Viktor Mayer-Schönberger, Professor für Internet Governance and Regulation am Oxford Internet Institute
Viktor Mayer-Schönberger, Professor für Internet Governance and Regulation am Oxford Internet Institute
© Chatham House

Big Data

Oxford-Professor warnt vor "Diktatur durch Daten"

Der aus Österreich stammende Oxford-Professor Viktor Mayer-Schönberger, dessen Buch über das Phänomen Big Data im Oktober 2013 in deutscher Sprache erscheinen wird, sprach am dritten Sicherheitskongress des KSÖ, der am Donnerstag in Wien stattfand, über gefährliche aktuelle Entwicklungen, die mit dem massenhaften Sammeln von Daten einhergehen. Es war sein erster Vortrag im deutschsprachigen Raum zu dem Thema.

„In mehr als einer der US-Bundesstaaten wird eine Großdatenanalyse gemacht, um herauszufinden, ob jemand auf Bewährung frei gelassen werden soll und ob es wahrscheinlich ist, dass die Person im nächsten halben Jahr einen Mord begeht“, erzählt Mayer-Schönberger. Minority Report sei nicht nur ein Film, sondern bereits Realität.

„Wollen wir wirklich in einer Welt wie dieser leben, in der Algorithmen menschliches Verhalten vorhersagen, bevor wir dieses Verhalten überhaupt setzen? Sicher, es scheint eine gute Idee zu sein. Wir stoppen jemanden, bevor er eine strafbare Handlung setzt. Trotzdem wäre es meines Erachtens grundfalsch Menschen zu bestrafen, weil eine Datenanalyse vermeintlich vorhersagt, welches Verhalten jemand an den Tag legen könnte. Das wäre eine Strafe ohne echten Beweis, die Fähigkeit der Entscheidung wird dem Menschen genommen und es gibt keinen Anreiz mehr, dass jemand sich gesetzeskonform verhält“, fährt Mayer-Schönberger fort.

"Achtung vor Diktatur durch Daten"

Das Problem dabei sei nicht die Großdatenanalyse, sondern die menschlichen Entscheidungen in der Anwendung der Großdatenanalyse. „Wir missbrauchen die Korrelation für Zwecke der Ursachenforschung und Strafzuweisung. Das ist aber problematisch, weil es die Grundsätze menschlicher Gerechtigkeit und Freiheit in Frage stellt. In dem Maße, in dem wir den freien Willen der Menschen in Frage stellen, tun wir noch mehr: Nur jemand der frei entscheiden kann, kann auch Verantwortung übernehmen. Wem aber der freie Wille genommen wird, wird auch die Verantwortung genommen. Ohne Verantwortung gibt es keine Schuld, ohne Schuld gibt es keine Unschuld. Wir müssen uns also in Acht nehmen vor der Diktaktur durch Daten.“

Deshalb, so Mayer-Schönberger, müsse man Rahmenbedingungen schaffen, damit „wir Big Data kontrollieren und nicht Big Data uns kontrolliert“. Im Zeitalter von „Small Data“ sei die Zugriffskontrolle bei der Datensicherheit ausreichend gewesen, im Zeitalter von „Big Data“ brauche man hingegen eine Plausibilitätskontrolle. Es müsse eine neue Art von Experten geschaffen werden – und zwar unabhängige professionelle „Algorithmiker“.

Das Zeitalter der „Zweckbindung“ im Bereich Datenschutz sieht Mayer-Schönberger hingegen als passé an. „Der zentrale Mechanismus des Datenschutzes, die Zweckbindung, verlierts seine Effektivität.“ Daher müsse man die Unternehmen, die den Mehrwert mit den Daten erwirtschaften, in die Pflicht nehmen, das Risiko abzuschätzen und Maßnahmen zur Folgeminderung zu entwickeln.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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