© Gregor Gruber

Smartphone Test

Galaxy Nexus: Flottes Flaggschiff im Test

Dem Start eines offiziellen Google-Handys geht meist ein gewisser Hype voraus. Der Grund dafür ist aber nicht unbedingt die Hardware, sondern die Software. Wie auch schon die früheren Smartphones, die offiziell von Google beworben wurden, hat das Galaxy Nexus (ab 504 Euro bei Preisvergleichsportalen, UVP 699 Euro) als erstes Smartphone eine neue Android-Version. Android 4.0 aka „Ice Cream Sandwich“ und seine Features wurden bereits von der futurezone ausführlich vorgestellt, weshalb sich dieser Test mehr auf das Smartphone und das Nutzererlebnis, das aus Hardware und Software resultiert, konzentriert.

Mit Kurve und Buckel
Der Formfaktor des Galaxy Nexus orientiert sich stark am Nexus S, das ebenfalls von Samsung hergestellt wurde. Das Display ist wie beim Nexus S nach innen gebogen und an der Rückseite findet sich auch der bekannte Samsung-Buckel wieder, der nicht nur beim Nexus S, sondern auch beim Galaxy S und SII vorhanden ist. Die Kombination aus Buckel und geriffelter Rückseite sorgt für einen guten Halt. Zierliche Männer- und Frauenhände werden bei der einhändigen Bedienung aber wahrscheinlich Probleme kriegen, da das Display eben doch größer ist als bei iPhone 4S, Galaxy S und Co.

Das kurvige Display wirkt sich im Alltagsgebrauch kaum aus. Alle Kanten und Ecken sind abgerundet, es besteht also keine Schmerzgefahr für Ohren oder Finger.

Das Smartphone vermittelt einen robusten Eindruck, nichts knirscht, knarrt oder verbiegt sich. Die einzige Ausnahme ist hier wieder mal die Akku-Abdeckung, die zum Einlegen des Akkus und der SIM-Karte regelrecht vom Handy geschält und gebogen werden muss. Ist sie aber korrekt montiert, merkt man ihr die Materialeigenschaften nicht an.

Das Gewicht von 135 Gramm fällt nicht negativ auf, da das Smartphone mittig ausbalanciert ist. Zum Vergleich: Das iPhone 4S wiegt 140 Gramm. Mit dem Schlankheitswahn, den iPhone 4 und Samsung Galaxy S2 vorgelegt haben, zieht das Galaxy Nexus nicht mit. Zwar ist es an der dünnsten Stelle einen Hauch dünner als das iPhone 4S, allerdings ist diese dünnste Stelle nur die obere Gehäusekante. Die untere Hälfte des Galaxy Nexus wirkt, aufgrund des rückseitigen Buckels, geradezu dick und wuchtig im Vergleich zu anderen Smartphones.

Display und Tarneigenschaften
Ebenfalls vom Nexus S geerbt hat das Galaxy Nexus seine Tarneigenschaften. Ist das Display ausgeschaltet, sind an der Front nur die Löcher für den oberen Lautsprecher und die Front-Kamera zu sehen. Auf physische oder Softtouch-Tasten wird verzichtet, obwohl der Platz dafür vorhanden wäre. Dadurch ist nicht einmal der Ansatz einer Taste zu sehen ist, wenn das Display aus ist. Damit der „Stealth“-Look komplett wäre, hätte aber auch der Rand schwarz sein müssen, wie beim Nexus S. Dieser ist aber in „Titanium Silber“, besser bekannt als dunkelgrau, gehalten.

Der Nachteil beim Verzicht auf Fronttasten ist, dass die „Zurück“- „Home“- und „Task Manager“-Taste fast immer als Leiste am unteren Bildschirmrand bzw. im Querformat an der Seite zu sehen ist. So wird aus dem 4,65-Zoll großem Display ein 4,49 Zoll großes – was im Alltag natürlich immer noch ausreichend ist. Bei der Wiedergabe von Videos am Handy oder auf YouTube wird die Tastenleiste ausgeblendet.

