New Austrian government
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Netzpolitik

Überwachung verschlüsselter Nachrichten: Das plant die neue Regierung

Am Mittwochabend wurden die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen. Am Donnerstag gaben ÖVP-Chef Sebastian Kurz und der Bundessprecher der Grünen, Werner Kogler, ihr Regierungsprogramm bekannt. Die Digitalisierung nimmt in dem 326-seitigen Papier viel Raum ein. Das Wort „digital“ kommt 194 Mal vor.

Österreich solle zu „einer der führenden Digitalnationen innerhalb der Europäischen Union“ werden, heißt es etwa. Neben dem Breitbandausbau und der Weiterentwicklung der digitalen Verwaltung bekennt man sich zu Open Data. Auch eine verfassungskonforme Regelung zur Überwachung verschlüsselter Nachrichten, also eine Alternative zu dem vom Verfassungsgerichtshof gekippten "Bundestrojaner", wird gesucht. Die Regierung will aber auch staatliche Überwachungsmaßnahmen evaluieren lassen. Von dem von der früheren ÖVP-FPÖ-Regierung geplanten digitalen Vermummungsverbot ist keine Rede mehr.

Daneben wird an einer Strategie für künstliche Intelligenz gearbeitet. Für Start-ups ist eine neue Gesellschaftsform geplant. Es soll auch mehr Anreize für privates Risikokapital geben. Im folgenden die wichtigsten Punkte der türkis-grünen Technologiepolitik:

Breitbandausbau

Bis 2030 sollen flächendeckend feste und mobile Gigabit-Anschlüsse verfügbar gemacht werden. Dazu soll unter anderem der Glasfaserausbau vorangetrieben und die Breitbandmilliarde neu strukturiert werden.

Gemeinsam mit Telekom-Betreibern will die Regierung die – wie es vollmundig heißt -  „5G-Vorreiterrolle“ ausbauen. Die geplante Multiband-Ausschreibungsrunde soll rasch abgewickelt und die Anwendung für neue Technologien, wie autonomes Fahren und das Internet der Dinge, forciert werden. Auf EU-Ebene will man sich außerdem dafür stark machen, die Abhängigkeit von Drittstaaten bei Hard- und Software-Lösungen zu vermeiden.

Die Regierung bekennt sich in ihrem Programm auch zur Netzneutralität, der Gleichbehandlung aller Daten und Dienste im Internet.

Digitale Verwaltung

Wie schon die Vorgängerregierung setzt man auf den Ausbau der „Digitalen Verwaltung“. Dazu sollen das im vergangenen Jahr eher holprig gestartete Digitale Amt und oesterreich.gv.at zu „zentralen Plattformen für die digitale Interaktion mit der Verwaltung“ entwickelt werden. Auch die ursprünglich für 2019 angekündigte Integration des Führerscheins in das Digitale Amt soll umgesetzt werden. Wie auch schon die ÖVP-FPÖ-Regierung plant Türkis-Grün eine digitale Identität.

Bürgerkonto

Geschaffen werden soll auch ein „persönliches Bürgerkonto“, das neben der einfachen Erledigung von Behördenwegen auch ersichtlich machen soll, welche Daten der Staat über einen gespeichert hat.

Auch von der Einführung einer Ö-Cloud, die vom künftigen Kanzler bereits wiederholt ventiliert wurde, ist in dem Papier die Rede. Gemeint ist damit, wie es in dem Papier heißt, die „Schaffung eines nationalen Netzwerks an Servern, auf dem Nutzerinnen und Nutzer in Österreich ihre Daten benutzerfreundlich in der Cloud abspeichern können.“ Die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen soll dabei garantiert werden.

Open Data

Angekündigt wird auch eine Umsetzungsstrategie für Open Data, die nicht personalisierte Daten des Bundes frei zugänglich machen soll. Dabei ist auch eine Öffnung der Verkehrsauskunft Österreich geplant. Auch die zum Budget veröffentlichte Daten sollen künftig in maschinenlesbarer Form zur Verfügung gestellt werden.

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Alternative zum Bundestrojaner

Der Ausbau von Überwachungsmaßnahmen, der im Programm der Vorgängerregierung eine prominente Rolle einnahm, findet nur wenig Platz. Anvisiert wird allerdings eine „verfassungskonforme Regelung zur Überwachung verschlüsselter Nachrichten“, nachdem der Verfassungsgerichtshof im Dezember den „Bundestrojaner“ kassiert hat.

Ansonsten heißt es „gläserner Staat statt gläserner Bürger“: So wird etwa eine umfassende Evaluierung bestehender Überwachungssysteme unter Einbindung der Zivilgesellschaft und unabhängiger Experten angekündigt.

