Wie BND und NSA österreichische Telefongespräche abhörten
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Am Montag diskutiert der Sicherheitssprecher der Grünen, Peter Pilz, mit Vertretern des US-Kongresses in Washington. Thema werden die rechtlich nicht gedeckten Aktivitäten der US-Nachrichtendienste in Europa sein. Im Gepäck hat Pilz neue Dokumente, die belegen, wie die Massenüberwachung in Europa organisiert wurde. Schon seit dem vergangenen Sommer haben die Grünen Beweise veröffentlicht, die zeigen, dass sich der deutsche Bundesnachrichtendienst durch Verträge mit der deutschen Telekom Zugriff auf internationale Telefon-Transitleitungen verschafft hat. Auch Gespräche von und nach Österreich wurden so abgehört. Neue Dokumente, die Pilz am Freitag auf einer Pressekonferenz in Wien präsentiert hat, zeigen jetzt, wie die sogenannte “Operation Transit” genau funktioniert hat.
“Wir können jetzt lückenlos beweisen, dass der BND in Kooperation mit der NSA zwischen 2003 und 2008 massenhaft Telefongespräche aufgezeichnet hat”, sagt Pilz. Eines der vorliegenden Dokumente ist ein Vertrag zwischen BND und US-Nachrichtendienste aus dem Jahr 2002, der die Zusammenarbeit in Europa festschreibt. Zudem gibt es Mailverkehr zwischen deutscher Telekom und BND, in dem diskutiert wird, wie der Zugang zu den internationalen Telefonleitungen am besten realisierbar ist. Entschieden wurde, einen Knotenpunkt in Frankfurt anzuzapfen und die Gespräche dort gezielt auszuleiten und an BND und letztendlich NSA weiterzuleiten. Der BND hat der Telekom eine Liste der gewünschten Telefonleitungen übermittelt. Kopiert wurden aber nicht nur die Gespräche einzelner Leitungen, sondern der Inhalt ganzer STM-1-Leitungen, auf denen 60 bis 70 konkrete Verbindungen übermittelt werden. So sind auch Gespräche von Personen, an denen kein nachrichtendienstliches Interesse bestand, aufgezeichnet worden.
Politisch gedeckt
“Die haben den ganzen Heuhaufen genommen, nicht nur die Nadeln gesucht”, sagt Pilz. 264 solcher Leitungen sind auf Wunsch des BND abgeleitet worden, zuerst nach Bad Aibling in Bayern, aber “letztendlich nach Fort Meade”, wie Pilz betont. Unter den betroffenen internationalen Leitungen waren auch die Verbindungen Rotterdam - Wien, Dublin - Luxemburg - Wien, Tokio - Wien und Jakarta - Wien. Als Telekom-Juristen rechtliche Bedenken angemeldet haben, hat das deutsche Bundeskanzleramt in einem Fax an die Telekom sein rechtliches OK gegeben. Laut Pilz hat es sich dabei um einen “Persilschein” gehandelt, illegale Aktionen ermöglicht hat. Verantwortlicher Politiker im Bundeskanzleramt war damals Frank-Walter Steinmeier, gegen den Pilz bereits Anzeige erstattet hat. Kanzler war damals noch Gerhard Schröder. In Mails aus dem Jahr 2004 bestätigt die Telekom, dass mit der Überwachung begonnen wurde. Der BND zahlt im Gegenzug eine “Miete” in Höhe von rund 6000 Euro im Monat. “So billig ist Spionage gegen europäische Partner zu haben”, sagt Pilz.
Aus weiterer Korrespondenz zwischen BND und Telekom geht hervor, dass insgesamt vier STM-1-Leitungen von der Telekom ausgeleitet wurden. In sogenannten “Rubin Information Info”-Dokumenten wird jeweils aufgelistet, welche Verbindungen auf einem betroffenen Kabel zu finden sind und welche für BND und NSA interessant sind. Österreichische Leitungen sind demnach seit 3. Februar 2005 betroffen. Der BND hatte dabei immer Zugriff auf alle Verbindungen, die über die STM-1-Kabel gelaufen sind. Die Telekom hatte hingegen keinen Einblick, welche Verbindungen ausgeleitet wurden. Im Mai 2008 wurde die Operation Transit offiziell beendet. “Allerdings nicht, weil illegale Aktivitäten eingestellt werden sollten, sondern weil neue technische Möglichkeiten ganz andere Arten der Überwachung erlauben”, sagt Pilz.
Schlimmer als zuvor
Heute konzentrieren sich die Geheimdienste demnach auf STM- 16 oder 64-Leitungen, die eine 16- beziehungsweise 64 Mal höhere Kapazität haben als STM-1. Aus den E-Mails geht hervor, dass zumindest zwei STM-64 und vier STM 16 Kabel in einem Nachfolgeprojekt abgehört werden sollten. “Das zeigt den Übergang von leitungsvermittelten zu paketvermittelten Verbindungen. Heute nehmend die US-Dienste auch SIM-Karten mit Satelliten ins Visier. Bei der NSA ist es üblich, sich nicht auf eine einzige Möglichkeit zu verlassen”, sagt Pilz. Der Grünen-Sprecher will weiterhin Beweise sammeln und die politisch Verantwortlichen zur Verantwortung ziehen.
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