Das Super-AMOLED-Display hat eine Auflösung von 1280x720 Pixel. Die Farbdarstellung ist kräftig, das Schwarz schön satt und die Schriften und Icons scharf. Das Display schwächelt nur bei der großflächigen Darstellung von Grün und Grau. Die Flächen sehen nicht gleichmäßig einfärbig aus, sondern als würde ein leicht dunklerer Gitterraster darüber liegen.

Die automatische Helligkeitseinstellung ist in den meisten Situationen einen Tick zu dunkel, was aber dabei hilft die Energiereserven zu schonen. Eine lobenswerte Erwähnung verdient noch die LED-Signalleuchte. Entgegen dem Samsung-Trend hat das Galaxy Nexus nämlich eine, die bei verpassten Anrufen oder eingegangenen Nachrichten unten mittig pulsiert.

Leistung
Android 4.0.1 ist auf dem Galaxy Nexus so, wie Android 3.0 von Anfang an auf den ersten Tablets hätte sein sollen: schnell und großteils stabil. Das Wechseln durch Homescreens, Scrollen in Apps und Widgets sowie das Aufrufen von Apps im Task Manager funktioniert flüssig. Außerdem täuschen diverse Animationen erfolgreich darüber hinweg, wenn es doch einmal eine Sekunde dauern sollte, bis zum Homescreen gewechselt wird oder die Vorschaufenster des Task Manager aufpoppen. Was die Geschwindigkeit angeht, gehört das Galaxy Nexus (Dual Core 1,2GHz) zu den flottesten Android-Geräten – auch wenn es nicht das beste ist. Das Samsung Galaxy Note (Dual Core 1,4GHz) reagiert einen Tick flotter und mit noch weniger Verzögerungen.

Der Akku hat 1750mah, was bei starker Nutzung einen Arbeitstag locker überstehen sollte und bei normaler Nutzung für eineinhalb bis zwei Tage reicht. Auch hier ist das Galaxy Note eine Spur besser, da in dem großen Gerät auch ein großer Akku mit 2500mah verbaut ist. Die Qualität beim Telefonieren ist ähnlich gut wie beim Galaxy Note.

Kamera
Dafür, dass das Galaxy Nexus das neue offizielle Google-Handy und damit zumindest für ein oder zwei Monate das Aushängeschild der Android-Smartphones ist (das Galaxy Note und SII sollen Android 4.0 im Februar bekommen), ist die Kamera enttäuschend. Sie hat fünf Megapixel, beim iPhone 4S, Galaxy SII und HTC Sensation sind es acht – obwohl diese Geräte teilweise schon seit über einem Jahr verfügbar sind. Nicht dass mehr Megapixel automatisch besser wären, aber qualitätsverbessernd wirken sich die 5MP beim Galaxy Nexus nicht aus.

Bei optimalen Lichtverhältnissen sind die Bilder wie bei den meisten Smartphones auch gut. Aber bei Kunstlicht in Innenräumen und schwachem Licht außen beginnen die Bilder stark zu grieseln. Ein Vorteil der Kamera ist auch gleichzeitig ein Nachteil: Sobald man den Auslöser am Display berührt, wird das Foto gemacht. Diese verzögerungsfreie Aufnahme ist zwar genial, allerdings ist der Autofokus der Kamera langsam. Ist man also allzu schnell mit dem Auslösen, werden die Schnappschüsse verschwommen. Um das zu vermeiden, kann man entweder den Touch-Fokus nutzen oder den Auslöse-Button gedrückt lassen, bis die Kamera fokussiert hat. Die Gesichtserkennung und Fokussierung funktioniert gut. Der LED-Blitz ist ausreichend stark, die Bildqualität der Blitzaufnahmen lässt aber zu wünschen übrig.

Videoaufnahmen sind mit 1080p möglich, der Ton zum Film wird in Mono aufgenommen. Beim Filmen ist der Autofokus noch eine Spur langsamer als beim Fotografieren, was speziell bei Schwenks auffällt. Eine Videoeditor-App ist vorinstalliert, mit der auch ein paar Effekte hinzugefügt werden können.

