Here One
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© Gregor Gruber

Bluetooth-Kopfhörer

Here One im Test: Vorgeschmack auf die Kopfhörer-Zukunft

Update: Während der Arbeit an dem Test hat der Hersteller Doppler Labs angekündigt, den Betrieb mit 1. Dezember 2017 einzustellen.

Bragi hat es mit The Dash vorgemacht, Apple hat es mit den AirPods zum Massenprodukt gemacht: Bluetooth-In-Ear-Kopfhörer, die gänzlich ohne Bügel und Kabel auskommen. Das US-Unternehmen Doppler Labs greift diese Idee mit Here One auf und erweitert sie um sinnvolle Funktionen, die das nächste Level der aktiven Geräuschunterdrückung sind.

Die Bluetooth-Kopfhörer sind etwas größer als Apples AirPods, sehen dafür aber auch nicht so aus, als hätte man den Kopf einer elektrischen Zahnbürste im Ohr stecken. Laut dem Hersteller wiegt jeder Here-One-Kopfhörer nur fünf Gramm. Tatsächlich spürt man sie fast gar nicht an der Ohrmuschel, sondern lediglich den Einsatz im äußeren Gehörgang.

Im Lieferumfang sind sechs verschiedene Einsätze aus Schaumstoff und Gummi enthalten. Man sollte sich zu Beginn die Zeit nehmen die Einsätze durchzuprobieren, um die beste Größe zu finden. Die Here One können ihr Hauptfeature nämlich nur richtig ausspielen, wenn sie den Gehörgang möglichst gut abdichten.

Gehörtest

Das Einrichten der Kopfhörer mit der App funktionierte im Test problemlos. Sind die Kopfhörer verbunden, wird zu Beginn ein Hörtest mit fünf verschiedenen Tönen, jeweils für das linke und rechte Ohr, durchgeführt. Auch dafür sollte man sich die Zeit nehmen, da es zur hervorragenden Tonwiedergabe der Here One beiträgt.

Für winzige, kabellose Bluetooth-Kopfhörer ist die Klangqualität nämlich ausgezeichnet. Anstatt dumpfen Pseudo-Bass und oder abgeflachte Kompressionspampe, gibt es Klarheit. Sowohl in den Höhen als auch in den Tiefen.

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Sauber

Zu Beginn hatte ich kurz das Gefühl, dass das „falsch“ klingt, weil ich diesen sauberen Ton von Bluetooth-In-Ear-Kopfhörer nicht gewohnt bin und ihn auch nicht erwartet hatte. Mit jedem Song schätzte ich ihn aber mehr. Ich konnte Details in Gesang und Musik heraushören, die mir vorher selbst in Liedern nicht aufgefallen sind, die ich sicher schon hunderte Male über die verschiedensten Lautsprecher und Kopfhörer gehört habe.

Wer auf brutal drückenden Bass steht wird zu Beginn von den Here One möglicherweise enttäuscht sein. Allerdings ist der Bass da, nur eben nicht so übersteuert und omnipräsent wie bei vielen anderen Kopfhörern. Dadurch, dass beim Here One auch die Mitten und Höhen sauber sind, wirkt der Bass nur Anfangs schwächer, als man es gewohnt ist. Nach ein paar Songs hat man sich aber auf das neue Hörgefühl eingestellt und wird merken, dass der Bass durchaus vorhanden ist – nur eben klarer und nicht als dumpf-hämmernde Dauerbelastung, die sich wie eine akustische Bleidecke über die Klangkulisse legt.

Außenwelt leiser drehen

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Es ist aber nicht die Tonqualität, mit der Doppler Labs die Here One anpreist. Es ist das aktive Noise Cancelling, das per App konfiguriert werden kann.

Dass dieses Feature im Vordergrund steht, wird auch in der App sichtbar. Durch das Wischen nach oben und unten wird eingestellt, wie viel von der Außenwelt zu hören sein soll. Bei -22 Dezibel wird nahezu alles geblockt. 0 ist die Standardeinstellung und bei +6 werden die Außenweltgeräusche maximal verstärkt. So muss man nicht die Musik lauter drehen als man eigentlich möchte, wenn man von der Außenwelt weniger hören will – man dreht einfach die Außenwelt leiser. Je nach Filter war meine bevorzugte Einstellung -5 bis -10.

Filter

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Bei anderen Kopfhörern ist das Noise Cancelling meist so konfiguriert, dass primär Flugzeuglärm ausgefiltert wird. Das macht die Unterdrückung von anderen Geräuschen meist weniger effektiv. Beim Here One stehen elf Filter zur Auswahl, die für verschiedene Situationen gedacht sind.

Der Klassiker Flugzeug ist natürlich dabei. Zug gibt es in der Ausführung für den BART in San Francisco und die U-Bahn in New York. Beides lässt sich auch in der Wiener U-Bahn und den Zügen der ÖBB effektiv nutzen. Der Filter für Bus komplettiert das Noise Cancelling für die öffentlichen Verkehrsmittel.

Für mich sehr spannend sind die Filter Menschenmenge und Büro. Wer die Klangkulisse von einer quatschenden Meute nicht ausstehen kann (etwa in einem Saal, vor der Beginn einer Veranstaltung), wird sich darüber besonders freuen. Der Büro-Filter ist ein wahrer Segen im Großraumbüro, da hier Gequatsche und Tastengehaue akustisch reduziert wird. Der Nachteil dabei: Wird man vom Kollegen von der Seite angesprochen, kriegt man das nicht mehr mit.

Windrauschen

Nicht optimal ist der Stadt-Filter. Dieser soll die Störgeräusche eliminieren, die entstehen, wenn es windig ist. Denn trifft der Wind auf die Kopfhörer, hört man ein ungutes und lautes Rauschen. Der Stadt-Filter kommt bei starkem Wind nicht dagegen an. Das Rauschen ist immer noch sehr laut, nur höher von der Tonlage.

