US-Geheimdienst NSA baut Abhörmaßnahmen aus
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Die National Security Agency ist die klassische Lausch-Behörde unter den amerikanischen Geheimdiensten. Mit elektronischen und digitalen Mitteln fängt sie weltweit Nachrichten ab. Ihre Satellitenaufklärung unter dem Codenamen Echelon wurde schon vor Jahren als „Staubsauger im All“ bezeichnet. Berühmt ist sie dafür, über ungeahnte Entschlüsselungsfähigkeiten zu verfügen. Fast jede verschlüsselte Nachricht soll sie irgendwann knacken können. Seit den Anschlägen 11. September hat sie eine erstaunliche Wandlung durchlaufen:
Inländische Abhörbeschränkungen werden ignoriert
Laut den Aussagen ehemaliger Angestellter macht der Aufklärungswille der NSA auch vor Bürgern im amerikanischen Inland nicht Halt – in den USA ist das seit dem unrühmlichen Abgang des ehemaligen Präsidenten und Abhörfans
Richard Nixon gesetzlich verboten. Dass die NSA direkt in den Kommunikationszentralen großer amerikanischer Telekommunikationskonzerne den Kommunikationsverkehr anzapft, kopiert und filtert, berichtete der
Der durch mehrere einschlägige Buchveröffentlichungen seit Jahrzehnten profilierte NSA-Experte James Bamford berichtete nun vor kurzem in Wired, dass die Geheimdienstbehörde wohl routinemäßig Gespräche zwischen Amerikanern, die sich im Ausland aufhalten und inländischen Kommunikationspartnern abhört. Darunter befänden sich auch die privaten Telefonate von Journalisten mit ihren Familienangehörigen, wie zwei Whistleblower unabhängig voneinander berichteten. NSA-Angestellte, die dagegen protestierten, seien eingeschüchtert und einfach gegen willigere Personen ausgetauscht worden.
Echelon-Staaten in weiterhin engster Kooperation
Hinzu kommt, dass die NSA ihre engen Verbündeten in Großbritannien, Kanada, Neuseeland und Australien nutzt, um inländische Gespräche abzuhören. Bamford verweist dabei auf den ehemaligen hochrangigen NSA-Angestellten Louis Tordella, der darüber in einer Kongressanhörung ausgesagt hatte. Diese Praxis sei erst nach den Terroranschlägen des 11. September eingerissen, berichtete die Whistleblowerin Adrienne Kinne. Seither leisteten sich die fünf Staaten quasi gegenseitig Amtshilfe, um etwaige juristische Beschränkungen zu umgehen.
Wenig irritiert von diesen Regelverstößen steht der Kurs der NSA derweil auf Expansion. Anfang März berichtete die britische Tageszeitung „The Guardian“, dass die Echelon-Abhörstation im südenglischen Menwith Hill massiv ausgebaut wird. Die Anlage verfügt mittlerweile über 33 Radome, um den Satellitenverkehr abzuhören. Das Personal soll von 1800 Angestellte im letzten Jahr auf 2500 im Jahr 2015 aufgestockt werden. Über 68 Mio. Dollar wurden außerdem in eine neue Elektrizitätsversorgung investiert, um die Supercomputer auf der Basis versorgen zu können. Diese sollen zwei Millionen abgefangene Nachrichten pro Stunde verarbeiten können. Die IT-Ausstattung ist derart leistungsstark, dass Menwith Hill US-Militäraktionen mit Echtzeit-Überwachungsmaterial unterstützen kann. Drohnen-Einsätze etwa sind darauf dringend angewiesen.
Expansionskurs in Richtung totale Informationsverarbeitung
Der bestens informierte James Bamford berichtete außerdem im März in einer Wired-Titelgeschichte, dass der
Geheimdienst in der Wüste von Utah derzeit das bislang wohl größte Spionagezentrum errichtet. Das so genannte „Utah Data Center“ soll laut Bamford „der letzte Puzzlestein“ sein, der dem gewaltigen Überwachungskomplex der NSA noch fehlt. Verarbeitet werden sollen in Utah nicht nur die Inhalte von E-Mails, Telefonaten und Google-Suchanfragen, sondern auch andere persönliche Daten wie Parkzettel, Reiserouten, Buchkäufe und andere digitale Spuren.
Ab Herbst 2013 könnte, so Bamford, das für 2 Milliarden errichtete Zentrum endlich die Idee der totalen Informationsaufbereitung, die bereits unter Präsident Georg W. Bush geplant war, in die Praxis umsetzen. Ein ehemaliger NSA-Angestellter führt Daumen und Zeigefinger zusammen und sagte Bamford: „So weit weg sind wir noch vor einem schlüsselfertigen totalitären Staat.“
Code-Brecher wieder im Aufwind
Noch schützen sich Unternehmen und Privatpersonen mit starker Kryptografie vor allzu großer Neugier. Hatten die Code-Macher in den letzten Jahren dank fortgeschrittener Algorithmen wie AES noch die Vorhand, scheint sich das Blatt jetzt wieder zu wenden: In
Utah will sich die NSA wieder ihrer alten Tugend, dem Code-Brechen widmen. Sie will den Code von verschlüsselten Informationen wie etwa von Finanz- und Aktientransaktionen oder militärischen und diplomatischen Geheimnissen mit unter höchster Geheimhaltung selbst entwickelten Petaflop-Superrechnern schneller brechen können.
Die Rede ist davon, dass die neuen, auf das Codebrechen spezialisierten Rechner bereits kommerziell gängige Krypto-Algorithmen wie AES brechen können. Mit 128-Bit verschlüsselte Nachrichten und Internetverkehre sollen bereits nicht mehr sicher sein. Und noch schnellere Rechner sind bereits in Planung.
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