Die Frontkamera hat 1,3 Megapixel und kann Videos in 720p aufnehmen. Der spaßigere Nutzen für die Frontkamera ist aber die Gesichtssperre. Anstatt das Display per Fingerwisch oder Code zu entsperren, erkennt das Galaxy Nexus das Gesicht des Besitzers. Das funktioniert in 95 Prozent aller Fälle, auch bei schummrigen Licht. Wird das Gesicht nicht erkannt, muss ein PIN-Code eingegeben werden.

Kleinigkeiten
Bei Android 4.0 in seiner puren Version auf dem Nexus Galaxy gibt es einige Kleinigkeiten, die noch stören, aber durch Firmware-Updates oder eigene Versionen der Herstellers behebbar sind. So ist die Lautstärke für Klingelton und Benachrichtigungston nicht getrennt voneinander einstellbar. Eigene Klingeltöne werden nur einmal abgespielt und nicht wiederholt. Ist der Klingelton also nur ein „Ring, Ring“, ist nach den zwei Klingelgeräuschen Schluss. Für den Lockscreen und Homescreen können nicht verschiedene Hintergrundbilder gewählt werden.

Im Lockscreen, der mit Fingerwischen entsperrt wird, gibt es einen Shortcut zur Kamera, der aber nicht gegen andere Shortcuts ausgetauscht oder durch andere Verknüpfungen ergänzt werden kann. Während die offiziellen Apps ziemlich stabil laufen, haben einige Apps anderer Anbieter noch Probleme mit Android 4.0, speziell wenn es Widgets sind. Mit der weiteren Verbreitung von Android 4.0 werden in Zukunft die Entwickler ihre Apps aber ohnehin anpassen.

Fazit
In Sachen Verarbeitung ist das Galaxy Nexus nahezu perfekt. Auch an die Größe gewöhnt man sich relativ schnell, da es nur ein Zentimeter länger als das Galaxy SII ist. Android 4.0 überzeugt trotz fehlerhaften Kleinigkeiten, auch der seriösere Look im Blau/Grau statt Grün/Schwarz steht dem Betriebssystem gut.

Beim Benutzen wird man aber das Gefühl nicht los, dass da noch mehr geht. Denn wenn man den Sprung überlegt, den Samsung vom Nexus S zum Galaxy SII gemacht hat, kann man sich in Anbetracht des Galaxy Nexus schon auf ein ausgezeichnetes Galaxy SIII freuen, das dünner und noch schneller ist und eine bessere Kamera hat. Wer bis zum wahrscheinlichen Start des SIII im Mai/Juni 2012 nicht warten will oder kann (oder einfach so früh wie möglich Android 4.0 haben will), wird in dem Galaxy Nexus einen ausgezeichneten, wenn auch nicht ganz perfekten Alltagsbegleiter finden.

Mehr zum Thema

Modell:
Samsung Galaxy Nexus
Display:
4,65 Zoll Super-AMOLED-Display mit 1280x720 Pixel
Prozessor:
1,2GHz TI OMAP 4460 ARM Cortex-A9 Dual Core
Grafikprozessor:
PowerVR SGX 540 mit 384MHz
RAM:
1GB
Speicher:
16GB, kein MicroSD-Slot
Anschlüsse:
Micro-USB (MHL), 3,5mm Klinke
Kamera:
5MP Rückseite, 1,3MP Front
Videos:
1080p Rückkamera, 720p Front
Verbindungen:
WLAN b/g/n, Bluetooth 3.0, WiFi-Direct, NFC, A-GPS
Maße:
135,5×67,94×8,94mm, 135 Gramm
Preise:
699 Euro UVP
ab 509 Euro bei Geizhals
ab 529 Euro bei Amazon
ab 0 Euro bei A1

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

mehr lesen
Gregor Gruber

Kommentare