Der einzige Weg das Rauschen wegzubekommen, ist das Reduzieren der Außenwelt-Lautstärke in der App. Stichwort Rauschen: Mit White Noise gibt es einen Filter, der ein absichtliches, dauerhaftes Rauschen einspielt. Dies soll die Außenwelt akustisch komplett abschotten.

Sprache verstärken

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Der Filter Restaurant soll das Besteckklappern und Hintergrundraunen reduzieren und gleichzeitig die Sprache von nahen Personen verstärken. Das klappt zwar einigermaßen, allerdings wirkt es sehr unhöflich, wenn man mit Kopfhörern im Ohr ein Gespräch führt. Außerdem ist es etwas schwierig dem Gegenüber zu vermitteln, dass man gerade eh nicht Musik hört, sondern die Kopfhörer eher wie ein smartes Hörgerät funktionieren.

Es gibt auch zwei Filter, um Sprache zu verstärken: Einen für Sprache von vorne und einen für von hinten. Diese Filter funktionieren aber nur, wenn sich die Sprachquelle tatsächlich direkt vor oder hinter einem befindet und das näher als drei Meter. Ein Gespräch seitlich am Nebentisch oder am andere Ende des Wagons zu belauschen, funktioniert nicht.

Bypass durch tippen

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Will man kurzfristig die Außenwelt oder den Arbeitskollegen hören, der wild gestikulierend vor einem steht, ist es sinnvoller die Bypass-Funktion statt den Gesprächsfilter zu nutzen. Diese pausiert die Musikwiedergabe und leitet die Außenweltgeräusche in voller Lautstärke weiter. Dieser „Durchschleif“-Modus funktioniert besser als bei vielen anderen (auch höherpreisigen) Kopfhörern mit aktiver Geräuschunterdrückung, da die Qualität des durchgeleiteten Tons höher ist.

Der Bypass-Modus wird entweder in der App aktiviert oder durch ein einzelnes Antippen der Mitte der Here One. Das funktioniert beim linken und beim rechten Kopfhörer. Ein weiteres Antippen beendet den Bypass-Modus.

Siri bzw. der Google Assistant werden durch ein doppeltes Antippen aktiviert. Eingehende Anrufe werden durch ein Antippen angenommen, ein doppeltes Tippen lehnt den Anruf ab und beendet aktive Anrufe. Der Gesprächspartner beim Telefonieren ist gut zu hören, die eigene Stimme wird aber mit vielen Störgeräuschen übertragen. Leider hat der Hersteller hier verabsäumt, einen automatischen Filter oder Algorithmus für das Herausfiltern der Hintergrundgeräusche bei der Sprachübertragung einzubauen.

Live Mix

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Wer keinen passenden Filter findet, um ein bestimmtes Außenweltgeräusch auszusperren, kann den Live Mix nutzen. Ähnlich wie bei einem Equalizer können fünf Punkte per Drag-and-Drop verschoben wurden – nur, dass hier nicht der Klang der Musikwiedergabe, sondern der Außenwelt verändert wird.

Wer häufiger Konzerte besucht, könnte so etwa bei einer schlechten Akustik nachbessern und gleichzeitig nur so viel Lautstärke in den Gehörgang lassen, dass einem nicht noch am nächsten Tag die Ohren pfeifen. Beim Live Mix gibt es noch ein paar voreingestellte Setting, wie etwa einen Bassverstärker, Echo oder Flange. Der Bassverstärker ist noch nutzbar, die anderen Effekte sind eher als Spaß-Gimmicks zu verstehen – oder für User, die auf psychodelische Akustikerfahrungen stehen.

Kurze Laufzeit

Das größte Manko der Here One ist die Akkulaufzeit. Da für das Filtern der Außenweltgeräusche ständig Mikrofone aktiv sind, halten die Mini-Akkus in den Kopfhörern nur etwa zwei Stunden. Zum Aufladen werden sie in die Hülle gelegt, die ebenfalls einen Akku eingebaut hat. Die Hülle wird per Micro-USB-Kabel aufgeladen.

Ist der Akku der Hülle voll aufgeladen, können damit die Kopfhörer bis zu drei Mal geladen werden. Allerdings dauert es gut eine Stunde, bis die Here One in der Hülle wieder voll aufgeladen sind. Fliegt man weiter als von Wien bis nach London, muss man also eine Stunde ohne Kopfhörer auskommen.

Fazit

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Mit329,90 Eurosind die Here One teuer und mit zwei Stunden ist die Akkulaufzeit kurz. Dennoch sind sie beeindruckend. Die Möglichkeit den richtigen Filter für die jeweilige Situation zu wählen, die Lautstärke der Außenwelt zu regulieren und mit dem Live Mix die Geräuschunterdrückung zu personalisieren, sind nicht nur Spielereien, sondern tatsächlich nützlich. Noch dazu sind die Here One bequem zu tragen und liefern eine hervorragende Klangqualität.

Es ist schade, dass dem Hersteller das Geld ausgegangen ist. Eine neue Version von den Here One, die einige der Schwächen des jetzigen Modells behebt und eventuell weitere, smarte Funktionen hinzufügt, wäre toll gewesen. Aufgrund Der Geschäftsaufgabe des Herstellers und des damit auslaufenden Supports kann ich die Here One nicht zum Vollpreis empfehlen. Sollten die Here One im Zuge des Abverkaufs auf das Preisniveau der Apple AirPods (179 Euro) gesenkt werden, könnte man zuschlagen.

Disclaimer: Das Testgerät wurde von Gravis zur Verfügung gestellt.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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