Im Kapitel „Innere Sicherheit“ ist auch von der „verstärkten Möglichkeit zum Einsatz von Drohnen bei Polizeieinsätzen im Rahmen von Fahndungsmaßnahmen“ die Rede. Auch der Einsatz von Body-Cams soll ausgebaut werden.

Die Erstellung eines Strategiekonzepts zur verbesserten Bekämpfung von Cyberkriminalität ist geplant.

Allgemeinplätze

Netzpolitisch verliert man sich sonst eher in Allgemeinplätzen. So wird etwa angekündigt, die Datenschutzbehörde mit den „erforderlichen finanziellen, personellen und materiellen Mitteln“ ausstatten zu wollen, damit sie ihre Aufgaben vollumfänglich wahrnehmen könne.

Geplant sind auch eine Kompetenzstelle für IT-Sicherheit und Datenschutztechnik sowie Technologiefolgenabschätzungen bei öffentlichen Digitalisierungsvorhaben. Festgeschrieben wird auch die „Etablierung des Prinzips der anonymen Nutzung von technischen Infrastruktur-Systemen.“

Bei der nationalen Umsetzung der umstrittenen EU-Urheberrechtsrichtlinie will man insbesonderes im Zusammenhang mit Upload-Filtern den Schutz der Privatsphäre gewährleisten. Der Umgang mit urheberrechtsverletzenden Websites soll evaluiert werden.

Kein digitales Vermummungsverbot

Von dem von der früheren ÖVP-FPÖ-Regierung forcierten digitalen Vermummungsverbot zum Kampf gegen Hass im Netz ist nicht mehr die Rede. In Aussicht gestellt wird eine Ermittlungspflicht der Strafverfolgungsbehörden auch bei Privatanklagedelikten bei Fällen von Hasskriminalität. Betreiber von sozialen Netzwerken sollen verpflichtet werden, einen Zustellbevollmächtigten zu nennen, bei dem Betroffene Sperren von Accounts beantragen können.

Head of Austria's Green Party Werner Kogler and head of People's Party Sebastian Kurz deliver a statement in Vienna

Start-ups

Für Start-ups sieht das Programm der neuen Regierung unter anderem die Schaffung einer neuen Kapitalgesellschaftsform vor. Die bereits von der ÖVP-FPÖ-Regierung angekündigte Abschaffung der Veröffentlichungspflicht in Papierform in der Wiener Zeitung soll ebenfalls umgesetzt werden.

Daneben sollen verbesserte Anreize für privates Risikokapital geschaffen und in Zusammenarbeit mit privaten Investoren mehr Wachstumskapital zur Verfügung gestellt werden.

Digitalisierung der Wirtschaft

Zur Digitalisierung der Wirtschaft wird unter anderem die Digitalisierungsinitiative für kleine und mittlere Unternehmen fortgesetzt. Daneben ist der Aufbau eines staatlich kofinanzierten Technologie-, Innovations- und Wachstums-Fonds geplant, der auf bestehenden Förderinstrumenten aufbauend die „Etablierung von europäischen Schlüsseltechnologien“ unterstützen soll.

Thema des Regierungsprogramms sind auch Anbieter der digitalen Plattformökonomie wie etwa der Zimmervermittler Airbnb oder der Fahrdienstvermittler Uber. Innovationen sollen zugelassen, der Wettbewerb mit traditionellen Geschäftsmodellen soll aber fair gestaltet werden, heißt es. Zusatz: „Vor allem regulative und steuerliche Schlupflöcher schließen.“

Forschungs-Rechenzentrum und Blockchain-Masterplan

Widmen will sich die Regierung auch Zukunftstechnologien. So ist etwa aufbauend auf das Vienna Scientific Cluster der Ausbau eines Forschungs-Rechenzentrums vorgesehen, der Spitzenforschung insbesondere im Bereich datenbasierter künstlicher Intelligenz ermöglichen soll.

Auch die ursprünglich für 2019 geplante KI-Strategie für Österreich soll umgesetzt werden. Als Basis dafür soll der im vergangenen Jahr erarbeitete Expertenbericht dienen. Damit sollen die Rahmenbedingungen für die Entwicklung und den Einsatz von Systemen künstlicher Intelligenz und Algorithmen festegelegt werden. Ebenfalls vorgesehen ist ein Masterplan für Blockchain-Technologie und Kryptowährungen. Daneben sollen an wichtigen Bildungsstandorten „Innovation Labs“ geschaffen werden.

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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