bürgerrechtsorganisation hat das Tool entwickelt, um den parlamentarischen Prozess für Bürger zu vereinfachen. „Es gibt aber die Möglichkeit, dass Menschen die Texte händisch verändern und Punkte oder Argumente hinzufügen, die ihnen persönlich wichtig sind. Nur der Prozess der Übermittlung an das Parlament passiert wirklich automatisiert“, erklärt Reiter.

Umfangreicher Staatstrojaner

Viel Kritik gab es an den Plänen der Regierung bisher unter anderem, weil darin der Einsatz einer staatlichen Schadsoftware vorgesehen ist, die Kritiker als "Staatstrojaner" bezeichnen. Anders als vom Justizminister immer wieder in Interviews betont, dürfen Behörden damit nämlich nicht nur die Kommunikation WhatsApp oder Skype überwachen, sondern den gesamten Internetverkehr – also etwa auch „Inhalte von Homepages, Beiträge in Newsgroups, Informationen über Bestellvorgänge, Aufrufstatistiken von Webseiten“, wie im Gesetzesentwurf steht. „Die meisten Menschen, die unser Tool verwenden, sprechen sich aber gegen alle geplanten Überwachungsmaßnahmen aus“, erklärt Reiter.

Bisher gab es bei der Bildungsreformgesetz 2017 und der Dienstrechts-Novelle 2013 die meisten eingebrachten Stellungnahmen im parlamentarischen Begutachtungsprozess. Diese Zahlen wurde bereits geknackt. Beim österreichischen Parlament nachgefragt, sieht man die Flut an Stellungnahmen eher gelassen. "Die werden alle eingepflegt und angesehen", hieß es seitens der Pressestelle der Parlamentsdirektion.

„Es geht uns vor allem um Usability, damit sich mehr Bürger einfach an demokratischen Prozessen beteiligen können“, erklärt Reiter. Während ein derartiges Tool in Österreich zum ersten Mal zum Einsatz kommt, gab es das auf EU-Ebene bereits. Bei der Konsultation von BEREC zur Netzneutralität nutzten mehr als 500.000 Europäer ein Online-Werkzeug, um sich für den Erhalt des offenen Internets auszusprechen.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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