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Demokratie

Plattform setzt auf wachsende Bürgerbeteiligung

Eine Initiative für die Wiedereinführung der Glühbirne, eine Gruppe, die für einen Laptop-freien Tag in Wien Neubau eintritt, das Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien, aber auch ein Volksbegehren gegen Volksbegehren. Sie alle finden sich auf iDepart, einer Plattform für aktive demokratische Partizipation, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die Bürgerbeteiligung zu stärken und einen Überblick über Initiativen aus der Zivilgesellschaft zu bieten.

"Wir wollen eine Anlaufstelle für Leute sein, die sich über zivilgesellschaftliche Initiativen informieren und die sich auch aktiv beteiligen wollen", sagen die Gründer der Plattform, Philippe Hoffuri und Bernhard Schreder. Im vergangenen November ist die Plattform gestartet, rund 30 Initiativen sind dort bereits gelistet.

"Viele Initiativen werden gar nicht wahr genommen"
Die Idee zu iDepart hatten Hoffuri und Schreder, weil sie nirgendwo Angebote fanden, auf denen zivilgesellschaftliche Initiativen gesammelt zugänglich waren. "Einen Überblick über unterschiedliche Aktivitäten kann man sich nur sehr schwer verschaffen", meint Hoffuri: "Viele Initiativen werden von der Öffentlichkeit deshalb auch gar nicht wahrgenommen."

Idepart will Initiativen von Bürgern und Organisationen nicht nur zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen. Leute sollen auch dazu ermuntert werden, selbst aktiv zu werden. Sie können auf der Plattform Initiativen starten, Unterstützer suchen, Arbeitsgruppen einrichten und Veranstaltungen und Aktivitäten planen.

Erfahrungsaustausch
Auch das Know-how dazu wird vermittelt. In einer Wissensdatenbank werden Beiträge erfahrerener Aktivisten gesammelt und Hilfestellungen gegeben. "Für Leute, die noch nie einen Infostand gemacht haben, kann das schon die erste Hürde sein", sagt Hoffuri: "Wenn Leute Erfahrungen haben und sie weitergeben, wird der Aktivismus gefördert."

Mehr als "Slacktivism"
Von "oberflächlichen" Formen der Bürgerbeteiligung und "Slacktivism", wie etwa das "Liken" von einschlägigen Facebook-Gruppen oder dem Unterzeichnen von Petitionen auf Plattformen wie Avaaz will sich iDepart abgrenzen. "Wenn ich etwas "like" oder unterschreibe, kann ich mich zurücklehnen und trotzdem das gute Gefühl haben, etwas gemacht zu haben", meint Schreder: "Dann vergesse ich das Thema und bekomme auch keine Informationen, wie es damit weitergeht."

Auf iDepart sollen Initiativen während ihres gesamten Lebenszyklus begleitet und Bürgern zahlreiche Möglichkeiten gegeben werden, aktiv daran teilzunehmen. "Das kann im Kleinen beginnen, etwa wenn ich etwas gegen die Schließung eines Postamtes in meiner Nähe unternehmen möchte", sagt Schreder.  "Die Vernetzungsmöglichkeiten, die wir bieten, zielen auch darauf ab, im Offline-Bereich aktiv zu werden."

Die Plattform steht allen Initiativen offen, die demokratischen Werten nicht widersprechen und keine sexistischen oder rassistischen Inhalte verbreiten. "Wir wollen das sehr offen halten", sagt Hoffuri: "Uns ist die Meinungsfreiheit wichtig."

"Bereitschaft aktiv zu werden stark gewachsen"
Die Bereitschaft aktiv zu werden sei in den vergangenen Jahren stark gewachsen, sagen die Gründer. "Neben den zunehmenden technischen Möglichkeiten der Vernetzung hat dazu auch die Unzufriedenheit mit der Politik beigetragen." In Österreich hätten vor allem die zahlreichen Korruptionsskandale die Leute wachgerüttelt, sagt Hoffuri. "Die Politikverdrossenheit hat zugenommen. In vielen Bereichen gibt es auch einen Reformstau."

"Mega-Schlagwort": Direkte Demokratie
Direkte Demokratie sei derzeit zwar ein "Mega-Schlagwort" und in der Politik in aller Munde, die Parteien würden aber die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung nicht wirklich ernst nehmen, meint Hoffuri. "Das ist lediglich ein Lippenbekenntnis."

Die vor mehr als einem Jahr in Österreich eingeführte Möglichkeit der Online-Bürgerinitiative im Parlament, begrüßen Hoffuri und Schreder. Störend sei lediglich, dass 500 Offline-Unterschriften nötig sind, um eine solche Initiative zu starten. Auch bei der europäischen Bürgerinitiative seien die Hürden in Österreich im Vergleich zu anderen EU-Ländern "extrem hoch angesetzt". "Man hat das Gefühl, dass die Bürger in Österreich klein gehalten werden sollen", sagt Hoffuri.

Freemium-Modell
Angestoßen wurde die Plattform durch eine Finanzierung auf dem Crowdfunding-Portal respekt.net, derzeit wird iDepart von einem Großspender unterstützt. Künftig wollen die Gründer ein Freemium-Modell anbieten, um Einnahmen zu erzielen. Interessensvertretungen oder politischen Parteien, die mit Initiativen auf der Plattform präsent sind, soll eine Jahresgebühr verrechnet werden. Dafür sollen sie auch auf zusätzliche Funktionen, die für professionelle Nutzer relevant sind, zugreifen können. "Das reicht von Darstellungsmöglichkeiten mit Logo bis hin zu Analyseverfahren, die für professionelle Nutzer relevant sind", erläutert Hoffuri.

"Bürgerappell"
Künftig wollen Hoffuri und Schreder weitere Werkzeuge zur Bürgerbeteiligung auf ihrer Plattform bieten. Noch in diesem Jahr soll Initiativen etwa die Möglichkeit des "Bürgerappells" zur Verfügung stehen. Damit können, ähnlich wie bei einer Petition, etwa E-Mails an Abgeordnete geschrieben werden. Bei der Erweiterung der Plattform sollen auch Anregungen von Bürgern und Organisationen berücksichtigt werden. "Wir versuchen Vorschläge unserer Nutzer umzusetzen."

Mobile Anwendung
Auch eine mobile Applikation für die Plattform ist geplant und soll noch heuer veröffentlicht werden. Die App wird Nutzern unter anderem ortsbezogene Erinnerungen schicken. "Wenn ich in der Nähe eines Magistrats bin, könnte ich etwa daran erinnert werden, ob ich nicht ein Volksbegehren unterschreiben möchte, das gerade läuft", sagt iDepart-Gründer Schreder. "Es ist uns ein wichtiges Anliegen, politische Beteiligung in den Alltag einzubinden."

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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